Kapitel XXI: Der gereizte Bär

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Ich hockte bei der Wasserlache und begann vorsichtig so viele der scharfkantigen Scherben auf einen der leeren Frühstücksteller zu räumen, wie es mir Möglich war. Dem wütenden Cooper, der ungeachtet des zerbrochenen Glases nur wenige Meter von mir entfernt auf und ab tigerte, schenkte ich keine Beachtung. Er war so aufgebracht, dass ich wusste, er brauchte ein paar Minuten für sich, um wieder runter zu kommen, bevor man mit ihm vernünftig reden konnte. Daher hatte ich mit einem Blick auf seine nackten Füße beschlossen, lieber die Glasscherben aufzusammeln. Mehr konnte ich sowieso gerade nicht tun.

Fest schlossen sich warme Hände um meine und löste meine Finger von der Scherbe, die ich gerade hielt. Leise polternd viel sie aufs helle Holzparket zurück. Überrascht sah ich zu Cooper auf, der mit unnachgiebiger, verschlossener Mine neben mir hockte und meine Hände auf Verletzungen absuchte. Als er keine fand, packte er mich unter den Knien und Rücken und hob mich mit Schwung hoch in seine Arme. Mit wenigen Schritten war er beim Sofa, wo er mich darauf niederließ. Sobald ich saß, inspizierte er noch meine Fußsohlen. Kurz blitzte Erleichterung in seinen Augen auf, als er keine Schnitte finden konnte, die genauso schnell wieder verschwand.

Kaum hatte er sich von meiner Unversehrtheit überzeugt, richtete er sich wieder zu seiner vollen Größe auf und mir war klar, dass er erneut rastlos durch den Raum streifen würde. Schnell hielt ich ihn am Arm fest. Seine sehnigen Muskeln unter meinem Griff waren spürbar angespannt. Was hatte den ausgeglichensten Mann, der mir je über den Weg gelaufen war und der mich immer an einen ruhigen, ja fast gemütlichen Bären erinnert hatte, in einen vor Wut tobenden Grizzly verwandelt? Was hatte ihn dermaßen doll gereizt? Ich wusste es nicht. Und ich würde es nie erfahren, wenn mein Mann nicht mit mir redete.

„Cooper, sprich bitte mit mir! Was ist geschehen?" Das flehen in meiner Stimme war ebenso wenig zu überhören wie meine Sorge um ihn.

Wortlos entzog er sich mir. Schenkte mir keine Beachtung mehr. Lief einfach weiter seine Bahnen durch das Wohnzimmer, so als würde ich nicht existieren.

Verdammt tat das weh! Ich hätte niemals gedacht, dass mich etwas je wieder annähernd so sehr schmerzen würde, wie Matteos Tod. Doch ich hatte mich geirrt. Das abweisende, mich ganz und gar ausschließende Verhalten von Cooper traf mich noch tiefer im Herzen als die damaligen Erlebnisse. Unbewusst strich ich mir mit einer Hand über die Brust, dort wo mein schmerzendes Herz saß. Ich musste doch tatsächlich mit den Tränen kämpfen. Wütend fuhr ich mir über die Wange, um die einzelne Träne, die es gewagt hatte, sich aus einem meiner Augen zu lösen, wegzuwischen. Was genug war, war genug. Ich würde nicht einfach hier sitzenbleiben und dem egoistischen Blödmann, der meine Sorge um sich einfach wie eine lästige Fliege abgeschüttelt hatte, beim dämlichen rumlaufen beobachten. Da fand sich garantiert etwas Besseres für mich zum Tun.

Entschlossen stand ich auf, machte eine weiten Bogen um die weit verstreuten Glasscherben und Cooper und lief hinüber ins Schlafzimmer. Dort griff ich als erstes nach dem Festnetzanschluss neben dem Bett und tätige einen kurzen Anruf, danach kramte ich mich durch meinen Koffer und verwarf ein Pullover nach dem anderen und auch keine Jeans oder Leggins entsprach meinen Ansprüchen. Schließlich ließ ich mich zurück auf meinen Hintern plumpsen, klappte den Koffer schwungvoll zu und barg mein Gesicht in den Händen. Die ersten Tränen kamen sofort.

Scheiße! Das alles war doch so eine verdammte Scheiße!

Ich legte die Brille beiseite, zog meine Beine an, schlang die Arme um die Knie und ließ den Kopf kraftlos darauf sinken.

Wie hatte es dazu kommen können, dass Cooper nach einer Woche bereits so fest in meinem Herzen wohnte, dass er mich so tief verletzen konnte. Mir war bewusst gewesen, dass er sich in mein Leben eingenistet hatte, dass er mir Teile meines Herzens gestohlen hatte. Nicht umsonst bezeichnete ich meine Gefühle für ihn als Liebe. Doch ich hatte nicht gewusst, wie allumfassend er sich alles unter den Nagel gerissen hatte. Verfluchte Scheiße, er hatte mir eben das verdammte ganze Herz herausgerissen und nicht nur Teile davon. Und das, obwohl ich mir nach Matteos Tod geschworen hatte, niemals erneut von einem Menschen so ganz und gar Emotional abhängig zu sein. Der Schmerz beim letzten Mal hatte mich fast umgebracht. Wer weiß, was passiert wäre, wäre Chrissy nicht bei mir gewesen. Dank ihr hatte ich die Kraft gefunden, dass Leben weiterzuleben, meinen Verlust hinter mir zu lassen und positiv in die Zukunft zu blicken.

Er beschützt sieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt