Türchen 21: Flucht

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(POV Cassaras)

Von den Schatten verschleiert schlich ich mit der jungen Waalwanderin durch die Gänge der Villa. Irgendwie hatte die Kleine es geschafft, sich in mein Herz zu schleichen. Sie hatte meinen Beschützerinstinkt geweckt und meiner von Rache besessenen Seele ein Funken Licht gespendet. Also hatte ich beschlossen, sie mit meinem Leben zu schützen und zuallererst vor diesem grässlichen Doktor zu retten. Der Dreckskerl sperrte das Mädchen mittlerweile immer häufiger im Keller ein, doch sie war unfassbar stark und ließ sich davon nicht einschüchtern. Ebensowenig hatte ich sie mit meiner finsteren Art ängstigen können. Ich musste zugeben, dass Anthea sich mit ihrem eisernen Wille meinen Respekt verdient hatte.

Das Meermädchen blickte mich mit ihren grünen Augen wissend an und zwinkerte mir zu, als könnte sie meije Gedanken lesen.

In letzter Zeit hatte ich viel Zeit mit ihr verbracht, ohne dass Orion davon erfahren hatte. Würde der Doktor mich enttarnen, würde mein mühsam aufrechterhaltenes Doppelspiel rasant zerbrechen.

„Du musst jetzt allein weiter! Ich warte am Treffpunkt!", gebärdete ich mit entschlossener Miene und drehte mich um.

Ich verschmolz mit der Dunkelheit und ließ mich von ihr durch die Gänge der Villa leiten, bis ich zu einem Badezimmer gelangte und dort durch das Fenster kletterte und auf hartem Steinboden landete.

Es war riskant, Thea allein zu lassen, aber die Gefahr war zu groß, dass man mich entdeckte. Daher hatte ich mir ihr eine kleine Straße als Treffpunkt vereinbart.

Als ihr dort eintraf, wartete die Waalwanderin erstaunlicherweise bereits auf mich. Wie hatte sie es so schnell hergeschafft?!

Verdutzt sah ich sie an, fing mich jedoch schnell wieder und zog sie mit mir die Straße hinunter. Der erste Teil unserer Flucht war ohne Probleme verlaufen.

Wir rannten über den harten Untergrund und ich warf ihr immer mal wieder Seitenblicke zu. Es war offensichtlich, dass sie eine gewissen Sehnsucht verspürte. Nach ihren sogenannten Eltern. Zwar hatten Jinx und Orion sie mit der Zeit immer schlechter behandelt, aber es hatte auch schöne Momente zwischen ihnen gegeben. Allerdings war es gut, dass sie nicht mehr wusste.

Sie hatte keine Ahnung, von den furchtbaren Machenschaften des Mannes, ihrer wahren Herkunft und ihrer Bestimmung. Anthea war die Schwester der Elvarion, welche ich so ausgiebig suchte. Aber das alles werde ich ihr nicht erzählen. Nach den ganzen Strapazen bei ihren Vätern ist ihr Leben schon kompliziert genug, da braucht sie nicht auch noch diese zusätzliche Last mit sich zu tragen.

„Und was jetzt?", gebärdete Anthea.

„Zuerst suchen wir eine Siedlung und dann verschwinden wir von diesem Ort und gehen ganz weiter weg.", antwortete ich ihr und sie nickte.

Wir sprinteten über den Asphalt und ich fragte mich, wieso ich all das überhaupt tue. Was soll dieses kleines Mädchen denn mehr sein als jedes andere?! Ich verstand es nicht. Wie hatte sie es geschafft, mich in ihren Bann zu ziehen?

Doch dies ist nicht länger relevant. Hauptsache, wir würden hier endlich von dieser Hölle wegkommen.

„Danke, dass du mir hilfst!", stieß die Kleine plötzlich hervor und ich starrte sie bloß an.

Irgendwann schafften wir es schließlich, eine Kleinstadt zu erreichen und ich stahl ein Auto, mit dem wir weit weg fuhren.

Was hatte dieses Mädchen bloß an sich?

Ich konnte ein Schmunzeln nicht verkneifen. Seltsamerweise bedeuteten mir die Worte des Kindes mehr als vermutet.

„Lass uns einfach endlich frei sein!", gebärdete ich und gemeinsam fuhren wir der Sonne entgegen.

Alea Aquarius Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt