Kapitel 12
Wir haben Geographie. Und mir ist langweilig. Das hatte ich alles schon in meiner alten Schule in der Türkei. Mit Custos würde ich reden können, da die Lehrerin überhaupt nicht darauf achtet, wie laut wir sind. Aber nicht, wenn er vor sich hin schweigt und mich ignoriert. Jeder, wirklich jeder quatscht mit seinem Nachbar oder sogar über ganze Bänke hinweg, das traue ich mir aber nicht, dazu bin ich zu schüchtern. Also bleibt mir nichts anderes als zu zu hören. Gelegentlich schaue ich auch mal zu Justus hinüber. Aber der tuschelt mit Mona, die zwischen ihrem Worten einen Blick auf mich wirft. Lästern die beiden wieder über mich? Wie am Donnerstag bei den Schließfächern?
Das Pausenklingeln lässt mich aufschrecken. Ich renne sofort zu Lillesol hinüber, aus Angst, ich müsse die Pause allein zubringen.
,,Gehen wir zu Justus rüber?", fragt sie mich auch gleich.
,,Gerne", lächle ich zurück. Justus, mit dem ich heute ins Kino gehe. Ich freue mich schon. Aber auch der Justus, der mit Mona befreundet ist, obwohl er das verleugnet. Der Justus, der mein Herz trotz des Lästerns erobert hat.
Wir schlendern also Richtung Herzeroberer, der immer noch ein wenig mit Mona redet.
,,Hey Aysu, hey Lilli." Freundlich wie immer dieser Justus.
,,Hey", bringe ich ein wenig schüchtern hervor.
Jetzt meldet sich auch Lillesol zu Wort. ,,Hallo Justus, was machst du heute noch so nach der Schule?" Es klingt, als würde sie mit ihm flirten. Liebt sie ihn auch?
,,Ich gehe mit Aysu ins Kino", sagt er jetzt und schaut mir dabei tief in die Augen. Mann, ich liebe Justus. Auch Wie er mich mustert, so zart und liebevoll. Einfach krass. Ich könnte schon allein ausflippen, wenn er nur spricht. Er blickt immer noch in meine wasserblauen Augen. Seine Braunen funkeln wie verrückt und fesseln mich förmlich.
Eine leichte Berührung lässt mich aufschrecken. Ich drehe mich um. Es war Lilli. Verwirrt schaue ich sie an, als sie ein bisschen gereizt meint: ,,Ich hab dich was gefragt Aysu."
,,Oh. Ja. Ähm." Welche Frage hat sie mir gestellt? ,,Ich. Ähm. Was?"
,,Welchen Film schaut ihr?", fragt sie nun kopfschüttelnd.
,,Ach ja. Sorry, war in Gedanken woanders." Bei Justus. ,,Weiß nicht, musst du Justus fragen."
,,Nein, nein. Das bleibt eine Überraschung", schaltet er sich jetzt auch ein.
,,Schade. Ich wüsste schon gern, in welches Drama du mich entführst", zwinker ich ihm zu.
,,Tja. Ich hol dich dann bei dir zu Hause ab, wenn 's dir recht ist." Mir kommt das Lied don't worry, be happy in den Sinn, so glücklich bin ich.
,,Klar. Aber mal im Ernst, welchen Film gucken wir?" Es macht mich wahnsinnig, das nicht zu wissen.
,,Geheimnis", meint er nur.
,,Mann, der wird uns das nicht sagen, egal, wie lange wir es versuchen", wirft Lillesol in unser Gespräch ein.
,,Menno."
,,Und was machst du so heute nach der Schule?", versucht Justus die Aufmerksamkeit auf Lille zu lenken.
,,Mal sehen. Vielleicht geh ich raus, vielleicht schreibe ich, vielleicht muss ich meinen Alten im Haus helfen. Weiß noch nicht."
,,Du schreibst? Was schreibst du denn?" Jetzt bin ich neugierig.
,,Tagebuch. Mach du das nicht?"
,,Nein, aber das sollte ich mal machen." Schließlich sind meine Gedanken echt verwirrend.
Wir gehen wieder an unsere Plätze, da es zur zweiten Stunde Geographie geklingelt hat. Langeweile, ich komme.Ich liebe Montage. Kein Stress mit Mr. Noyan, kein Training, einfach perfekt. Gut gelaunt steige ich also in den Bus nach Hause. Heute ist er nicht so überfüllt, ich kann mich sogar hinsetzen. Nach einer Station sitze ich aber nicht mehr allein da. Custos.
,,Dieser Justus könnte gefährlich werden."
,,Ach ja? In wie fern denn? Meinst du gefährlich für mein Herz? Das hat er doch eh schon erobert", entgegne ich genervt.
,,Nein das nicht. Aber er könnte dir an die Wäsche gehen, was natürlich verständlich ist, da er einen sehr schlechten Geschmack hat."
,,Du bist doof." Gescheiterter Versuch, ihn zu beleidigen.
,,Bin ich gern", entgegnet er nur.
,,Ich sag jetzt nichts mehr." Feste Entschlüsse bringen nur selten etwas.
,,Hast aber grad was gesagt." Grrrrrrrr
,,Lass mich in Ruhe." Das meine ich ernst.
,,Gut, wenn du willst ignorier ich dich eben. Dann hast du keinen Banknachbarn mehr zum Quatschen."
,,Hab ich doch sowieso nicht", gebe ich zurück.
,,Stimmt."
Schweigen. Die Landschaft zieht an uns vorbei.
,,Wir müssen raus", sagt Custos schließlich.
,,Wir? Hier doch noch nicht. Es sind noch drei Haltestellen." Ich bin verdutzt.
,,Wir müssen aber", meint er hartnäckig.
,,Du vielleicht, ich nicht. Außerdem, warum soll ich jetzt schon aussteigen, wenn ich dann erstens rennen muss, zweitens noch mehr Zeitdruck habe und drittens ich doch noch weiterfahren könnte?", frage ich gereizt. Dieser Typ ist echt anstrengend.
,,Dann nicht. Viel Spaß noch mit dem Klugscheißer."
,,Danke", gaffe ich ironisch und er steigt endlich aus.
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wolf fire
Paranormal,Ich sitze im Krankenhaus neben Mom. Sie sieht mich fast leblos an. Tränen rollen mein Gesicht hinunter. Ich weiß, dass sie jetzt sterben wird. ,,Aysu, Kleine, du wirst die Macht in dir nicht abschütteln können. Du wirst kämpfen müssen und Schmerz...