Kapitel Dreizehn: Die Grundlage des Optimismus ist blanke Angst

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Nicki

Am nächsten Morgen wurde ich von einer unerträglichen Kälte geweckt. Und obwohl ich mir heute Nacht sogar meine Fleecejacke angezogen hatte, verzog ich mich wegen der Kälte noch tiefer unter meine Bettdecke.
Zu allem Überfluss bemerkte ich, dass meine Nase lief. Ich fuhr mit meinem Ärmel von der Jacke über mein Gesicht und zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch und versuchte weiter zu schlafen.
Was natürlich nicht klappte.
Umständlich wühlte ich mich aus meinem warmen Kuschelnest und schnappte mir mein Handy, was ich gestern Abend, nachdem ich mit Jana über eine Stunde telefoniert hatte, in das Fach in der Mittelkonsole gelegt hatte. Ich entsperrte es.
7.00 Uhr.
Ich stöhnte. Für mich war 7.00 Uhr noch viel zu früh. Zumindest wenn man einen freien Tag hatte und ausschlafen konnte. Aber gut. Was tat man nicht alles für seinen Job, den man über alles liebte?
Aber solange ich nichts weiteres von Herrn Jansen hörte, konnte ich ja machen, was ich wollte. Und das einzige, was ich im Moment wollte, war schlafen. Was aber im Moment nicht funktionierte.
Ich hatte gerade mein Handy wieder in die Mittelkonsole gleiten lassen und mich wieder in meine Bettdecke verkrochen und war fast schon wieder eingeschlafen, als jemand unnormal laut ans Autofenster der Beifahrerseite klopfte.
Wer konnte denn in so einer Frühe so heftig klopfen?
Ich drehte meinen Kopf zum Fenster.
Vor dem Fenster stand ein Mann und lächelte leicht. Ich musste vorher noch ein paar Mal blinzeln, bevor ich einen von Herrn Jansens Kollegen erkannte.
Ich suchte meinen Autoschlüssel unter meiner Bettdecke hervor und schloss mein Auto auf.
Ich fuhr das Beifahrerfenster runter.
>> Guten Morgen. Ich habe von meinem Chef gehört, dass du hier im Auto übernachtest. Kaffee? <<, fragte er.
Ich hielt mir gähnend eine Hand vorm Mund und nickte.
>> Ja, gerne. Einen Moment noch, ich muss eben mein Auto freiräumen. <<
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, dessen Name er mir gestern Abend beim Döner essen gesagt und den ich schon wieder vergessen hatte. Irgendetwas mit Zitrone fing der Name doch an, oder?
>> Kein Problem. Hat keine Eile. <<
Ich schlug die Decke beiseite und öffnete die Autotür. Der Mann trat ein paar Schritte zurück.
Schwerfällig stand ich auf, nahm mein Bettkissen und meine Bettdecke und packte sie in den Kofferraum.
Danach musste ich mich erstmal ausgiebig strecken und recken. Es war nicht besonders gemütlich in so engem Raum zu schlafen.
Dann erst merkte ich, dass der junge Mann immer noch zwischen meinem Auto und einem fremden Auto stand.
>> Setz dich schon mal ins Auto. <<, sagte ich.
Ich ging um mein Auto und setzte mich wieder hinters Lenkrad.
>> Das ist mir jetzt wirklich peinlich. Aber wie heißt du nochmal? <<, fragte ich den jungen Mann.
>> Ich heiße Zedric. <<, antwortete Zedric und reichte mir einen Kaffeebecher.
Hoppala, ein Satz mit X, das war wohl nichts. Nichts mit Zitrone.
>> Danke. <<, antwortete ich und nahm ihm den Becher ab.
Ich sog den Kaffeeduft in mich auf. Dann nahm ich einen Schluck Kaffee.
>> Wie geht's denn Tim beziehungsweise Herrn Jansen? <<, fragte ich dann.
>> Mein Chef hat uns gestern noch erzählt, dass Tim gestern Abend wieder aufgewacht ist. Er war nämlich noch gestern bei Tim gewesen. Man darf ihn jetzt auch besuchen. Also, wenn du willst, kannst du das nachher machen. <<, erzählte Zedric und nahm ebenfalls einen Schluck.
>> Ah, das ist ja super.Das werde ich gleich machen. <<, meinte ich. >> Vorher muss ich aber noch dringend duschen und umziehen. <<
Zedric nickte.
>> Kommst du nachher mit? <<, fragte ich Zedric.
>> Ja, Du kannst aber zuerst zu Tim. <<
>> Okay. <<
>> Also, dann sehen wir uns gleich. <<
>> Jo, bis gleich. <<
Zedric nahm seinen Kaffeebecher, öffnete die Autotür und stieg wieder aus dem Auto und schloss die Tür auch wieder.
Ich stellte meinen Kaffeebecher in die Mittelkonsole und rieb mir über das Gesicht. Ich war so müde, am liebsten würde ich wieder schlafen.
Aber ich wollte Tim auch nicht mehr lange warten lassen. Ich stand ebenfalls auf, ging zum Kofferraum und holte meine Reisetasche heraus.
Ich ging sie mir über die Schulter, schloss mein Auto ab und machte mich auf den Weg ins Krankenhaus.
Vorne an der Rezeption blieb ich kurz stehen. Ich suchte den Eingangsbereich nach Ärzten, Krankenpflegern- und schwestern ab.
Oh, verdammt. Ich kam mir wie ein Mörder vor, der sich erstmal als dazugehöriger Arzt mit einer schwarzen, großen und falschen Reisetasche ausgeben musste, um seinen Opfern das Beatmungsgerät abzuschalten.
>> Suchst du eine Dusche? << Ich schrak zusammen. Plötzlich stand jemand neben mir. Zedric.
Jetzt hatte mich Zedric zum zweiten Mal beinahe zu einem Herzinfarkt getrieben.
>> Äh, ja. <<, antwortete ich stotternd.
>> Komm mit, ich weiß, wo hier das Schwesternzimmer gibt. <<, flüsterte mir Zedric ins Ohr.
Ich schluckte schwer.
Das verhieß nichts Gutes. Ich war kurz davor, etwas ganz Dummes zutun.
Einerseits war ich für Ärzte und für anderes Personal ein ungebetener Gast, der sich unerlaubten Zutritt ins Schwesternzimmer verschaffen wollte.
Andererseits wollte ich jetzt auch nicht mit Jogginghose und gefühlt unangenehmen Körpergeruch bei Jansen auftauchen und ihn besuchen.
Aber mir blieb keine anderes Wahl, als mich auf eine gefährliche Mission zu begeben. Hoffentlich bekam mein Chef von der Sache nichts mit.
Ich warf meinen Kopf in den Nacken und stöhnte innerlich auf. Ich hasste es, etwas Verbotenes zutun.
Schließlich hatte ich mich nicht bei der Polizei beworben, um dann selber irgendwann im Knast zu landen. Ich hatte mich bei der Polizei beworben, weil ich für Recht und Ordnung sorgen wollte und den Sport in diesem Beruf liebte.
Ich öffnete die Augen und sah Zedric an.
Er lächelte mich verschmitzt an. Dieses Schlitzohr.
>> Dann los. Zeig mir das Schwesternzimmer. <<, bat ich Zedric.
Wortlos setzte sich Zedric in Bewegung und ich ebenfalls. Ich folgte ihm auf Schritt und Tritt.
Mein Herz hämmerte gegen meine Brust und ich fühlte mich immer unwohler bei meinem Vorhaben.
Zedric und ich fuhren mit einem Fahrstuhl in einen Stockwerk nach oben.
Als wir oben ankamen und sich die Türen des Aufzugs öffneten, wollte ich gerade rausgehen, als Zedric einen Fuß zwischen die Türen stellte, damit sie sich nicht wieder schlossen und mich am Arm zurückhielt.
>> Hier ist das Schwesternzimmer. Du musst jetzt rechts und dann geradeaus. Dann kommt eine Ecke und drei Türen nach der Ecke befindet sich das Schwesternzimmer. Ich geh schon mal zu Tim auf die Station. Du kommst nach, okay? <<, beschrieb Zedric mir den Weg zum Zimmer.
>> Ja, ich werde dann noch die Tasche zurück zum Auto bringen. <<, antwortete ich.
Zedric nickte.
Dann machte ich mich auf den Weg zur Dusche. Kurz bevor ich das Schwesternzimmer erreichte, kamen zwei Oberärzte aus dem Zimmer und unterhielten sich.
Ich sprang hinter einen Putzwagen und hockte mich hin, damit mich die Ärzte nicht entdeckten.
Nachdem sie hinter der Ecke verschwunden waren, schlich ich mich in den Raum.
Vorsichtig sah ich mich um und war gerade dabei voll in jemanden hineinzurennen.
Scheiße. Was mach ich denn jetzt? Wegrennen kann ich nicht. Das fällt zu doll auf.
>> Oh hallo, wer sind Sie denn? Ich hab Sie noch nie hier gesehen. <<, meinte ein Oberarzt.
Klar, woher solltest du mich denn auch kennen? Ich war quasi ein Straftäter, der nur duschen wollte.
Ich musste mir etwas einfallen lassen und zwar schnell.
>> Ich ... ähm ... Ich bin der neue Assistenzarzt und bin ziemlich spät dran. <<, druckste ich herum und versuchte aber weiterhin freundlich zu bleiben.
Der Arzt kam einen Schritt auf mich zu. >> Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber man sieht, dass Sie spät dran sind. <<
Ich hielt die Luft an. Ich war kurz davor die Wahrheit zu sagen. Mann, wie sehr ich Notlügen hasste, aber ich hatte Angst aus dem Krankenhaus geworfen zu werden.
Ich setzte ein falsches Lächeln auf. >> Ja, ich komme auch gerade erst aus dem Bett. <<
Das war jetzt keine Lüge. Ich schwörte bei meinem Leben. Schließlich war ich erst vor knapp einer halben Stunde aufgewacht.
Der Arzt reckte sein Kinn in die Luft und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Erleichtert sanken meine Schultern nach vorn. Ich ging nach links zu den Duschen, stellte meinen Reisetasche in einen leer stehenden Spind, damit niemand meine Tasche fand und zog mich aus.
Ich nahm einfach ein Handtuch, was auf der Bank vor dem Spind lag und sprang unter die Dusche.
Als ich den Wasserhahn wieder zugedreht hatte und gerade die Dusche wieder verlassen wollte, hört ich leises Geflüster im Vorraum. Wenig später hörte ich etwas scheppern.
Mir schwahnte Übles, das konnte doch jetzt nicht wahr sein!
Während ich versuchte mich an das zu denken, was ich dachte, er klang ein schmatzendes Geräusch.
Oh. Bitte. Nicht. Nicht jetzt. Konnte dieses Paar, was da offensichtlich miteinander im Gange war, sich nicht einen anderen Zeitpunkt aussuchen?
Ich schloss zittern meine Augen und hoffte, dass es nicht noch weiter in die gefährliche Richtung ging.
Aber da täuschte ich mich gewaltig.
Ich stand mitten in der Dusche vor dem Vorhang und beobachtete eine ungewollte Szene.
Das knutschende Paar blieb jetzt direkt ausgerechnet vor meiner Dusche stehen.
>> Du bist so schön. <<, flüsterte der Mann leise, aber dennoch konnte ich ihn laut und deutlich hören. Ich bekam automatisch große Augen. Es folgte ein weiteres schmatzendes Geräusch.
Ich war kurz davor, splitterfasernackt aus der Dusche zu springen und das Ganze zu unterbrechen, aber ich zwang mich noch weiter abzuwarten und in meinem Versteck zu bleiben...
Ich öffnete wieder die Augen und gleich danach verfluchte ich mich dafür. Ich beobachtete die zwei Gestalten vor meinem Vorhang, die inzwischen angefangen hatten, sich die Klamotten vom Leib zu reißen.
Es wurde auch leider nicht besser ä, eher noch schlimmer.
Das Paar taumelte direkt auf meine Duschkabine zu, saugten sich jedoch an der Mauer von Fließen, die die nächste Duschkabine von meiner trennte, fest.
Ich fing an, mich zu versteifen.
Das wurde mir jetzt zu viel.
Und wie kam man überhaupt auf die beschissene Idee, es in einer Duschkabine zu treiben? Das wäre mir zu unangenehm.
Das Paar verlegte die Knutscherei unter die Dusche. Erleichtert atmete ich ganz leise auf. Also das brauchte ich jetzt wirklich nicht.
Sobald einer von den beiden das Wasser angemacht hatte, ging das heiße Liebesspiel weiter.
Das war's. Ich hatte es satt, mich zu verstecken.
Ich vergewisserte mich noch ein letztes Mal, dass mich die beiden nicht hören konnten.
Dann schnappte ich mir mein Shampoo, riss den Duschvorhang auf und rannte zum Spind zurück.
Hastig trocknete ich mich ab und schlüpfte in meine Polizeiuniform. Ich legte das Handtuch rasch zusammen und ging so schnell wie möglich aus dem Schwesternzimmer.
Ich hatte die große, breite Tür fast erreicht, als aus der Dusche ein tiefes Stöhnen kam.
Oh nein. Konnte die beiden nicht noch solange warten, bis ich das Schwesternzimmer verlassen hatte?
Ich riss die Tür auf und stürmte zum Aufzug.
Das war mir gerade echt viel zu peinlich.
Beim Aufzug angekommen, drückte ich dreimal den Knopf und wartete ungeduldig auf den Aufzug.
Ich wollte nicht länger in der Nähe des Paares sein.
Erst nachdem mich der Aufzug unten an der Rezeption abgesetzt hatte, zwang ich mich zu beruhigen. Ich richtete meine Reisetasche und lief zum Ausgang.
Ich schloss mein Auto auf und stellte meine Tasche in den Kofferraum. Ich nahm meine Colaflasche, die an der Seite der Autotür stand und nahm einen Schluck.
Dann machte ich mich auf den Weg zu Jansen.
Ich versuchte so locker wie möglich zu wirken.

Jana & Nicki - Das schönste Jahr unseres Lebens ( Band 1 )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt