31. Epilog

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Die Unterstadt war in heller Aufregung. Es war laut, lauter als je zuvor. Menschen wurden verarztet, mit Waffen ausgestattet und Ressourcen sortiert. Sein Ankommen löste einen weiteren Schock aus. Luke war augenblicklich bei ihm. Viktor hob Amanda von seinem Rücken und trug sie davon.

„Ihr habt es geschafft.", flüsterte Luke und drückte ihn hart gegen seine Brust. Ja, sie hatten es geschafft. Sie waren entkommen. Erleichtert erwiderte Jay die Umarmung, ließ sich von seinem Freund trösten. Hinter Luke sah er Defne, den ernsten Gesichtsausdruck vor gefalteter Brust. Neben ihr stand Oona. Verschwitze Haare klebten an ihrem Gesicht. Sie sah sich um, der Blick suchte verzweifelt nach Mina.

Jay schluckte hart und trat zurück. Sie würde ihre Freundin nicht finden. Nicht, wenn Mina das nicht wollte. Wie konnte er ihr das erklären ohne ihr Herz zu brechen? Ohne sein eigenes Herz in Stücke zu teilen?

„Wir haben schon mit dem schlimmsten gerechnet.", Amir klopfte ihm auf die Schulter. Jay versuchte sich an einem Lächeln und versagte kläglich. „Amanda hat uns gerettet."

„Wo ist Mina?", Oona war an seiner Seite. Vorsichtig schüttelte er den Kopf, er wollte nicht lügen, aber die Wahrheit war zu kompliziert. „Sie wollte nicht in die Unterstadt."

„Was?!", Oona griff nach seinem Arm, „aber wieso? Sie weiß, doch, dass sie hier willkommen ist." Nein, war sie nicht. Sein Blick musste diesen Gedanken verraten haben, denn Oona schreckte zurück als hätte er sie geschlagen.

Ein Megafon ertönte und die Masse wurde ruhig. Teona stand auf einer provisorischen Bühne inmitten der Leute. Sie trug schwarze Cargohosen und eine schwarze Jacke mit einer Armbinde. Eine weiße Armbinde mit schwarzer Taube. Ihre Organisation hatte nie derartige Symbolik benutzt. Es sah fast wie ein militärisches Erkennungsmerkmal aus.

„Wir waren siegreich!", schrie sie und Jubel ertönte. Die Sakis feierten die Rückkehr ihrer Leute. Teona hob die Hände und sofort wurde es ruhig.

„Endlich haben wir unsere Leute zurück. Wir haben hart dafür gekämpft. Und der Mann, dem wir das zu verdanken haben...", sie sah ihn direkt an, „Jay, unser tapferer Jay ist ebenfalls zu uns zurückgekehrt." Er wurde zu Teona auf die Bühne gezogen.

Die Menschen unter ihm schrien ihren Dank heraus. Was zur Hölle war hier los? Worauf spielte sie an? Teona umfasste seine Schultern.

„Und er hat uns etwas Bedeutendes mitgebracht.", sie hielt die Phiole mit dem Serum hoch, „damit können wir stärker werden, wir können kämpfen und unser Leben zurückgewinnen. Nie wieder werden wir uns im Untergrund verkriechen wie Ratten. Wir verdienen Freiheit und wenn die Regierung sie uns nicht freiwillig geben will, dann nehmen wir sie uns einfach!"

Wütendes Geschrei, die Kampfbereitschaft raubte ihm den Atem. Er suchte die Gesichter der Menschen unter ihm ab, suchte nach Luke, nach Defne. Seine Freunde. Er musste wissen, was sie dachten. Wie sollte er sich verhalten?

Statt seiner Freunde fand er Gökmen, lächelnd und zufrieden. Die Erkenntnis war ein Schlag ins Gesicht. Er war immer ein Teil der Taube gewesen. Immer Loyal. Mit Jay war gespielt worden. Eine Marionette in einem größeren Plan.

Neben Gökmen stand ein Junge. Vielleicht zwölf. Asiatische Wurzeln, die schwarzen Haare zu einem Zopf gebunden. Teona hob das Kind zu sich auf die Bühne, stellte es neben Jay.

„Zusammen werden wir die Welt verändern.", brüllte sie und als die Masse tobte, wandte sie sich an ihn. „Jay, ich möchte dir jemanden vorstellen.", sie drückte die Schultern des Jungen, „das ist Masao. Das Serum hat ihn zu einem Genie gemacht. Er hat die Taube gegründet, er wird uns in die Freiheit führen."

Entsetzt starrte Jay in die blauen Augen des Jungen. Minas Augen. Der Junge lächelte und drückte seine Hand.

„Freut mich, Jay." Was hatte er getan? Unter dem angriffslustigen Toben der Menge fühlte Jay seinen Verstand arbeiten. Krieg. Sie zogen in den Krieg.

ENDE


Diaspora- Erbsünde 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt