01 - The Mancini Curse

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I L E N A

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Ich träumte von einem Leben, das in den zarten Farben eines Märchens schillerte, von sonnen­durchfluteten Tagen und von Liebe, die so strahlte wie der allerhellste Stern am Nachthimmel.

Ein Leben, das nicht von einem jahrhundertalten Fluch überschattet wurde.

Ich malte mir eine Welt aus, in der meine Tage von Freude erfüllt waren, von fröhlichen Klängen, von Lachen und Liebe. Ein Märchenleben mit glitzernden Ballkleidern, funkelnden Diamanten und einem Prinzen, der mich aus den Klauen der Dunkelheit befreite.

Doch der Klang der Uhr verkündete Mitternacht, und all meine Träume und Wünsche, die wie zarte Blüten in meinem Herzen aufgingen, wurden brutal zerschmettert und verblassten wie Sternschnuppen am Himmel.

Kaum war der letzte Ton verklungen, brachen die Schüsse mit einem gewaltigen Nachhall durch die finstere Nacht.

Die Realität drückte schwer auf meine Schultern und füllte mich mit unbeschreiblicher Angst.

Das schaurige Lied der Vergeltung wurde von den Mancini-Frauen seit Generationen geflüstert. An der Schwelle ihres 18. Geburtstages erreichte es seinen Höhepunkt.

In dieser dunklen Stunde, in der die Welt aufhörte zu atmen, geriet jede Mancini-Frau in die Fänge eines Santoros – ein Ritual der Rache, das wie ein Fluch über unserer Familie schwebte.

Ich spürte das Unheil, das sich in meinem Zimmer zusammenbraute.

Die Vorstellung eines märchenhaften Lebens wich einer schmerzlichen Gewissheit.

Papà errichtete eine Mauer aus seinen stärksten Männern, doch ich wusste, dass er sie mit einer gnadenlosen Faust durchschlagen würde, die den Tod mit sich trug. Ich wusste, dass es keinen Ausweg gab. Er würde mich holen – heute Nacht – und mich mit nach Sizilien nehmen, wo seine Familie lebte.

Zusammengekauert saß ich auf meinem Bett.

Von draußen kamen die stillen Schreie, die im Echo der letzten Schüsse verhallten.

In meiner Magengrube formte sich ein bleischwerer Klumpen. Meine Kehle zog sich zusammen und Tränen stiegen in meine Augen.

Schnell blinzelte ich sie weg.

Er konnte es nicht leiden, wenn Menschen weinten.

Schon früh wurde mir beigebracht, meine Tränen zurückzuhalten, und vor den Augen anderer schaffte ich das auch, aber wenn ich nachts allein in meinem Bett lag, liefen sie in Strömen über mein Gesicht und tränkten meine Kissen.

Ich hatte Horrorgeschichten darüber gehört, wie grausam und missbräuchlich die Santoros waren, ich hatte gehört, wie grausam er war, doch vielleicht waren es auch nichts weiter als ein paar schaurige Geschichten, um mich auf das schlimmste vorzubereiten.

Das hoffte ich, denn ein leises Knarren ertönte.

Ich hielt die Luft an und wartete, ich rührte mich nicht von der Stelle, meine Kehle schnürte sich zu.

Schwere Schritte kamen über den Flur näher. Je lauter sie wurden, desto größer wurde die Angst in mir.

Mein Herz pochte wild in meiner Brust, während ich jedem Geräusch in atemloser Anspannung lauschte.

Die Tür öffnete sich unaufhaltsam mit einem Quietschen und dann stand er da.

Der Raum war dunkel und ich konnte nur seine unheilvollen Umrisse erkennen, das war allerdings genug, um mein Märchen endgültig zerfallen zu lassen.

The Mancini CurseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt