Kapitel Neun: Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende

27 7 0
                                    

Nicki

Ich seufzte. Ich hatte eigentlich gar keinen Bock auf meine Doppelschicht. Erst Spätschicht und dann Nachtschicht. Seit ein Uhr mittags war ich bereits mit meiner Kollegin Sarah Vogt im Dienst. Wir waren zusammen zur Streife eingeteilt worden. Auch wenn die Streife echt spannend sein konnte, wollte ich viel lieber etwas mit Jana machen, aber stattdessen musste ich arbeiten und Jana war sowieso in Nürnberg.
Eigentlich sprach nichts dagegen, dass ich mit Sarah zusammenarbeitete. Sarah und ich verstanden uns gut. Eigentlich verstand ich mich mit jedem Kollegen auf der Polizeiwache.
Normalerweise bestand ich immer darauf, den Streifenwagen zu fahren, aber heute fuhr Sarah den Streifenwagen, während ich gedankenverloren und lustlos auf dem Beifahrersitz saß und meinen Kopf abstützte. Ich war froh darüber, dass Sarah fuhr, denn ich wusste nicht, ob ich jetzt überhaupt fahren könnte, wenn ich schon keine Motivation zur Doppelschicht hatte.
Es war einfach echt langweilig ohne Jana. Was sollt dich zweieinhalb Jahre hier ohne sie machen?
>> Alles in Ordnung bei dir? <<, fragte Sarah.
Ich drehte den Kopf zu ihr. >> Ja, alles gut. Ich denke nur die ganze Zeit an Jana. <<, antwortete ich.
>> Ist Jana die Tochter von Jan? <<, fragte Sarah.
>> Ja. <<
Sarah nickte.
Jaja, so war das in unserer Kleinstadt. Nichts blieb in der Kleinstadt ein unbeschriebenes Blatt.
Wenn nicht in der Kleinstadt, dann erst recht nicht auf unserer süßen Polizeiwache. Jeder bekam irgendwann den einen oder anderen Klatsch und Tratsch mit.
Dass Sarah, wusste, dass Jana die Tochter von Jan war, wusste sie daher, dass Jan jedem neuen Kollegen, der auf unsere Wache kam, begeistert von seiner Tochter erzählen musste. Sie toll sie war, dass Jan Jana schon als kleines Baby in seiner Jacke durch die Wache getragen hatte.
>> Wagen 27, bitte kommen. <<, meldete sich plötzlich das Funkgerät im Auto.
Ich nahm ab. >> Wagen 27 hört. <<
>> Es ist gerade ein Serienunfall, spricht Massenkarambolage, in der Nähe der Fußgängerzone in der Innenstadt gemeldet worden. Es sind auch schon drei RTWs bestellt worden, da wir mehrere verletzte Personen haben. Ob es noch weitere Unfallopfer gibt, ist bisher noch unklar. Herr Fuchs und Frau König sind schon vor Ort, haben aber mit vielen Gaffern zu kämpfen, die nicht von der Unfallstelle ablassen wollen. Die beiden brauchen dringend Verstärkung. Weitere Verstärkung wird noch angefordert. <<
>> Alles klar. Wagen 27 ist auf dem Weg zu einer Massenkarambolage in der Nähe der Fußgängerzone. Wir übernehmen. Sonderrechte frei. <<, antwortete ich und legte das Funkgerät wieder weg.
Sarah schaltete das Martinshorn ein und gab Gas. Manchmal gab es Tage, an denen Fußgänger sowohl auch Autofahrer nicht rechtzeitig für Einsatzkräfte mit Einsatzfahrzeugen Platz machten.
Sowie heute.
Heute lief sogar ein Fußgänger wie blind und taub, trotz gut zu hörendem Martinshorn über die Straße.
Kurz bevor wir den Jugendlichen erreichten, erschrak der junge Mann und nahm dabei seine AirPods aus den Ohren. Er stolperte nach vorne und rannte auf die andere Straßenseite.
>> Himmel, Arsch und Zwirn. Die Jugend von heute wird ja immer schlimmer. Das hätte auch gewaltig ins Auge gehen können. <<, schimpfte Sarah und schüttelte den Kopf.
>> Leider kann man dagegen nicht viel machen. Zu meiner Zeit, als ich geboren wurde, gab es noch keine ausgeprägte Technik mit AirPods oder anderen Bluetoothgeräten. Damals gab es noch Plastikhandys mit einem grünen Display, die schnell und leicht kaputtgehen konnten. <<, pflichtete ich Sarah bei.
Wir fuhren gerade zum Kreisel, da wartete schon die nächste böse Überraschung auf uns.
Vor dem Kreisel stand eine Schlange von Autos, die darauf warteten, endlich in den Kreisel fahren zu können. Doch keiner schien dem Streifenwagen Platz machen zu wollen oder sie hörten das Martinshorn nicht.
>> Das kann doch nicht wahrsein. <<, fluchte ich und ließ meinen Kopf gegen die Kopflehne fallen.
>> Jungs, Mädels! Das kann doch jetzt nicht euer Ernst sein, oder? Mensch, wo habt ihr denn fahren gelernt?! <<, rief Sarah aufgebracht und schlug mit der Hand aufs Lenkrad.
>> Also wie man eine Rettungsgasse bildet, haben sie wahrscheinlich nicht gelernt. <<, stellte ich genervt fest.
Die Autos im Kreisverkehr waren auch nicht viel besser. Der Verkehr ging entspannt weiter.
Trotzdem machte kein einziges Auto Platz.
>> Mir reicht es jetzt. Fahrt jetzt, ihr Vollidioten! <<, schrie Sarah und schlug auf die Hupe ein. >> Meinetwegen könnt ihr ja in einen Zaun, in einen Graben oder auf eine Wiese fahren. Hauptsache ihr macht Platz und wir kommen durch! <<
Sarahs Wutanfall schien wohl zu funktionieren, wenn auch nur kurz. Die Autos vor uns bewegten sich, fuhren dann aber so, dass jeder dem anderem im Weg stand. Aber immerhin hatten sie Platz gemacht.
Kaum hatten wir das Gewimmel von Autos hinter uns gelassen, da ging wildes Gehupe los. Irgendwo krachte es und kurz darauf wurde laut gepöbelt.
Dafür hatten Sarah und ich so gar keine Zeit. Mit rasantem Tempo fuhren wir zur Fußgängerzone.

Jana & Nicki - Das schönste Jahr unseres Lebens ( Band 1 )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt