KAPITEL 11 | LETZTER ATEMZUG

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Eine Weile saßen sie im Dunkeln und wagten nicht, sich zu rühren. Alloy konnte ihr Herz trommeln und das Blut in ihren Adern rauschen hören. Der Prinz, der neben ihr saß, regte sich leicht, um sein verletztes Bein zu entlasten. Trotzdem war es Jaxon, der zuerst etwas sagte.

»Sind sie weg?«

»Vorerst«, antwortete Bishop.

Viper ächzte. »Das wird nicht lange anhalten. Sie werden uns überall suchen. Die Clans ... die Miliz ...«

»Am besten teilen wir uns auf.« Bishop wandte sich an Jaxon. »Jaxon ... warum bringst du nicht deine Freundin nach Hause?«

»Aber ich will mit euch zum Madrefio!«, protestierte Jaxon.

Eden schlug ihm mit der flachen Hand gegen den Oberarm. »Und ich will nach Hause!«

»Es geht jetzt aber mal nicht um dich!«, fauchte Jaxon.

Alloy konnte gar nicht sagen, wen der kurze Wutausbruch mehr zu überraschen schien. Ihren Bruder oder seine Freundin. 

Aber auch Alloy war von Jaxons plötzlichem Sinneswandel überrascht. Normalerweise redete er Eden immer nach dem Mund. Hatte er vielleicht verstanden, dass es dieses Mal um etwas wirklich Wichtiges ging? Möglicherweise sogar um die Zukunft der Neuen Welt?

Doch so stolz Alloy auch auf ihren Bruder war, es wäre ihr deutlich lieber gewesen, wenn er sich dazu entschieden hätte, Eden nach Hause zu bringen. Nach allem, was sie von Viper und Bishop gehört hatte, war es nicht unwahrscheinlich, dass sich das Madrefio als Todesfalle entpuppte.

»Alloy, du begleitest den Prinzen«, sagte Bishop. »Ich nehme die Tasche mit den Datenträgern.«

»Unter keinen Umständen«, widersprach der Prinz. »Die Tasche bleibt bei mir.«

»Ich denke nicht, dass du in der Position bist, Forderungen zu stellen«, entgegnete Bishop.

»Ich habe mein Leben riskiert, um an diese Informationen zu gelangen.«

»Und ich werde gut darauf aufpassen.«

»Woher soll ich wissen, dass Sie die Informationen nicht den Clans zuspielen oder meistbietend verkaufen?«

»Du weißt es, weil du noch nicht im Knast sitzt.« Bishops Tonfall verschärfte sich. »Dir muss doch klar sein, dass du eine Zielscheibe auf dem Rücken hast. Deine Informationen haben eine größere Chance, ihr Ziel zu erreichen, wenn du sie mir gibst. Ich bringe sie zum Madrefio.« Er wandte sich erneut an Jaxon: »Am besten tauscht ihr beiden die Klamotten, damit der Prinz nicht sofort erkannt wird. Eine Kurzhaarfrisur wird auch helfen.«

Alloy konnte beinahe hören, wie Jaxon und Cassian zeitgleich die Gesichter verzogen. Niemand schien von diesem Plan besonders begeistert zu sein. Trotzdem wurde er – zumindest teilweise – in die Tat umgesetzt. 

Während Viper die Beleuchtung wieder anschaltete und das Gepäck des Prinzen aus dem Kofferraum holte, tauschten Cassian und Jaxon die Kleidung. In der Zwischenzeit nahm Bishop Alloy beiseite, um ihr die beste Route zu erklären. 

»Haltet euch von grßeren Menschenansammlungen fern«, sagte er. »Die meisten Menschen werden den Prinzen in seinem aktuellen Zustand wohl nicht erkennen, vor allem, wenn sie nicht nach ihm suchen, aber ihr müsst trotzdem vorsichtig sein.«

»Werden wir«, versprach Alloy, auch wenn sich ihr Magen vor Anspannung verknotete.

»Die größte Gefahr geht von den Drohnen der Miliz aus«, fuhr Bishop fort. »Aktuell suchen sie nach Vipers Gleiter und seiner Besitzerin, aber es kann sein, dass sie ihr Vorgehen bald wieder ändern und die Gegend nach dem Prinzen abscannen werden.«

Depraved New World (ONC 2024)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt