Kapitel III: Untertauchen mit rasantem Tempo

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Zum wiederholten Male glitt mein Blick zum Rückspiegel und ich kontrollierte, ob ich verfolgt wurde. Doch keins der Autos hinter mir machte auch nur im Entferntesten einen verdächtigten Anschein. Also warte ich ab, setzte in der letzten Sekunde den Blinker, zog vor einen LKW, der abrupt bremste und Laut seine Hupe betätigte, und bog auf den von Bones angegebenen Rastplatz ab.

Dort drehte ich zwei Runden um die Stellplätze, ehe ich endlich neben einen alten dunkelblauen Pickup anhielt. Kaum war mein Motor aus, ging meine Beifahrertür auf und die Frau von vor der Lagerhalle mit den dunkelroten Locken schlüpfte hinein. Sie trug eine schwarze Strickmütze, eine graue Sonnenbrille und einen ebenfalls grauen Parka.

„Und, gab es Probleme?" Fragte Zecke, während sie begann, alles drei abzulegen.

Ich tat es ihr gleich und zog meinen Mantel aus. „Wenn ich nicht einen Verfolger übersehen habe, lief alles bestens."

„Sehr gut. Hier, zieh die an." Auffordernd hielt sie mir ihre Jacke hin.

Nach weniger als fünf Minuten hatte ich ihre Jacke, die Sonnbrille und die Mütze auf.

„Und Los! Mein Bruder wartet auf dich."

Schnell stieg ich aus, lief hinüber zum anderen Auto und stieg dort ein. Zecke rutschte sofort hinter mir auf den Fahrersitz. Sie war dafür verantwortlich mein Auto verschwinden zu lassen und meine Verfolger auf eine falsche Spur zu führen, während ihr Bruder Cooper mich mit dem Pickup zu einem sicheren Versteck brachte, wo ich die kommende Woche untertauchen sollte. So jedenfalls sah es Bones Plan vor.

Mein Po hatte gerade mal die Sitzbank berührt, da schoss der Pickup bereits rückwärts aus der Parklücke. Leise fluchen griff ich nach dem Sicherheitsgurt und schnallte mich an.

„So eilig haben wir es nun auch wieder nicht."

Moosgrüne Augen sahen mich nur kurz an, ehe sie sich wieder auf die Autobahn und den Verkehr konzentrierten. Der strenge Ausdruck in ihnen teilte mir all das mit, was Cooper mir nicht sagen konnte.

„Okay, dann haben wir es eben eilig. Trotzdem hättest du warten können, bis ich richtig sitze. Wenn ich durch die Windschutzscheibe fliege, bringt uns das gar nichts."

Cooper stieß ein kurzes Schnauben aus – ob zustimmend oder ablehnend, dass blieb wohl meiner Interpretation überlassen.

„Läuft bisher alles nach Plan?" Fragte ich, nachdem Cooper im rasanten Tempo an einem Stück mehrere LKWs überholt hatte und sich im Rückspiegel versicherte, dass uns kein Wagen auffällig folgte.

Cooper nickte schweigend und setzte dazu an einen kleinen, roten VW zu überholen, bevor er kurz danach blitzschnell und in letzter Sekunde die nächste Autobahnabfahrt nahm.

Überrascht schrie ich auf und klammerte mich mit weit aufgerissen Augen am Türgriff fest. „Wann hast du bitteschön deinen Führerschein gemacht?!"

Cooper grinste mich nur schelmisch an und zuckte mit den Schultern, während er – endlich! – vom Gas runter ging. Kurz darauf manövrierte er uns auf eine von brach liegenden Feldern gesäumte Landstraße.

Erleichtert Seufzend setzte ich mich wieder richtig hin. „Nie, niemals wieder, werde ich in ein Auto steigen, das du fährst! Ehr laufe ich die ganze Strecke zu Fuß!"

Cooper nahm eine Hand vom Lenker und bewegte sie mehrmals leichtfedernd auf und ab: „abwarten".

„Dann aber bis in alle Ewigkeit. Darauf kannst du wetten."

Grinsend machte er mit einer Hand das Zeichen für „okay". Sein Blick verriet, dass er die Wette als Herausforderung ansah und sie zu gewinnen gedachte. Zu meinem Leidwesen musste ich gestehen, dass er allen Grund hatte, optimistisch zu sein. Denn Bones Plan beinhaltet, dass ich mich in Begleitung von Cooper die nächste Woche bedeckt halten sollte. Der Mann mit dem dunkelroten Haaren und dem Vollbart war dabei gleichzeitig mein Chauffeur und Bodyguard.

Hätte ich im Vorfeld von Coopers Fahrkünsten gewusst, ich hätte auf jemand anderes bestanden. So wie es gerade aussah, würde ich vermutlich bis zum Ende der Woche an einem Herzinfarkt sterben. Zu Coopers Glück saß ich vorne in seinem Wagen. Säße ich auf der Rückbank, so könnte er nun das Auto säubern. Mein Magen und Autofahren auf den Rücksitzen vertrugen sich schon bei einem wesentlich friedlicheren Fahrstil nicht.

„Wie lange werden wir fahren?" Fragte ich nach einer Weile, in der wir still vor uns hinfuhren. Langsam holten mich die schlaflosen Nächte der letzten zwei Tage ein, in den ich Schlängellinien durchs Land gefahren bin, und ich spürte, wie meine Augenlider immer schwerer wurden.

„Zwei Stunden." Übersetzte ich die zwei hochgehaltenen Finger.

„Sehr gut." Gähnte ich und rollte mich auf dem Sitz zusammen. Meine ausgezogene Jacke diente mir dabei als Kissen zwischen mir und dem Autofenster. „Weck mich bitte, wenn wir angekommen sind."

Sachte vielen mir die Augen zu und ich dämmerte tatsächlich weg. Für den Augenblick fühlte ich mich sicher. Ein Zustand, den ich seit langem nicht mehr verspürt habe. Zuhause – ich lebte bei einer meiner Tanten väterlicher Seitz, da meine Eltern starben, als ich fünf Jahre alt war – musste ich ständig auf der Hut sein. Man lebte dort in einem ständigen, nicht Enden wollenden Kampf. Ohne Grund konnte es jemand auf dich abgesehen haben, nur weil er sich einen besseren Platz in der familiären Hierarchie erhoffte, dessen Zentrum mein Großonkel bildete.

Ich hasste dieses Leben. Meinem Lieblingscousin Matteo hatte es das Leben gekostet. In gewisser Weise war ich daher froh darüber, dass die geplante Hochzeit mich endlich zum Handeln und somit zur Flucht getrieben hatte. Für mich bot sich nun die Chance, dem Leben, in dem man immer und immer wieder über die Schultern gucken musste, den Rücken zu kehren und mit Bones Hilfe würde das auch klappen. Endlich sah ich einen Hoffnungsschimmer.

Das öffnen und schließen einer Tür drang durch den Nebel des Schlafes, der mich fest umfangen hielt. Kurz darauf wurde erneut eine Tür geöffnet und ein kalter Lufthauch fegte über mich hinweg und ließ mich frösteln. Knurrend über diese unerwünschte Störung suchte ich nach einer Decke, doch ich fand keine. Missmutig rollte ich mich daher noch enger zusammen, fest entschlossen, mich von der Kälte nicht um meinen Schlaf bringen zu lassen.

Plötzlich hüllte mich Wärme ein und ich kuschelte mich zufrieden seufzend in sie. Ah, das war viel besser! Langsam entspannte ich mich wieder und triftete zurück ins Reich der süßen Dunkelheit.

Selbst der Ruck, der kurz durch meinen Körper ging, als mich jemand hochhob, störte mich nicht weiter. Im Gegenteil, der beruhigende Geruch von Sandelholz umfing mich, strahlte Vertrautheit und Sicherheit aus und führte mich tiefer in meine leidenschaftlichen Träume.

Er beschützt sieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt