Türchen 4: Der dunkle Ritter und die Prinzessin

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(POV Cassaras)

Die Villa des Mörders, der sich für einen König hielt, widerte mich an. Doch der Mann erfüllte seinen Zweck. Durch ihn kam ich meinen Ziel stetig näher und wusste zugleich, was der Verursacher des Untergangs der Meermenschen für dunkle Machenschaften hegte.

Soeben hatte ich ein Gespräch mit Aquilius Orion geführt. Es war nicht schwer gewesen, ihn als Verantwortlichen zu entlarven, allerdings war dies nun irrelevant, denn die Meerwelt lag im Sterben. Bloß die Magischen hatten noch ihren Platz im Wasser.

Was meine Gedanken wirklich beherrschte, war der Nixenthron. Mein Erbe, welches ich mir nun endlich nehmen werde, sobald der Silberumhang in meinen Händen lag! Und schon bald würde es soweit sein, dann konnte ich endlich meinen rechtmäßigen Platz einnehmen, der mir aufgrund meiner Herkunft verwehrt wurde!

Ich streifte durch die Gänge des protzigen Gebäudes, bis ich an einer Tür vorbeikam, hinter der ich einen lauten Knall vernahm. Genervt wollte ich das Geräusch ignorieren, doch irgendetwas zog mich förmlich zu diesem Raum.

Als ich die Türklinke nach unten drückte, stellte ich fest, dass die Tür verschlossen war. Wer auch immer sich in diesem Zimmer befand, war offensichtlich eingesperrt. Aber wieso sollte es mich kümmern, wen der Doktor gefangen hielt? Es hatte mich auch kaum interessiert, dass er die Meermenschen beinahe vollständig ausgelöscht hatte. Dennoch ahnte ich, dass wer auch immer sich auf der anderen Seite des Holzes befand, noch eine bedeutende Rolle für mich spielen würde. Also brach ich kurzerhand das Schloss auf.

Meine Miene war unbekümmert und verschlossen, als ich den Raum betrat. Meine Aura wirkte auf andere zumeist äußerst bedrohlich, was ich sehr begrüßte. Sie sollten sich vor mir fürchten. Wer mich hinterging oder anderweitig zum Feind machte, würde sich wünschen, niemals existiert zu haben.

Allerdings war diesmal alles anders, als ich einem kleinen Mädchen in die Augen blickte, welches auf einem Stuhl stand, um sich ein Buch aus einem hohen Regal zu nehmen. Auf dem Boden lagen ebenfalls einige historische Werke. Daher also der Lärm.

Ich wollte mich bereits wieder umdrehen und gehen, doch da hob das Mädchen die Hände und gebärdete etwas.

Kalt sah ich ihr dabei zu, wie sie wild gestikulierte und zuckte nicht mal mit der Wimper, als sie enttäuscht die Hände sinken ließ, weil ich nicht reagierte. Dann stapfte sie auf mich zu und boxte doch tatsächlich gegen mein Bein! Was bildete sich dieses kleine Gör nur ein. Ich stieß sie unsanft beiseite, worauf sie stürzte. Allerdings rappelte sie sich sofort wieder auf uns blickte mich trotzig an. Ich konnte nicht genau sagen, wie alt sie war, doch es stand eindeutig fest, dass sie ein Meermädchen war. Wieso hielt der Doktor ein überlebendes Meerkind in seiner Villa fest? Sie hatte rabenschwarzes Haar, helle Haut und klargrüne Augen, mit denen sie mich nun interessiert musterte. Scheinbar konnte sie sich nicht entscheiden, ob sie mich fürchtete oder erfahren wollte, was ich hier tat. Selbst wenn ich wollte, hätte ich ihr nicht antworten können, denn ich stellte mir genau die selbe Frage. Ich hatte wahrlich Besseres zu tun, als mich mit dieser Plage abzugeben! Mit wehendem Mantel machte ich kehrt und stolzierte aus dem Raum. Die Tür lehnte ich an, dann verließ ich die Villa. Seltsamerweise ging mir das Mädchen nicht mehr aus dem Kopf, als ich in die Fluten sprang.

Eine Woche später traf ich mich erneut mit dem falschen König und hörte mir seine Zukunftspläne an. Dieser Mann redete unfassbar viel ohne wirklich etwas auszusagen. Allerdings war er so von sich selbst überzeugt, dass er sehr viele Informationen preisgab, welche ich ohne mir etwas anmerken zu lassen in mich aufnahm. Einmal fragte ich ihn nach den Darkonern, welche offenbar seinem Befehl unterworfen waren und gaukelte einen Hauch von Bewunderung vor. Orion ließ sich so leicht zum reden bringen, beinahe hätte ich gelacht. Eine halbe Stunde faselte er etwas von Unterwerfung und Superkräfte. Der Mann langweilte mich geradezu. Bedauerlicherweise konnte ich auf seine Unterstützung bei meinen Plänen nicht verzichten.

Nachdem ich mich monoton und knapp verabschiedet hatte, streifte ich erneut durch die Gänge der Villa. Jedes Mal auf's Neue widerte es mich an, dass der Mörder in solch einem Luxus lebte. Er wusste überhaupt nicht, was es bedeutete, die Herrschaft über andere zu besitzen. Er kannte die Position eines Königs nicht, bloß eine Illusion, welche er sich selbst geschaffen hatte. Der Mann hatte keine Ahnung und besaß keinen Funken Ehrgefühl. Ich hingegen wusste nur allzu gut, welche Verantwortung der Thron mit sich brachte. Und welche Möglichkeiten er offenbarte.

Plötzlich spürte ich einen vagen Schmerz am Kopf und taumelte fluchend einen Schritt zur Seite. Geschwind vollführte ich eine halbe Drehung um die Ursache des Angriffs auszumachen. Da erblickte ich das Mädchen mit dem schwarzen Haar, welches allem Anschein nach ein Buch auf mich geworfen hatte. Ich baute mich bedrohlich vor ihr auf, doch sie grinste bloß. Erst als sie die Tür hinter mir schloss, bemerkte ich, dass ich ihr unbewusst in den Raum vom letzten Mal gefolgt bin. Dann gebärdete sie wieder. Sie hatte Glück, dass ich diese Sprache größtenteils beherrschte.

‘Ich bin Thea. Du siehst aus, wie der dunkler Ritter aus einem meiner Romane.'

Finster sah ich ihr in die Augen, dann hob auch ich die Hände.

‘Ach, ist das so. Ich bin nur leider kein Ritter, sondern zukünftiger König der Nixen und ich habe keine Zeit, mich mit kleinen Kindern wie dir abzugeben.', gebärtete ich bloß und wollte bereits wieder gehen.

Dann entglitt mit beinahe meine undurchschaubars Maske, als sie sich erneut äußerte:

'Das ist super, denn der dunkle Ritter ist in Wahrheit ein Prinz, der die Prinzessin vor den Vampirkönig und seinem Gefolge retten und dann in sein eigenes Königreich zurückkehrt, um seinen rechtmäßigen Platz einzunehmen.'

Ich stand bloß still da und sah ihr in die leuchtenden Augen, in denen in Hoffnung schimmern sah. Mir war klar, dass dieses Mädchen etwas Besonderes war.

Und so nahmen die Dinge ihren Lauf und die Reise von Anthea und dem mysteriösen Nixenprinz begann...

Alea Aquarius Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt