»Ally!« Mit diesem Urschrei kam Jaxon in die Werkstatt gestürmt.
Vor Schreck hätte Alloy sich beinahe den Kopf an der Unterseite des Gleiters gestoßen, an dem sie bereits seit ein paar Tagen herumschraubte. Ein hübsches, korallenrotes Modell mit fließendem Heck, silbernen Zierleisten und brandneuen Schwebedüsen.
»Ally!«, wiederholte Jaxon.
»Was?«, fauchte Alloy und schob sich unter dem Gleiter heraus.
Da war Jaxon schon auf dem Weg ins angrenzende Büro. »Sieh dir das an! Das musst du dir ansehen!« Er kramte zwischen den Rechnungen, Formularen und Werbebroschüren, die sich auf dem Schreibtisch stapelten, nach der Fernbedienung.
Alloy verdrehte die Augen. Ihr Bruder konnte eine ziemliche Nervensäge sein. Vermutlich ging es bloß um seine kriminellen Freunde, die es mal wieder ins Fernsehen geschafft hatten. Irgendein bescheuerter Raubzug, der spektakulär schiefgegangen war, oder das Aufsehen erregende Ende einer Verfolgungsjagd. Dämliche Verbrecher waren neben Roh-Kopernium so ziemlich das einzige Exportgut, das Nova Kauri vorzuweisen hatte.
»Das muss gerade erst passiert sein«, sagte Jaxon, während er auf der Fernbedienung herumdrückte und ihrem alten Röhrenkasten einen auffordernden Klaps versetzte. Da er nur ein ärmelloses Hemd trug, kamen seine kräftigen Arme und seine neuen, metallisch glänzenden Tätowierungen gut zur Geltung.
»Was muss gerade erst passiert sein?«, fragte Alloy gedehnt, zog sich an der Hebebühne auf die Beine und streckte sich wie nach einem langen Schlaf.
»Der Neoczar«, erwiderte Jaxon und warf einen Blick über seine Schulter. Seine tief liegenden, grünbraunen Augen fixierten Alloy mit einer ungewohnten Ernsthaftigkeit. »Er ist tot.«
Alloy merkte, wie alle Kraft aus ihren Gliedern wich. »Was ...?«, hauchte sie.
Statt einer Antwort wandte Jaxon sich wieder dem Fernseher zu und stellte einen der großen Nachrichtensender an, die rund um die Uhr aus dem Rest des Sonnensystems berichteten.
Alloy umrundete den Gleiter und lehnte sich mit verschränkten Armen in den Durchgang zum Büro. Trotz der schwülwarmen Hitze, die von draußen hereindrang, musste sie plötzlich frösteln. Der Neoczar, ihr aller Lebensretter, der Begründer des Großen Exodus, war tot? Wie konnte das sein? Natürlich ... er war alt gewesen. Aber doch noch nicht so alt. Außerdem besaß er Zugang zur fortschrittlichsten Medizintechnik des gesamten Sonnensystems. Wie konnte er da so einfach tot sein?
Der flimmernde Bildschirm zeigte Luftaufnahmen der Gran Altessa in Aerilon auf Neo Patria. Auf der Strata Mundi vor dem Regierungssitz hatten sich bereits hunderte Menschen versammelt, um Blumen niederzulegen und sich gegenseitig Trost zu spenden. Der rot unterlegte Schriftzug am unteren Bildschirmrand verkündete die schockierende Neuigkeit. Der Neoczar war tatsächlich tot.
Jaxon rieb sich das stoppelige Kinn und sah aus, als wollte er etwas sagen, blieb aber stumm.
Alloy fehlten ebenfalls die Worte.
Schweigend lauschten sie der Stimme des Kommentators, der eine Lobrede auf den Verstorbenen anstimmte.
Vor vierzig Jahren war der Neoczar noch ein einfaches Mitglied der Regierungsfraktion im interplanetaren Parlament der Alten Welt gewesen. Er hatte dem Ressort für Umwelt und Technik vorgestanden und war daher einer der Ersten gewesen, die vom Zustand ihrer Sonne erfahren hatten. Während die anderen Politiker das Problem heruntergespielt hatten, um nicht ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit zu geraten, hatte er zusammen mit einigen Mitverschwörern einen tollkühnen und riskanten Plan geschmiedet: Operation Großer Exodus.
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Depraved New World (ONC 2024)
Ciencia FicciónVor 21 Jahren hat sich die Menschheit im Rahmen des Großen Exodus in ein anderes Sonnensystem aufgemacht. Im Alter von vier Jahren kam Alloy als Waise in die neue Welt, die der Neoczar der Menschheit errichten ließ. Jetzt ist sie eine junge Frau un...