4 | Ein Gefallen

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„Ja?", nehme ich den Anruf von Yusuf entgegen.

„Ich habe gehört du hast jemanden in den Fuß geschossen?" lacht er erfreut.
Ernsthaft? Deswegen ruft er mich an?

„Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist", antworte ich trocken, aber das bringt ihn nur noch mehr zum Lachen.
„Du hättest mal Sedat's Gesicht sehen müssen, als er mir das eben erzählt hat. Du hast meinen Bruder mit dieser Aktion ein bisschen aus der Bahn geworfen" lacht er weiter, dass selbst ich anfangen muss zu grinsen. Ja das stimmt, darauf war aber wohl keiner vorbereitet.

„Was soll ich mit den zwei Schimpansen machen?", frage ich, um auf mein eigentliches Problem zu lenken.

„Sperr sie in den kleinen Abstellraum, mein Bruder kümmert sich nachher darum"

Einverstanden beende ich das Telefonat und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen.

„Haben wir irgendwo Panzertape?", wende ich mich nun an Tarik, der es sich in der Zwischenzeit im Sessel bequem gemacht hat.

Nickend zeigt er in Richtung Bar „oberste Schublabe"

Beim Aufziehen der Schublade springt mir das graue Panzertape förmlich ins Auge.
Mit Freude umwickel ich die Handgelenke der Widerlinge mit Klebeband und damit der Fußboden nicht weiter leiden muss, bandagiere ich mit einer dicke Schicht den angeschossenen Schuh. Ein schmerzerfüllter Schrei dringt aus seiner Kehle, und bringt mir Genugtuung. Ich bin zwar kein Sadist, aber bei manchen Menschen erfreue ich mich an ihrem Leid, besonders wenn sie vorher so große Töne gespuckt und mich beleidigt haben. Bei genau dieser Spezies habe ich kein Mitleid, nein, ich empfinde Freude.

Zufrieden trinke ich meinen mittlerweile lauwarmen Schwarztee.
„Sag uns das nächste Mal bescheid, wenn du wieder Hilfe brauchst", zwinkert mir einer der Männer zu. War ja klar, dass sie meine Aktion geil gemacht hat, aber seine Anspielung lässt mich trotzdem kalt. Er ist zwar nicht hässlich, aber dennoch hat er so eine gewisse Ausstrahlung, dass er jede haben kann, die er will und genau das stößt mich wiederum ab.

Grinsend werfe ich meine braunen Haare über die Schulter und beobachte seinen gierigen Blick, der für einen Moment auf meinen Brüsten verweilt. Mir ist bewusst, wie ich auf Männer wirke, aber einen kleinen Spaß kann ich trotzdem daraus machen.
„Ich denke nicht, dass sich derartiges so schnell wieder ergibt, aber falls doch, dann habe ich ja deine Nummer"

Das zufriedene Grinsen, er wäre seinem Ziel einen Schritt näher gekommen, ist kaum zu übersehen. Also an seinem Pokerface muss er definitiv arbeiten, wenn er nicht so leicht zu durchschauen sein will. Meine wichtigste Regel ist immer:

Lass sie nicht deine Gedanken und Gefühle lesen.

„Wo ist eigentlich Sarina?", mischt sich ein anderer ein. Stimmt, ihn habe ich schon mal gesehen. Ich glaube sogar, dass es der Typ ist von dem sie letzte Woche geschwärmt hat.

„Ich habe sie vorhin nach Hause geschickt, weil sie so aufgebracht war, aber sie müsste jeden Moment wieder hier sein"

Wenigstens eine hat Glück in der Liebe, immerhin gefällt er ihr genauso, wie sie anscheinend ihm und als könnte ich hellsehen schwingt im nächsten Moment die Eingangstür auf.
Eine verwirrte Sarina sieht erst zu mir und dann zu dem Mann vor mir, der sie genauso interessiert mustert, wie sie ihn. Ein leichter rosa Schleier färbt die Haut ihrer Wangen.

„Kazim was machst du hier?", fragt sie ihn mit einem Hauch von Nervosität in der Stimme. Eindeutig, sie ist verknallt. So verunsichert habe ich sie noch nie gesehen.

„Gehts dir gut? Anna sagte du bist nach Hause?"
Oh Gott, wie ich es hasse, wenn jemand mit einer Gegenfrage antwortet, aber so verknallt wie sie ist, realisiert sie gar nicht, dass er ihre Frage umgeht.
Soll sie etwa nicht wissen, was er macht?, schießt es mir sofort durch den Kopf. Wie kann sie so blind vor Liebe sein und das nicht sehen?

„Ja, ich war alleine im Laden, als da so zwei Typen kamen..., aber anscheinend wurde das Problem ja schon beseitigt" beendet sie nach kurzem Zögern ihren Satz.
Na Gott sei Dank. Sie ist also doch nicht auf den Kopf gefallen und hat gemerkt, was hier los ist. Anders als Sarina wirkt Kazim überrascht, dass sie eins und eins zusammengezählt hat. Genau diese Art von Intelligenz bin ich von ihr gewohnt, das ist mein Mädchen, grinse ich in mich hinein.

„So da alles wieder in Ordnung ist, wie wäre es mit einer kleinen Feier?"
Wow, so viel Enthusiasmus habe ich jetzt nicht erwartet. Perplex sehen sich die Männer an, aber wie als würden sie den gleichen Gedanken hegen, beginnen sie nach ein paar Sekunden an, schelmisch zu grinsen. Das können sie sich definitiv abschminken. Ich würde doch nicht mit ihnen feiern gehen. Vor allem nicht nachdem dieser Typ offensichtlich etwas von mir will, dann hätte ich ihn den ganzen Abend an der Backe.

„Ich bin raus, heute muss ich mich um den Laden kümmern", rede ich mich raus. Ehrlich gesagt, habe ich überhaupt keinen Bock meinen Abend mit diesen Chaoten zu verbringen. Schön und gut, dass sie mir zur Seite gestanden haben, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mit ihnen freiwillig Zeit verbringen werde.

„Das kannst du vergessen!", grätscht mir Sarina dazwischen „Du wirst einen Abend mal abschalten, außerdem hast du schon fast den ganzen Papierkram erledigt!"

Ihr Blick schweift zum Tisch und zu meinem Bedauern hat sie leider recht. Ich muss mir dringend eine andere Ausrede einfallen lassen, damit ich nicht mit muss.

Es sei denn Sedat würde mitkommen...
Denn so lange er in meiner Nähe ist, habe ich eher so etwas wie einen Bruderbonus, bei dem es in der Regel keiner wagt, mich zu belästigen. So hungrig wie der Blick des Typen ist, hat es für mich nur zu bedeuten, dass er auf jeden Fall auf eine schnelle Nummer hinaus ist.

„Wenn du es schaffst Sedat zu überreden, bin ich dabei" grinse ich siegessicher.

Mit hochgezogenen Augenbrauen wirft mir Sarina einen Das ist nicht dein Ernst-Blick zu. Und ob es mein Ernst ist unterstreiche ich meine Aussage mit einem provokanten Grinsen. Es ist nichts Neues, dass sie versucht mich zu verkuppeln oder mir eine Bettgeschichte schmackhaft zu machen. Nur leider bin ich ihrer Meinung nach zu wählerisch, was die Männerwahl betrifft.
Ich bin aber ganz zufrieden mit meiner wählerischen Art.

„Na schön, Sedat schuldet mir sowieso noch einen Gefallen. Also kannst du dich in Ruhe zuhause fertig machen und ich hole dich später ab", kontert Sarina unbeeindruckt.

Das Grinsen in meinem Gesicht verrutscht und mir klappt beinahe die Kinnlade herunter.

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Capo de la CataniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt