Kapitel XX: Der Morgen danach

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Die Strahlen der morgendliche Wintersonne weckten mich. Ich lag auf dem Bauch in dem weichsten Bett, in dem ich je gelegen habe. Etwas schweres lag halb über mir und heizte besser als jede Wärmedecke es je könnte.

Cooper.

Wohlig seufzend sog ich den Duft von Sandelholz ein und lächelte dabei verträumt. Wie Cooper seinen Arm schützend um meine Hüfte schlang und sein Bein besitzergreifend zwischen meine Schenkel geschoben hatte, war einfach zum dahinschmelzen. Ich hätte noch Stundenlang so liegen bleiben können, doch leider meldeten sich eins der menschlichen Grundbedürfnisse und drängte mich zum Aufstehen.

Zischend festigte Cooper seinen Griff um meine Taille und kuschelte sich tiefer in meine Halsbeuge. Es kostete mich einiges an Mühe und Geduld sowie vieler unterdrückter Flüche, ehe ich mich unter Cooper herausgewunden hatte und ins Bad sprintete. Da ich nun einmal wach war, beschloss ich, gleich nach der Toilette duschen zu gehen und mich für den neuen Tag frisch zu machen. In meiner Kulturtasche fand ich alles, was ich brauchte, außer...

„Verdammt, wo ist meine Brille?" Fluchend leerte ich die gesamte Tasche aus, doch ich fand sie nicht. Dann viel es mir wie Schuppen von den Augen – meine Handtasche. Nach dem feierlichen Essen und dem Hochzeitstanz hatte ich meine Kontaktlinsen gegen meine Brille ausgetauscht. Im Taxi, als ich eingeschlummert war, musste Cooper sie mir sicherheitshalber abgenommen haben. Dunkel erinnerte ich mich daran, wie er sie in mein Brillenetui und schließlich in meine Handtasche getan hatte.

Ich zog mir einen der zwei bereitliegenden Hotelbademäntel über und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Cooper lag noch immer schlafend im Bett und bei seinem Anblick zupfte ein sanftes Lächeln an meinen Mundwinkeln. Wenn man ihn so sah, bestand kein Zweifel mehr daran, dass er fünfundzwanzig Jahre alt war. Seine Gesichtszüge waren friedlich und entspannt. Es gab keine Anzeichen mehr von den angespannten Linien um seine Augen und auf seiner Stirn oder den ernsten Zug um seine Lippen, die ihn älter wirken ließen, als er tatsächlich war.

Es war allein der Tatsache geschuldet, dass ich kein Plan hatte, wo sich aktuell mein Handy befand, dass ich diesen Moment nicht mit der Kamera festhielt. Stattdessen lief ich leise über den weichen, hellgrauen Teppich ins Wohnzimmer hinüber.

Schnell fand ich, wonach ich gesucht hatte. Am Rand des Esstisches lag, genau dort wo Cooper es gestern Abend neben seinem Jackett abgelegt hatte, um die Dokumente des Hotelangestellten zu unterzeichnen, ein kleines, dunkelblaues Täschchen, passend zu meinem Kleid. Eine weitere kleine Aufmerksamkeit von Cooper, die mir Helen noch vor der Trauung überreicht hatte. Dankbar hatte ich darin all meine wichtigen Dinge untergebracht – unteranderem auch das Brillenetui.

Bingo! Ich zog meine Brille aus dem Etui und setzte sie auf die Nase. Niemals hätte ich gedacht, dass ich das Ding gerne tragen würde. Doch ich tat es – zumindest im Moment. Sie gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Die Angst davor, dass mich jemand mit ihr auf der Nase erkennen könnte, war geringer. Sie war mein eigenes, kleines Schutzschild.

Danach holte ich mein Handy aus der Tasche und prüfte es aus reiner Gewohnheit auf Nachrichten. Erstaunt runzelte ich die Stirn, als mir tatsächlich mehrere neue Mitteilungen von einer unbekannten Nummer angezeigt wurden. Wer konnte das sein? Allein Bones und Cooper hatte ich meine neue Nummer anvertraut, sonst niemandem.

Leichte Schuldgefühle nagten an mir, weil ich sie Chrissy immer noch nicht gegeben und mich auch seit vier Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet hatte, aus Angst, meine Familie könnte sie weiterhin im Auge behalten. Jeder Anruf beinhaltet sowohl ein Risiko für sie als auch für mich.

Also wem gehörte diese fremde Nummer? Und woher zum Teufel hatte die Person meine?

Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Mit zitternden Fingern entsperrte ich das Display und öffnete den Chatverlauf. Mehrere Fotos sprangen mir sofort ins Auge und Erleichterung durchflutete mich. Alle Bilder waren von dem gestrigen Nachmittag und Abend. Sowohl Cooper als auch ich waren die Hauptmotive. Doch es gab auch tolle Schnappschüsse von den anderen Gästen unserer kleinen Hochzeitsgesellschafft. Zum Beispiel eines von Bones in Begleitung seiner Schwestern Helen und Conny die alle drei fröhlich in die Kamera lachten – und das obwohl Conny und Helen sich keine Minute vorher noch in den Haaren gelegen hatten. Es war ein übler Zickenkrieg gewesen. Allem Anschein nach konnten die beiden Frauen keine Sekunde im selben Raum verbringen, ohne sich an die Gurgel zu gehen.

Er beschützt sieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt