»Bishop!«, rief Alloy und riss die Arme hoch. »Nicht schießen!«
»Was?«, fauchte Jaxon. »Wieso nicht?«
»Weil der Prinz nicht der Feind ist!« Alloy warf einen Blick über ihre Schulter. »Nimm die Waffe runter, Jax!«
»Er soll zuerst die Waffe runter nehmen.«
»Cassian!«
»Das glaubst du doch selbst nicht«, meldete sich der Prinz von hinter der Säule zu Wort.
»Ihr müsst mir vertrauen«, sagte Alloy. Aus dem Augenwinkel sah sie Bishops hellblonden Haarschopf hinter einem der oberen Fenster eines nahen Gebäudes auftauchen. »Bishop! Wir müssen reden! Reden! Nicht schießen!«
»Der Prinz soll seine Waffe weglegen«, erwiderte Bishop.
Alloy wandte sich an Cassian. »Jetzt mach schon.«
»Und wer garantiert mir, dass sie mich nicht umlegen, sobald ich meine Waffe weglege?«
»Ich!«, fauchte Alloy.
Cassian lugte hinter der Säule hervor. »Ach ja?«
»Du redest doch ständig davon, dass wir Freunde wären, also verhalte dich auch so.«
»Ich habe aber keine Wahl.«
»Wieso?«
»Weil ich die Informationen, die ich gesammelt habe, zum Madrefio bringen muss. Heute noch.« Cassians Blick bohrte sich in Alloys. »Du weißt, warum.«
»Alloy!«, rief Bishop und Alloy wandte sich wieder ihm zu. »Wenn wir uns nicht beeilen, werden Thindrel und die anderen Clans den Zugang zu den Ruinen finden und dann gibt es ein Blutbad.«
»Ally!« Jaxon wedelte mit seiner Waffe. »Wach auf! Dieser Wichser hat dir die Nase gebrochen.«
»Hab ich nicht! Hat er nicht«, antwortetet Cassian und Alloy im Chor.
»Sie ist nicht gebrochen«, schob Alloy hinterher.
»Dafür wird er trotzdem bezahlen«, sagte Jaxon und wischte sich mit der Hand über die geröteten Augen.
Er weint, erkannte Alloy.
Und dann wurde ihr klar, dass ihr kleiner Bruder vermutlich unter dem Einfluss des Roh-Koperniums stand. Das violette Leuchten würde ihn noch emotionaler und damit noch impulsiver machen.
So schnell sie konnte, verließ sie ihre Stellung zwischen Cassian und Bishop und vertrat Jaxon den Weg.
»Was soll das?«, knurrte ihr Bruder, blinzelnd und schniefend.
»Jetzt beruhige dich erstmal«, erwiderte Alloy.
»Mich beruhigen?« Jaxons Waffenhand schnellte vor, wie der Kopf einer angreifenden Schlange. »Dieser Kerl hätte dich beinahe gekillt. Und wen ...« Ihr Bruder schluchzte. »... wen hab ich denn noch, wenn du weg bist?«
Alloys Brust krampfte sich schmerzhaft zusammen. »Unsinn«, widersprach sie und senkte die Stimme zu einem sanften, vertraulichen Tonfall. »Das ist doch Unsinn, Jax. Cassian hätte mich nicht ge-«
Plötzlich legte sich ein Arm um ihren Hals und sie wurde ruckartig zurückgezerrt, bis sie gegen Cassian stieß. Ehe sie sich versah, drückte der Lauf einer Pulswaffe in ihre Seite.
»Cassian«, ächzte Alloy und fasste nach seinem Arm, der ihr merklich, aber nicht bedrohlich, die Luft abschnürte.
Cassians Umarmung lockerte sich etwas, allerdings nicht genug, damit sie freikommen konnte. Das hätte ihr in Anbetracht des blau glühenden Waffenlaufs, der sich zwischen ihre Rippen bohrte, aber auch nicht viel geholfen.
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Depraved New World (ONC 2024)
Ciencia FicciónVor 21 Jahren hat sich die Menschheit im Rahmen des Großen Exodus in ein anderes Sonnensystem aufgemacht. Im Alter von vier Jahren kam Alloy als Waise in die neue Welt, die der Neoczar der Menschheit errichten ließ. Jetzt ist sie eine junge Frau un...