Frisch geduscht schlüpfte ich in meine dunkelgrüne Satinbluse kombiniert mit einer schwarzen Anzughose. Dieses arrogante Arschloch wird mich nicht einschüchtern, dafür werde ich schon sorgen. Da es trotz der Sonne draußen noch kühl zu sein scheint, greife ich nach meinen schwarzen Mantel. Mit neuem Selbstbewusstsein, dass ich heute mit Sicherheit gebrauchen kann, stolziere ich in Pumps das Treppenhaus hinunter.
Als könnte mein Tag nicht noch schlimmer werden, steht der Idiot vor meiner Haustür. Das hat mir gerade noch gefehlt.„Anna, du kannst mir nicht ewig aus dem Weg gehen!" versucht er mich aufzuhalten.
„Und du kannst mir nicht ewig nachlaufen"
Meinen Versuch ihn abzuwimmeln, scheitert kläglich. Also drehe ich mich noch mal zu ihm um, bevor ich meinen Weg zum Taxi fortsetze.„Du hast eine Minute"
Erleichtert nickt er.
„Sag mir einfach warum du mich die ganze Zeit abblitzen lässt"
Es nagt also ziemlich an seinem Stolz, so verzweifelt wie er gerade vor mir steht.
„Ich stehe nicht auf Männer, die mit Geld oder Autos protzen"
„Aber auf Männer mit Macht?", fragt er dreist.
„Kratzt es etwa an deinem Ego, dass ich mich von dir nicht habe flachlegen lassen?", keife ich zurück. Was denkt er, wer er ist, so etwas zu mir zu sagen.
„Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wer er ist" und das sind meine letzten Worte, mit denen ich ihn stehen lasse und ins Auto steige.***
Ich fasse es nicht, dass ich wirklich vor seiner Tür stehe. Warum zum Teufel begebe ich mich freiwillig in die Höhle des Löwen. Ehrlich gesagt habe ich darauf keine gescheite Antwort.
Nervös drücke ich den Knopf der Klingel an der Metallpforte, die zum Grundstück führt. Das Surren der Sensoren ertönt und ich kann die Tür aufdrücken. Noch bevor ich die Stufen der kleinen Veranda aus hellen Steinen erreiche, wird die Tür von einem Mann geöffnet, den ich auf Mitte zwanzig schätze. Er ist hübsch keine Frage, aber dieses spitzbübische Grinsen in seinem Gesicht verlangsamt meine Schritte. Angesichts seiner Ähnlichkeit zu Luciano muss auch er ein Familienmitglied sein, vielleicht sogar noch ein Bruder. Gott wie viele Geschwister hat der eigentlich? Ich habe mich nie wirklich mit der Familiengeschichte der Martinellis beschäftigt, aber besser wäre, ich hätte es getan. Dann wüsste ich wenigstens, wer gerade vor mir steht.„Ciao Cinderella, du wirst schon erwartet" und das Grinsen auf seinem Gesicht wird noch breiter, wenn das überhaupt noch möglich ist.
„Das wundert mich nicht", kontere ich und recke mein Kinn nach oben. Niemand von ihnen sollte in dem Glauben sein, mich verunsichern zu können. Auf der anderen Seite wäre es besser, sie würden mich unterschätzen, aber das kann ich mit meinem Stolz nicht vereinbaren.
„Mein Cousin wird auch gleich da sein"
Nah dran mit meiner Vermutung, aber immerhin verwandt. Ich bin wirklich gut im Schlüsse ziehen. Er läuft mir voraus die breite Treppe auf der rechten Seite neben der Haustür hoch und führt mich durch den breiten Flur zu einem Zimmer, in dem ich schon einmal gewesen bin. Die Erinnerungen an die Nacht kommen langsam wieder in mein Gedächtnis. Luciano war nicht alleine gewesen im Club und auch waren wir im Auto nicht alleine. Wer hat mich an dem Abend eigentlich so gesehen?Als könnte es nicht peinlicher werden, steigt mir die Röte vor Scham ins Gesicht. Langsam schreite ich auf die bodentiefen Fenster zu. Von hier oben hat man wirklich einen fantastischen Ausblick auf die Alster. Menschen in kleinen Kanus paddeln im Wasser. Es ist zwar noch kein Hochsommer, aber die Sonne Anfang Mai war schon immer sehr stark. Während ich so in Gedanken das glitzernde Wasser beobachte, wäre es mir fast entgangen, dass die Tür hinter mir geöffnet wird. Sein Geruch steigt mir in die Nase, sodass ich mich nicht mal mehr umzudrehen brauche, um zu wissen, dass er es ist. Mit verschränkten Armen vor der Brust starre ich also weiter hinaus auf die Alster.
„Isabella", ertönt Luciano's tiefe Stimme laut hinter mir. Aufgrund der Entfernung muss er immer noch im Türrahmen stehen.
Wie erstarrt bleibe ich mit dem Rücken zu ihm gekehrt stehen. Hat er mich gerade Isabella genannt?
Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. Wie konnte ich nur so naiv sein und denken, dass er nicht weiß, wer ich bin?FUCK!
Ist jetzt alles vorbei? Warum lotst er mich hier her?
Ich höre seine Schritte hinter mir, die zum stehen kommen. Ich will nur noch eine Sache wissen, seit wann wusste er das?
Tief durchatmend drehe ich mich langsam zu ihm um „Seit wann-"
Weiter komme ich nicht. Eine zierliche blonde Frau kommt in der Tür zum stehen.
„Signor Martinelli", fließt ihre sanfte Stimme über die Lippen.
„Non voglio essere disturbato per la prossima ora" (Ich will die nächste Stunde nicht gestört werden), fordert er ohne seinen Blick von mir abzuwenden.Erleichterung durchflutet meine Venen. Er hat nicht mich gemeint, die Frau heißt Isabella. Ich bin schon so paranoid geworden, dass ich nicht mal mehr klar denken kann. Die Bedienstete schließt die Tür von außen und mein Herz beginnt mit jeder Sekunde, die verstreicht schneller zu schlagen. Warum will er mit mir hier alleine sein?
„Seit wann was?", beginnt er das Gespräch und kommt weiter auf mich zu. Sein schwarzes Hemd schmiegt sich perfekt an seinen muskulösen Körper. Selbst die Hose sitzt so perfekt, dass man meinen könnte, nie etwas erotischeres an einem Mann gesehen zu haben. Nervös wende ich meinen Blick wieder zu seinem Gesicht, bevor er mein Starren noch bemerken kann.
„Seit wann lebst du hier in Hamburg?", versuche ich meine angefangene Frage zu beenden.
Ein Lachen durchströmt den hellen Raum mit den hohen Decken.
„Ich dachte du hast kein Interesse an Smalltalk", entgegnet er amüsiert.
„Da hast du wohl recht, ich will eigentlich auch nur meine Schuhe holen"Jegliche Emotion, die etwas über mich verraten könnte, versuche ich in den Hintergrund zu drängen. Er schließt den Abstand der letzten zwei Meter zwischen uns und kommt genau vor mir zum stehen. Versucht er mich gerade ernsthaft einzuschüchtern? Das kann er vergessen. Sein dominanter Geruch dringt in meine Nase. Verdammt warum riecht er so gut, dass es schon fast ablenken könnte.
„Warum bist du so schnell abgehauen? Was hat dich so erschreckt?", will er neugierig wissen. Seine Augen durchbohren mich mit so einer Intensität, die mir fast unangenehm wird, aber auch nur fast. Ich starre mit einer Gleichgültigkeit zurück, dass er selbst kurz ins Wanken gerät, weil er mein Verhalten nicht deuten kann. Dieser Adonis ist also doch aus der Fassung zu bringen. Ein kleines Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen. Er soll wissen, dass ich es gerade gesehen habe. Seine arrogante Art spornt mich regelrecht dazu an, ihn zu provozieren.
„Ich wollte nicht mit dir Frühstücken" antwortete ich ihm gelangweilt .
Seine Mundwinkel zucken amüsiert nach oben.
„Und bei dem Gedanken an Frühstück mit mir, warst du so in Panik, dass du glatt deine Schuhe vergessen hast?"
„Also bekomme ich jetzt meine Schuhe?", versuche ich vom Thema abzulenken, um auch schnell wieder verschwinden zu können.„Erst wenn du mir deinen richtigen Namen verrätst"
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Capo de la Catania
RomanceIsabella lebt unter einer falschen Identität, mit der sie sich vor fünf Jahren ein neues Leben aufgebaut hat. Alles scheint endlich gut zu laufen, bis ein neuer Geschäftspartner mit ihrem Chef einen Drogen Deal eingeht und alles droht aufzufliegen...