Kapitel 42

6 1 0
                                    

Jade

Callum schafft es, mich zu befreien und ich gleite glücklich in seine Arme. Einige Minuten stehen wir so da, dann löse ich mich von ihm.
„Wie konntest du dich aus Merediths Fängen befreien?“
„Die waren doch so dumm und haben ein Messer bei mir liegen lassen“, lacht Callum, doch ich lache nicht mit. Denn ich weiß, was das heißt.
„Das war eine Falle, Callum! Die wollen wissen, wie gefährlich sie dich einschätzen müssen!“, rufe ich.
Callum schüttelt den Kopf. „Niemand hat mich verfolgt, Jade. Ich habe stark darauf geachtet. Und auf den Überwachungskameras, über die ich dich dann auch gefunden habe, war niemand zu sehen. Scheint so, als wären die ausgeflogen.“
Ich sehe Callum unsicher an, dann greife ich nach dem Messer, welches er in der Hand hängt, werfe es elegant hoch und fange es wieder.
Unschlüssig stehen wir nun hier im Raum, als wir plötzlich Polizeisirenen hören. Dann fallen mehrere Schüsse, Reifen quietschen, ein Motor heult auf, mehrere Stimmen. Callum und ich sehen uns zeitgleich an. Das ist unsere Rettung!
Wir rennen zur Tür, die zum Hof führt, und sehen mehrere Polizeiwagen der FSA, die die Fabrik umstellen. Einige Cops haben ihre Waffen gezogen und zielen auf die Fenster. Andere haben sich hinter ihren Autos verschanzt und rufen etwas in ihre Funkgeräte. Ich entdecke auch Agent Steele und Agent Collins, sie stehen ganz vorne und halten ihre Waffen auf die offene Tür. Wir winken ihnen zu und sie scheinen erleichtert aufzuatmen.
„Da sind sie!“, ruft Steele den anderen zu und deutet auf uns. „Schnell, bringt sie in Sicherheit!“
Einer der Cops kommt auf uns zu und nimmt uns in Empfang. Er führt uns zu einem der Wagen und öffnet die Tür.
„Steigt ein, ihr seid in Sicherheit. Wir haben die ganze Fabrik durchsucht, aber wir haben niemanden gefunden. Nur euch zwei“, informiert er uns gleich.
„Meredith und Co scheinen ausgeschwärmt. Wir müssen sie finden. Ich weiß vielleicht, wo sie sind. Auf dem Schreibtisch neben dem Computer lag ein Zettel mit einer Notiz. Sie wollen sich um siebzehn Uhr am Port of Virginia treffen. Wir müssen da sofort hin“, berichtet Callum aufgeregt.
Der Hafen von Virginia ist einer der größten und modernsten Häfen in den USA. Er liegt an der Mündung des Chesapeake Bay und umfasst mehrere Terminals in Norfolk, Portsmouth, Newport News und Hampton Roads, weiß ich. Dort eine Verbrecherbande zu finden dürfte sich als schwer herausstellen. Aber versuchen sollten wir es schon.
„Stand dort auch der Terminal?“, frage ich Callum.
„Virginia International Gateway“, antwortet Callum.
„Na dann los“, sagt Collins, der dazugestoßen ist.
Collins setzt sich ans Steuer, Steele nimmt neben ihm Platz. Callum und ich sitzen hinten. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und spüre, wie er mich festhält. Wir sind beide erschöpft von dem, was wir erlebt haben, aber auch erleichtert, dass wir noch am Leben sind.
„Wie geht es dir?“, fragt er mich leise.
„Mir geht es gut, solange du bei mir bist“, antworte ich. „Und dir?“
„Mir geht es auch gut, solange du bei mir bist“, sagt er und küsst mich sanft auf die Stirn. Ich lächle und schließe die Augen. Ich fühle mich sicher in seinen Armen. Aber ich weiß, dass die Gefahr noch nicht vorbei ist. Meredith und ihre Leute sind immer noch da draußen. Und sie werden nicht aufgeben, bis sie uns erwischt haben.
„Wie lange dauert es bis zum Hafen?“, frage ich Collins.
„Etwa eine halbe Stunde“, antwortet er. „Wir müssen uns beeilen, wenn wir sie noch erwischen wollen.“
„Was ist der Plan?“, will Steele wissen.
„Wir müssen das Terminal ausfindig machen, wo sie sich treffen wollen. Dann müssen wir uns unauffällig nähern und sie überraschen. Wir dürfen keine Zeit verlieren, sie könnten jederzeit ablegen“, sage ich.
„Und wie finden wir das Terminal?“, fragt Steele.
„Ich habe eine Idee“, sagt Callum. „Ich habe mir den Zettel mit der Notiz gemerkt. Da stand eine Nummer drauf. Vielleicht ist das die Nummer des Containers, den sie benutzen wollen.“
„Das ist clever“, lobt Collins. Er gibt Gas und fährt schneller, als er sieht, dass wir noch ein Stück fahren müssen. Wir alle halten den Atem an. Wir hoffen, dass wir rechtzeitig ankommen. Wir hoffen, dass wir Meredith und ihre Leute stoppen können. Wir hoffen, dass wir überleben.

Wir erreichen den Hafen kurz vor fünf. Ich sehe die riesigen Kräne, die die Container verladen, die Schiffe, die im Wasser liegen, die LKWs, die die Ware transportieren.
„Da ist das Terminal“, sagt Collins und zeigt auf ein großes Schild, auf dem Virginia International Gateway steht.
Wir gehen an den verschiedenen Terminals vorbei und suchen nach dem Container mit der Nummer, die Callum sich gemerkt hat. Die Container sehen alle ähnlich aus. Die Farbe ist durch die Witterung schon etwas verblasst und blättert ab. Wir müssen genau hinsehen, um die Nummern zu erkennen.
„Da ist er!“, ruft Callum plötzlich und zeigt auf einen blauen Container, der am Ende einer Reihe steht. Er hat die Nummer 2378. „Das ist der, den wir suchen!“
Wir nähern uns dem Container vorsichtig und sehen, dass er offen ist. Wir hören Stimmen aus dem Inneren. Ich erkenne Meredith, Thompson, James und Rick. Sie sind alle da, die anderen der TNS sind vermutlich schon beim Schiff.
Laden sie da Waffen in den Container? Sie scheinen sich auf ihre Flucht vorzubereiten!„Was machen wir jetzt?“, flüstert Callum.
„Wir warten, bis sie fertig sind, und dann schlagen wir zu“, schlage ich vor.
Die anderen sind damit einverstanden, also verstecken wir uns hinter einem anderen Container und beobachten, wie die TNS ihre Arbeit erledigt. Sie scheinen nichts von unserer Anwesenheit zu ahnen, denn sie lachen und scherzen miteinander, als ob sie nichts falsch gemacht hätten und sind so selbstsicher, dass sie uns unterschätzen. Das wird ihr Fehler sein. Nach ein paar Minuten sehen wir, wie alle vier den Container verlassen und Rick den Container schließt. Dann machen sie sich auf den Weg zu den Schiffen.
Sie eilen zu einem Schiff, welches am Pier liegt. Es ist ein großes Schiff und hat den Namen Sea Star.
Über eine Planke gelangen die Vier an Deck der Sea Star. Sie wollen ablegen. Wir müssen schnell handeln.
„Jetzt!“, ruft Collins und zieht seine Waffe. Wir tun es ihm nach und rennen hinter ihm her. „FSA! Sie sind verhaftet!“, rufen wir alle gemeinsam.
Blitzschnell drehen sich die Terroristen um. Sie sehen überrascht und wütend aus, ziehen  ihre Waffen und schießen auf uns.
Eine wilde Schießerei beginnt. Ich dränge Callum hinter einen Container, der bald verladen werden soll.
„Bleib hier, es ist nicht sicher für dich!“, rufe ich ihm zu.
Mehr Leute der TNS tauchen an Deck auf. Doch zum Glück vernehme ich auch Polizeisirenen, die näher kommen. Die anderen der FSA rücken an.
Steele und Collins retten sich zu uns hinter den Container und warten auf die Verstärkung.
„Wir wollen sie lebend fassen, damit sie für ihre Taten büßen müssen“, erklärt er dann dem Team und wir nicken. Dann wagen wir uns wieder raus ins Gefecht.
Es werden einige von uns getroffen, sie fallen zu Boden und stöhnen vor Schmerz. Aber auch wir treffen eine Menge.
Ich sehe, wie Meredith versucht, das Schiff zu starten. Sie will entkommen. Mit der Rückendeckung eines Agents schaffe ich es auf die Sea Star und greife Meredith auf der Brücke an.
Meredith sieht mich kommen und wirft sich hinter das Steuerrad. Sie feuert aus ihrer Pistole auf mich, aber ich weiche aus und schieße selbst, doch meine Munition ist alle und ich rette mich hinter die Tür. Meredith nähert sich und will die Tür aufreißen, doch kurz bevor sie die Tür erreicht, trete ich kräftig dagegen und sie scheppert gegen Meredith, die daraufhin taumelt und zu Boden geht. Ihre Pistole rutscht aus ihrer Hand.
Leider rappelt sich Meredith schnell wieder auf.Sie greift nach ihrer Pistole, die neben ihr liegt. Ich bin schneller und trete ihr die Waffe aus der Hand.
Sie schaut mich mit Hass an und spuckt mir ins Gesicht. Ich wische mir den Speichel ab und packe sie am Kragen. Ich ziehe sie von der nun kaputten Tür weg und drücke sie gegen die Wand. Sie strampelt und kratzt, aber ich halte sie fest. Ich sehe ihr in die Augen und sage: „Du bist verhaftet, Meredith. Du hast genug Unheil angerichtet. Gib auf.“

Wir haben es geschafft. Es ist endlich vorbei! Endlich sind wir wieder sicher. Die TNS ist gestoppt. Hoffentlich. Ich atme durch und stecke meine Waffe weg, lege Meredith Handschellen an.

***
Geschrieben von Alexandra

✔️ Im Schatten der Intrigen | Mit @JNachtwehWo Geschichten leben. Entdecke jetzt