„Das Lager, aber es liegt weiter weg von den Schnellstraßen und an den anbindenden Straßen entsteht zu den Hauptverkehrszeiten am meisten Stau"
Ich versuche meine Stimme so kühl wie möglich zu halten, um nicht den geringsten Verdacht für meine Nervosität zu liefern, die sich gerade wie ein Sturm in mir ausbreitet.
Adonis lehnt sich in seinem schwarzen Hemd nach vorne und starrt mir in die Augen, als wenn er versucht irgendetwas daraus zu lesen.
„Wenn die Wahl des Lagers eindeutig ist, warum schlägst du uns dann zwei Möglichkeiten vor?", durchbricht seine Stimme die Stille im Raum.
Alle Augen sind mittlerweile auf mich gerichtet.
Ich brauche einen Moment um mich zu sammeln, bevor ich zur Antwort ansetze
„Ganz einfach, weil ich nicht wusste wie ihr die Ware transportieren wollt. Ob über Land- oder doch eher über Wasserwege"
Meine Tonlage ist ruhig und kontrolliert, der komplette Gegensatz zu meinem Inneren.Zufrieden mit meinem Argument lehnt er sich im Stuhl wieder zurück und nachdem er mich noch einen Moment beäugt hat, wendet er sich Sedat zu, der das ganze Geschehen aufmerksam verfolgt hat und nicht nur er, da bin ich mir sicher. Tarik und sein Verkaufspartner, den ich nur vom Sehen kenne, lehnen an der Wand und halten sich im Hintergrund.
„Wieviel würdest du in einer Woche verkauft bekommen?"
Hätte ich eben einfach nur mal nachgedacht und die möglichen Lager nicht so gut verkauft, wäre er vielleicht abgesprungen. Ich kann jetzt schlecht das Wort ergreifen und den Deal platzen lassen. Ich hoffe nur Sedat ist sich im Klaren darüber, mit wem er hier gerade ein Geschäft eingehen will...
Das Gespräch verläuft alles andere als zu meiner Zufriedenheit und so wie es sich anhört, soll sich eine enge Geschäftsbeziehung entwickeln.
Adonis und sein Ebenbild in jünger erheben sich. Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass sie den Deal abgeschlossen haben. Sie reichen sich die Hände und somit ist es wohl beschlossene Sache. Tarik öffnet die Tür und wir folgen ihm nach draußen in den vorderen Bereich. Wir passieren die kleine Bar, an der der Idiot sitzt und mich mit seinen Blicken verfolgt. Doch auf dem halben Wege bleibt Adonis plötzlich stehen und wie versteinert halte ich in meiner Bewegung inne, als er sich mit einem schelmischen Grinsen zu mir umdreht. Die Aufmerksamkeit aller ist auf ihn gerichtet und das ist ihm mehr als deutlich bewusst. Einige folgen seinem Blick und sehen jetzt auch zu mir. Schluckend versuche ich irgendetwas aus seiner dreckigen Miene zu lesen, erfolglos.
„Vielleicht kommst du nochmal vorbei und holst deine Schuhe bei mir ab"
Bewusst sagt er es so laut, dass es jeder im Umkreis von zwei Metern hören kann.
Das zufriedene Grinsen auf seinem Gesicht wird noch breiter, als er meine glühenden Wangen bemerkt.Peinlich berührt bleibe ich auf dem Fleck stehen und sehe dabei zu, wie er aus den Laden verlässt. Das zu fallen der Tür holt mich aus meiner Starre und Unbehagen macht sich in mir breit, als Sedats Blick mich durchbohrt.
„Anna? Sollte ich da etwas wissen?", presst er gereizt zwischen seinen Zähnen hervor.„Das war doch der Typ aus dem Club?" schaltet sich der Idiot ein, der offensichtlich jetzt schon betrunken ist. Wütend kneife ich meine Augen zusammen und versuche ruhig ein und auszuatmen, bevor ich ihm gleich eine reinhaue.
„Ich habe einfach nur meine Schuhe vergessen, nichts weiter! Ich konnte ja nicht ahnen, dass es dein neuer Geschäftspartner ist, aber ich hoffe du hast dich gut genug über ihn informiert", zische ich und funkel Sedat wütend an. Es geht niemandem etwas an mit wem ich ficke, also was interessiert es ihn.
Bevor ich aber die Flucht ergreifen kann, werde ich von Yusuf am Arm zurückgehalten, der das Ganze mit Adleraugen verfolgt hat.
„Was willst du damit sagen? Was weißt du über ihn?"
Seine Frage ähnelt eher einer Drohung. Auch Sedat ist mittlerweile näher getreten und mustert mich mit einem fragendem Blick.Das kann nicht deren Ernst sein. Perplex schaue ich zwischen den beiden hin und her und versuche irgendetwas aus ihrer Mimik zu lesen, aber das einzige was ich erkenne ist Neugier und... Misstrauen. Ich reiße meinen Arm aus Yusufs Griff.
„Scheisse, das glaube ich jetzt nicht" spreche ich meine Gedanken aus. Sichtlich angespannt schubst mich Yusuf zurück in den Pokerraum gefolgt von Sedat. Nur wir drei befinden uns hier drin. Die Spannung in der Luft ist deutlich zu spüren und das Heben und Senken von Yusufs Brustkorb ist kaum zu übersehen. Seine Impulsive Art ist auch der Grund, warum nicht er die Geschäfte führt sondern sein jüngerer Bruder.
„Rede!", donnert seine Stimme durch den Raum.
„Er gehört zu einer der gefährlichsten Familien Italiens" entkommt es mir und all die aufgestaute Wut prescht aus mir heraus.
„Du bist ein Geschäft mit der Mafia eingegangen, ich hoffe du bist dir dessen bewusst!", fauche ich Sedat an, doch anstatt schockiert zu sein, geht er an seinem Bruder vorbei zum Tisch und schenkt sich ein Glas Whisky ein.
In einem Zug lässt er die braune Flüssigkeit seinen Rachen hinunter laufen ehe er den Blick wieder mir zuwendet.
„Ich bin mir dessen bewusst, aber warst du dir darüber im Klaren bevor oder nachdem du mit ihm in die Kiste gesprungen bist?"Während seine Worte zu mir durchsickern, versuche ich den dicken Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken. „Du wusstest es und trotzdem bist du dieses Geschäft eingegangen?", meine Stimme wird von Unglauben begleitet immer leiser. Egal wie sehr ich versuche eine Antwort in seinem Gedicht zu finden, warum er so leichtsinnig ein Geschäft mit der Mafia eingegangen ist, ich scheitere.
„Die Frage, die ich mir stelle, ist, woher du das weißt" Zum ersten Mal erkenne ich ein anderes Gesicht von ihm, sonst ist er immer so entspannt mir gegenüber und behandelt mich wie seine Schwester oder ist es vielleicht gerade das. Will er nicht hören, dass auch ich ein Sexleben habe?
„Er hat ein Tattoo auf seiner Brust, wie jedes andere Mafiamitglied und als ich es gesehen habe, bin ich abgehauen"
Es ist mir äußerst unangenehm mit ihm oder seinem Bruder darüber zu sprechen, aber irgendwas muss ich ja sagen, wenn ich will dass sie mir weiterhin vertrauen.
„Woher weißt du so viel über die italienische Mafia?", fragt Yusuf misstrauisch.
„Es hat mich damals einfach interessiert, ich war neugierig", entgegne ich schulterzuckend. „Ich war vierzehn oder fünfzehn natürlich interessieren sich viele dafür" füge ich schnell hinzu. Dass es meine Aussage nicht unbedingt glaubwürdiger macht, ist mir bewusst, aber die Wahrheit sagen? Auf keinen Fall.
„Sedat?" frage ich vorsichtig, doch anstatt mich anzusehen reißt er die Tür auf und verschwindet.
Ich spüre eine Kluft, die sich zwischen uns bildet. Mit einem Mal fühle ich mich so elendig.
Tränen bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche und ich spüre, wie die Dämme in mir zu brechen drohen. Ich habe ihn gerade offensichtlich angelogen, obwohl ich weiß, wie sehr er lügen hasst.„Gib dir das nächste Mal mehr Mühe, wenn du ihn schon anlügst." ertönt Yusufs Stimme hinter mir. Auch er geht an mir vorbei zur Tür ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen. Zurück bleibe ich mit einer erbärmliche Version meiner selbst.
Kümmerlich, wie ein Häufchen Elend gleite ich mit dem Rücken an der Wand hinunter und gewähre den Tränen ihren freien Lauf über meine Wangen.
Es ist schon sehr lange her, dass ich so einen fetten Kloß in meinem Hals gespürt, geschweige denn geweint habe. Ich wusste doch, dass er mir nicht glauben würde, trotzdessen habe ich ihn angelogen. Ich kann nicht mal mehr zählen, wie oft er mir eingetrichtert hat, ihn niemals anzulügen und doch trete ich alles mit Füßen, nur weil ich zu feige bin, aber gibt es denn eine andere Möglichkeit?____________________________
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Capo de la Catania
RomanceIsabella lebt unter einer falschen Identität, mit der sie sich vor fünf Jahren ein neues Leben aufgebaut hat. Alles scheint endlich gut zu laufen, bis ein neuer Geschäftspartner mit ihrem Chef einen Drogen Deal eingeht und alles droht aufzufliegen...