Kapitel 15
Justus und ich sind angekommen. Also in dem Gebäude, das ich nun wohl oder übel mein zu Hause nennen muss. Dad ist noch auf Arbeit, aber das stört mich nicht im geringsten. Nicht, solange ich nicht allein bin. Nicht, solange ich nur mein Herzchen an meiner Seite habe.
,,Das ist erstmal der Flur, den du auch gestern schon gesehen hast, als du mich hier abgeholt hast. Bitte Schuhe ausziehen." Meine Stimme hat einen etwas angenehm rauen Klang. Überhaupt nicht streng oder gar ernst.
,,Okay, Madam." Auch seine Stimme ist ein wenig heiser, wie die meine. Er zieht seine dunkelblauen Vans aus, die ihm so unglaublich gut stehen, und ich meine cremefarbenen Ballerinas.
,,Sooo. Das ist die Küche inklusive Wohnzimmer", sage ich, als wir den Raum betreten und die Tür hinter uns schließen.
Er stutzt nur.
,,Was ist?"
,,Ganz schön klein eure Wohnung."
Na Danke. ,,Bist du was and'res gewöhnt? Ich nicht", erkläre ich beleidigt.
,,Mein Beileid. Wir wohnen in 'ner Villa."
Wie viel Geld haben die, um sich so was zu leisten? Ist sein Vater Millionär? ,,Beileid meinerseits. Man verläuft sich bestimmt ständig in so 'nem großem Haus", zwinker ich ihm zu.
,,Och, man gewöhnt sich dran", meint er mysteriös, umfasst meine Taille und somit kommen auch die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder.
,,Okaayyy, dann gehen wir jetzt in mein Zimmer. Oder ist dir die Couch lieber?", scherze ich verführerisch. Also zumindest hoffe ich, dass es so rüber kommt.
,,Nein, nein. Auf zu deinem Zimmer. Ich bin ja gespannt, wie es aussieht." Justus nimmt mein Kopf in seine Hände und zieht ihn näher zu dem seinen.
,,Warte." Ich will ja nicht unsere Zweisamkeit zerstören, aber sowas kann warten, bis wir oben sind. Also umfasse ich sein warmes Handgelenk und ziehe ihn hinter mir die Treppen hoch. An der Tür angekommen, reißt er sich aus meinem Griff. Ich blicke auf die Stelle, die ich vor fünf Sekunden noch umschlossen hatte.
Oh fuck. Wie doll habe ich zugedrückt, dass der Abdruck so tief ist? Es sieht wirklich schlimm aus, als wäre ich ein wildes Tier, das gerade Nahrung gefunden und zugegriffen hat.
Aber auch, wenn es Justus bemerkt oder gespürt hätte - ich weiß es nicht -, ignoriert er es. Er drückt mich sogar an die Tür. Meine Gefühle wissen nicht, wohin mit sich. Mein Herz hämmert wie verrückt. Mit seinem Arm hat er sich an die Tür gestützt, so, dass er einigermaßen über mir hängt.
Und ich Dummerchen habe nix besseres zu tun, als einem Kuss auszuweichen, mit meiner Hand die Klinke runter zu drücken und die Tür nach hinten aufzumachen.
Sofort fällt Justus auf mich und wir stürzen in mein Zimmer. Autsch, der ist verdammt schwer. Ich bekomme kaum noch Luft unter ihm. Und auf einmal bin ich wütend. Auf Justus höchst persönlich. Darauf, dass ich so wenig über ihn weiß. Darauf, dass er so viel über mich weiß, das ich noch gar nicht gesagt habe. Darauf, dass er mich verführt. Darauf, dass ich bei ihm nachgebe und vor allem darauf, dass ich nicht weiß, wer er ist. Was er ist.
Er ist gerade dabei, mich wieder hochzuhiefen und auf mein Bett zu schmeißen. Ich weiß genau, dass er mit meinen Gefühlen spielt. Dass ich nur sein Spielzeug bin. Mehr nicht. Ich habe für ihn doch eh keine Bedeutung.
Jetzt zieht er sein Shirt über den Kopf, nachdem er sich auf mich geschmissen hat, und will mir meines ebenso abstreifen. Das geht für mich zu weit. Einfach nur zu weit.
,,Stop", stöhne ich. Oh verflucht. Justus ist so anziehend. Ich wollte nicht stöhnen! Verfickte Scheiße.
Ich rolle mich so, dass er jetzt unter mir liegt. Mir läuft das Adrenalin in den Adern und beginnt mich zur Furie werden zu lassen. Ich kralle meine Nägel in seine teils muskulöse Brust, die ja schließlich - und zu meinem Glück - unbekleidet ist. Tiefe halbmondförmige Abdrücke bilden sich in seiner Haut. Langsam aber sicher beginnt schwarzes Blut zu fließen. Es ist wahrhaftig schwarz. Fasziniert betrachte ich es. Wie es fließt. Ein bisschen dickflüssig und zäh. Wie es um seinen Oberkörper rinnt, wenn sich sein Brustkorb viel zu schnell auf und ab senkt.
,,Deine Augen." Justus hat zwar die ganze Zeit über geschrien, doch ich habe es nur entfernt gehört. So, dass ich es noch ignorieren konnte. Nur diese zwei kleine, kraftlose, mit Schmerz durchzogene Wörtchen sind in mein Bewusstsein eingedrungen.
,,Was ist mit ihnen?" Ich erschrecke. Meine Stimme klingt überraschend kalt und eisig. Mein Herz geht erstaunlich ruhig. Ich bin überhaupt sehr geduldig und gefasst.
,,Sie ... sie sehen anders aus", faselt er und ich höre kaum noch zu. Ich bin mit dem betrachten des Blutes beschäftigt. Wie es über seine zitternde Haut strömt.
,,Und sie funkeln. Nein sie strahlen. Nein, leuchten. Glitzern. Schimmern. Glänzen. Glühen. Blitzen. Glimmern." Er will verängstigt Luft holen, doch ich unterbreche ihn indem ich meinen Mund auf den seinen lege. Er erwidert den Kuss. Aber nur so lange, bis ich ihm in die Lippen gebissen habe.
Das Blut ist nicht nur schwarz, es schmeckt auch noch scheußlich. Irgendwie bitter und säuerlich zugleich. Angeekelt löse ich mich von ihm. Sein Anblick lässt mich zusammen zucken. Aber es stört mich nicht. Ich bin wütend. Und er ist da. An ihm kann ich meine Wut auslassen.
Wieder ramme ich meine Nägel in seine Brust. Wieder fließt das Blut in Strömen. Ein kleiner See aus schwarzer Brühe bildet sich auf dem Boden und ich sehe so langsam mein Spiegelbild darin. Meine Augen funkeln. Wortwörtlich. Der Zorn steht mir ins Gesicht geschrieben. Ob ich nun will oder nicht.
Ich spüre Macht in mir. Große Macht, die sich nicht verdrängen lässt. Macht über Justus. Noch nie habe ich einen so brutalen Moment erlebt, so einen teuflischen Augenblick hervorgerufen. Noch nie. Bis jetzt.
Die warme, trübe Flüssigkeit treibt nur noch mehr Frust in mir auf. Justus schreit und schreit. Irgendwann bringe ich ihn noch um, wenn sich meine Nägel noch tiefer in ihn hineingraben. Gewaltsam löse ich mich und meinen Blick von ihm und starre aus dem Fenster mitten in das Meer aus Bäumen.
Meine Aggressivität muss sich legen. Aber wie? Wie, wenn er wahrscheinlich nichts anderes vor hat, als mich zu verletzen. Wenn ich es nicht bald eingesehen hätte, wäre ich zerstört. Mir fehlt ein Puzzelteil, ein einziges, damit ich das hier mit Justus kapieren kann. Aber ich kann es nicht finden. Nicht in seinem schwarzem Blut und nicht in seinen braunen Augen.
Momentan sind sie gar nicht braun, sondern sie sind in ein gräuliches Schwarz getunkt. Die Farbe gibt im Einklang mit der zähflüssigen Suppe eine wunderbare, brutale Harmonie.
Vielleicht klingt es komisch, aber hey, ist nicht der ganze Scheiß mit dem Imperium komisch? Wer ist es denn eigentlich, der mir das hier alles eingebrockt hat? Dad wohl eher nicht. Alles hängt von diesem verficktem Noyan ab. Selbst das Schicksal meiner Mom. Einfach alles. Ich hasse ihn. Aus tiefstem Herzem. Ob ich darf oder nicht. Is mir alles scheiß egal. Ich will meine Familie zurück. Möglichst bald. Aber das geht nicht mehr. Selbst Justus' Blut kann mir keine ganze Familie geben.
Lass es, Aysu.
Mom. Elfe Nina.
Lass es, er kann dir nicht den Schmerz nehmen. Das kannst nur du. Und indem du ihn fast umbringst, wird dein Schuldgefühl nicht weniger. Im Gegenteil.Die Werke des Geistes überdauern die Werke der Gewalt.
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Hey ihr lieben, die dieses "Buch" (was ist es eigentlich? Wohl kaum etwas besonderes, eher ein Haufen Scheiße) noch nicht aufgegeben haben ... ich werde es wahrscheinlich bald aufgeben. Und danke, dass ihr meinen gescheiterten Versuch, etwas vielleicht spannendes zu schreiben, trotzdem gelesen habt.
Bye, eure freies-herz ...Ps.: ich hab im Moment auch n paar Probleme, deswegen kommt das Kapitel so spät ...
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wolf fire
Paranormal,Ich sitze im Krankenhaus neben Mom. Sie sieht mich fast leblos an. Tränen rollen mein Gesicht hinunter. Ich weiß, dass sie jetzt sterben wird. ,,Aysu, Kleine, du wirst die Macht in dir nicht abschütteln können. Du wirst kämpfen müssen und Schmerz...