Kapitel XXIII: Die angelehnte Tür

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Ein stetiges Piepte kam von dem Monitor neben dem weiß bezogenen Bett und kündete davon, dass der Mann, der in dem Bett lag, weiterhin lebte. Seine Schutzengel mussten an diesem Tag Überstunden geschuftet haben, damit er dem Tod von der Schüppe springen konnte. Es war knapp gewesen, aber er hatte es letztendlich geschafft.

Cooper lebte.

Fest barg ich seine große, schwielige Hand zwischen meinen kalten Fingern und wünschte mir nichts sehnlicher, als das mich fesselnde, moosgrüne Augen endlich wieder ansehen würden. Für mein super angespanntes Nervenkostüm käme es dem Himmel gleich. Die letzten Stunden zogen sich gefühlt wie Tage hin. Sie waren geprägt von Angst in allen nur erdenklichen Schattierungen. Ich hatte bis zum heutigen Tag gar nicht gewusst, dass es zwischen absolut panischer Angst bis hin zu bangender Angst verdammt viele zwischen Stufen gab. Doch als ich heute im Wartezimmer des Operationssaals saß, umgeben von seinen Eltern, Rebecca, Helen, Bones, Tai und all den anderen Leuten, die Cooper liebten, und auf das Ergebnis der Operation wartete, habe ich sie alle durchlebt. Für mich waren die fünf Stunden Aufenthalt in diesem unpersönlichen, weißen Raum die absolute Hölle gewesen.

„Du verdammter Idiot! Was hast du dir nur dabei gedacht?" Flüsterte ich und drückte seine Hand noch fester.

Keine Reaktion.

„Warum hast du mich nur geheiratet und dich damit in die Schusslinie begeben? Das war so bescheuert von dir." Eine einzelne Träne rann meine Wange hinab, doch ich machte mir nicht mehr die Mühe, sie wegzuwischen. Sie reihte sich nur in die Spuren ihrer vielen Vorgänger ein, die heute bereits von mir vergossen wurden.

„Bones?" Erklang Zeckes gedämpfte Stimme draußen auf dem Flur. „Ich bin überrascht dich hier zu sehen. Wolltest du nicht erst morgen früh bei Cooper die Krankenwache übernehmen?"

Neugierig blickte ich zu der Tür des Krankenzimmers, die einen Spaltbreit geöffnet war. Dabei spürte ich den leichten Druck des weißen Verbandes, der die - zum Glück für mich - flache, oberflächliche Wunde an meinem Hals bedeckte, kaum noch.

Der Raum war nicht groß. Es befand sich außer dem Bett nur ein kleiner Fernseher an der Wand, ein hoher, sehr schmaler Schrank gleich daneben und hinter einer weißen Schiebetür ein winziges Bad. Doch zumindest war es ein Einzelzimmer, so, dass Cooper viel Ruhe hatte, um sich zu erholen.

„So ist auch weiterhin der Plan. Ich bin nur hier, weil ich mit dir reden wollte."

„O-kay." Zecke zog das eine Wort in die Länge.

„Mhm, riecht der Kaffee gut!"

„Finger weg! Der ist für Biene. Sie braucht ihn wesentlich dringender als du. Also, worüber wolltest du sprechen?"

„Ah, hier bist du, Zecke! Hättest du nicht kurz auf mich warten können, bis das Essen fertig war? Ich hab dich gesucht." Beschwerte sich Helen, die im Flur zu den andern beiden gestoßen war. „Dante? Was machst du denn hier? Wo ist Tai?"

„Lass mich raten, die Nudeln sind auch für Biene."

„Schlauer Bursche." Erwiderte Zecke und klang dabei wie jemand, der seinen braven Hund lobte, weil dieser ein Kunststück hervorragend aufgeführt hatte.

Bones stieß einen trübsinnigen Seufzer aus. „Schade."

„Mach dir nichts draus, du wirst schon nicht vom Fleisch fallen."

Darauf folgte unverständliches Murmeln und Zecke raues Lachen. Bei dem Laut hoben sich leicht meine Mundwinkel, denn Zecke war seit dem Vorfall im Hotel noch mehr in sich zurückgezogen als ich. Es schien, als würde sie etwas bedrücken und das äußerste sich darin, dass ihre spitze Zunge verstummt war. Zwar antwortete sie, wenn man sie etwas Fragte, aber mehr auch nicht. Ihr üblicher Biss hinter den Worten fehlte. Und erst recht hatte sie seit heute Mittag nicht mehr Gelacht geschweige denn Gelächelt. Ihre Stirn schien stattdessen von dauerhaften Sorgenfalten durchzogen zu sein.

Er beschützt sieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt