20. Alte Bekannte

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Jay zuckte mit den Schultern. "Ich hatte viel zu tun." "Offensichtlich. Deine Freunde retten dich, weil sie die Hälfte ihrer Arbeit auf dein Konto buchen, aber das wird irgendwann auffallen. Dieses Projekt hat nun auch oberhöchste Regierungsbeamte neugierig gemacht."

Die fremde Frau. Jay lehnte sich gegen den alten Schreibtisch, der im Raum viel Platz einnahm. "Meinst du damit eure neue Begleitung? Ich dachte schon, Wagner hätte ihre Busenfreundin mitgenommen." Gökmen lachte nicht, mit wenigen Schritten stand er direkt vor ihm und starrte ihn an. Es war eine Mischung aus Respekt und Angst, der in seinen dunklen Augen glitzerte.

"Du solltest vorsichtig sein." "Wer ist sie?" "Das willst du nicht wissen." "Und wenn ich es doch möchte?", so viel Geheimniskrämerei um eine einzelne Frau. Er wollte unbedingt wissen, wer sich da dreist in Wagners Herzensprojekt schummelte. Vielleicht war es eine Information mit Wert. Gökmen mahlte unsichtbares Mehl zwischen seinen Zähnen.

"Ihr Name wird dir bekannt sein. Isabella Nakamura." Jay riss die Augen auf. Unmöglich. "Du machst Scherze." "Ich wünschte es wäre so." "Sollte sie nicht im Gefängnis verrotten? Sie ist schuld an den Sakis, an allem. Sie ist ein Monster." Gökmen nickte langsam zustimmend. In seinen Zügen stand Ekel vor der Frau, die auch seiner Cousine das Leben vernichtet hatte.

"Leider kann man sie legal für nichts verantwortlich machen. Alle beweise und Zeugen sind entweder verschwunden oder in Bittraslutet in Flammen aufgegangen. Sie ist eine freie, unschuldige Frau mit sehr viel Einfluss und Geld. Die Regierung braucht sie, so wie sie IZANAGA davor gebraucht hat. Für die Drecksarbeit. Das einzig widerliche dabei ist es, dass sie ihre Existenz nicht einmal mehr geheim halten. Als wären ihre Taten, die Taten ihrer Organisation kein großes, unverzeihliches Verbrechen."

Wut schmiergelte Gökmens Stimme rau. Er konnte die Gefühle seines Gegenübers nachempfinden. Wo war die Gerechtigkeit? Er ballte die Hände zu Fäusten. "Das kann nicht sein."

"So funktioniert unser Rechtsstaat nun mal. Ohne Beweise, dass wirklich sie für alles verantwortlich ist, sind es bloß Gerüchte." Und die waren in einem Gerichtssaal nichts wert. So ein Mist.

"Was will sie hier?" "Sie ist eine der Hauptsponsoren für das Projekt. Und da es eine Deadline gibt und diese deutlich näher rückt, wollte sie sich ihre Arbeiter mal ansehen. Zumindest ist es das, was ich annehme. Diese Frau ist ein Mysterium. Sie sagt kein Wort, überlässt Wagner das Reden."

Der Satz machte Jay stutzig. Es war richtig, dass ihre Erscheinung und Vergangenheit im Dunkeln lagen, doch es gab eine Sache, die er über sie wusste. Sie hatte einen Sohn, hallten Minas Worte in seinem Kopf nach. Eine wertvolle Information, mal sehen, für was er sie eintauschen konnte.

"Was weißt du noch über Traiskirchen?" Gökmen hob die Augenbrauen, der abrupte Themenwechsel überrumpelte ihn. "Nur was ich dir erzählt habe. Ich war selbst noch nie dort."

"Bist du sicher das das alles war? Ich habe eine Information, die dir vielleicht nützlich sein könnte." Der Köder lag im Wasser, Gökmen trat näher.

"Wirklich? Wenn es deine kleine Freundin Oona betrifft, kannst du es lassen. Die Regierung hat ihre Bemühungen aufgegeben. Wie es scheint, ist sie doch nicht so besonders, wie alle geglaubt haben." Irritiert verzog Jay das Gesicht. Daran hatte er auch schon gedacht. Die fehlenden Suchaktionen, die völlige Abwesenheit von Interesse war frustrierend. Wofür die ganze Mühe, wenn es die Regierung nicht einmal großartig schmerzte.

"Traiskirchen, Gökmen.", seine Forderung sollte Gehör finden. Der Mann ihm Gegenüber strich sich nachdenklich übers Kinn. "Du wirst besser, dass muss ich dir lassen. Ich kenne einen Agenten dort, ein guter Mann. Ich vertraue ihm. Wenn du es durch die Sicherheitsmaßnahmen schaffst, bringt er dich zu den Gefangenen. Hinaus musst du es selbst schaffen. Ist das gut genug?" Das war mehr als er sich erwartet hatte.

Diaspora- Erbsünde 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt