Kapitel 5 | Bekannte Gesichter

58 5 14
                                    

Der Zug klapperte in mäßigem Tempo über die veralteten Schienen. Es lag weit in der Vergangenheit - an die dunklen Tage wurde noch nicht einmal gedacht - dass Panems Schienennetz entwickelt und ausgebaut wurde. Ein Prestige-Projekt des damaligen Landesführers. Heutzutage war das alte Metall am Ende seiner Tage und noch weit, weit darüber hinaus. Das morsche Holz unterhalb der Schienen war porös durch den Befall verschiedenster Insekten. Und die Witterungen taten ihr Übriges.

Ein gelegentlicher Ruck, der sich wie ein einschlagender Blitz durch den gesamten Passagierwagen zog, fuhr Coriolanus durch Mark und Bein. Nach sechs Stunden Fahrt ertappte er sich dabei, dem leisen Klagen der Großmadam alle Ehre zu machen. Sein Hintern ächzte auf der hölzernen Sitzgarnitur, die einzig von einer dünnen Stoffschicht überzogen war, sodass er im Minutentakt zwischen den Fenstern im Zwischenabteil und seinem Sitzplatz pendelte.

Bis auf ausgetrocknete Topfpflanzen, vergilbte Spitzengardinen und hin und her schwappender Likör in Kristallflaschen, war das Abteil wie ausgestorben. Dementsprechend beobachteten keine fremden Augen Crassus Snows' Sohn dabei, wie er nicht mehr ruhig auf dem Hintern sitzen konnte.

Wer reiste auch freiwillig im Morgengrauen quer durch ganz Panem? Dachte er spöttisch.

Anschließend schweiften seine Gedanken an die Zeit zurück, in der die atritischen Beine der alten Snow-Dame sie an ihr Zuhause ketteten. Der Fahrstuhl war schließlich seit Jahren außer Betrieb und eine andere Möglichkeit, sich unter das Volk zu mischen - einen Tee in der ansässigen Teestube neben dem Korso zu trinken - besaß sie nicht. Fluch und Segen würde man Tigris oder Coriolanus selbst befragen.

„Wir erreichen nun: Distrikt 11. Beachten Sie, dass der Zug nicht am Hauptbahnhof zwischen stoppt. Das Endziel: Distrikt 12 Bahnhof, wird in voraussichtlich sechs Stunden erreicht."

Coriolanus seufzte, immer tiefer in das purpurfarbene, hauchdünne Polster sinkend.

Fünf spannende Jahre sind seit seiner Rückkehr in das Kapitol vergangen. Nicht in 100 Jahren hätte er damit gerechnet, sich derart schnell im Direktzug zurück nach 12 wiederzufinden und die vorbeifliegenden Landschaften der Distrikte und immer grauer werdende Vegetation zu beobachten.

Es würde bald regnen.

In seinen Fantasien sah er sich selbst auf einem Weg aus Gold voranschreiten, mit Menschen ringsum, die ihm zujubelten.

Er hatte den Corso Gold färben lassen.

Eine gerechte Entschädigung empfand er für die Opfer, die er in der Vergangenheit bereits erbringen musste.

Er hatte vieles verloren. Vieles, das ihm Unermessliches bedeutete und das kein Gold und Amt der Welt wieder aufwiegen konnte. Doch darüber war er sich im Klaren.

„Wenn Coriolanus erst einmal Präsident ist", posaunte die Großmadam, einem Mantra gleichkommend. Als Kinder verrollten er und Tigris nur die Augen, wenn sie wieder einmal in den Fantasien der Vergangenheit schwelgte. Mittlerweile sah er die Worte seiner Großmutter jedoch als Kompliment. Als Vorsehung. Denn würde es sich ergeben, dann würde er das Amt selbstverständlich annehmen.

Es war das Mindeste.

Langsam fielen ihm die Augen zu. Die Sonne versteckte sich so hinter dem Horizont und das Rütteln und Ruckeln ebbte ab, sodass es den zukünftigen Präsidenten in einen ruhigen Schlaf wog.

...

...

...

Zu Beginn hüllte sich das Schwarz um ihn, und es war still.

Alles war ruhig.

Etwas huschte beim rechten Winkel seines Auges vorbei. Es bestand aus vielen Farben. Das Momentum formte es in etwas aus vielen bunten Federn; sich wiegend im Wind.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 04 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Propaganda | Coriolanus Snow - TBOSAS Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt