Es ist mal wieder Länderspiel-Pause. Ich war in den ersten angekommen, da unser Treffpunkt in Frankfurt war. Vor ein paar Monaten wäre ich noch mit Merle zusammen gekommen, aber jetzt wohnt sie ja in Wolfsburg. Irgendwie fehlt sie mir mehr als es sollte, Lina, zum Beispiel, fehlt mir nicht so.
Ich bin wie immer mit meiner Kamera unterwegs und versuche, Momente zu behalten, die ich nicht vergessen will, auch wie immer. Bei der EM waren wir uns alle so nah gekommen, dass ich jetzt nicht weiß, wessen Wiedersehen wichtiger war. Da sind die Bayern-Girls! Ich springe förmlich in Klaras und Syds Armen. Sie lachen, alle sind fröhlich. Clic, das wird ein schönes Foto. Ein anderes Auto kommt an. Ich habe gerade meine Kamera vor'm Auge und drehe mich so schnell wie möglich um. Und... Ja, da ist sie. Merle. Ich drücke auf den Knopf, als sie sich auch zu mir dreht und mich anlächelt. Scheiße, ich bin sowas von fertig. Ich bewege mich ein paar Sekunden lang nicht vom Fleck, bis jemand eine Hand auf meine Schulter legt.
- Du sabberst, sagt mir Obi, die auch gerade erst angekommen ist.
- Ganicht!
- Klar. Das glaubst du doch selbst nicht.
- Sie ist doch nur 'ne Freundin.
- Also weißt du, wem ich meine ?
Ich werde knallrot, als ich merke, dass sie mich reingelegt hat.
- Ich hasse dich.
- Sag keinen Mist, das tut keinen!
Ich muss lachen. Da kommen drei andere Wolfsburgerinnen auf uns zu, Alex, Jule und Merle. Ich umarme die zwei ersten kurz und dann stehe ich vor unserer Nummer 1 und weiß auf einmal nicht mehr, was ich machen soll. Ihr scheint es genauso zu gehen, bis wir uns auch umarmen. Sie zieht mich eng an sich und ich wünsche mir, dass alles um uns verschwindet. Es fühlt sich an, als wäre sie nie gegangen.
Fünf Monate früher
Wie jeden zweiten Donnerstag war Merle nach dem Training zu mir nach Hause gekommen. Wir kochten zusammen. Es war so 'ne kleine Tradition, seit einem Jahr jetzt. Wir sitzen auf der Kautsch und schauen irgendein Spiel von Barcelona und essen selbstgemachte Lasagne. Naja, sitzen ist ein großes Wort, der Kopf der hübschen Torhüterin liegt auf meinen Beinen. Ich strich ihr eine Strähne aus der Stirn. Und ich kann sehen, dass sie leicht lächelt, und ich spüre, wie es in meinen Bauch kribbelt.
Irgendwann gähnt sie und sieht zu mir hoch.
- Ich gehe dann mal, wir haben morgen Training.
- Ja, klar, ich gehe auch gleich schlafen. Soll ich dich noch bis nach Hause begleiten ?
- Ach was! Wir sind ja quasi Nachbarin! Die vierhundert Meter schaffe ich auch alleine.
Sie lacht und wir stehen auf. Das Spiel auf meinem Computer folgen wir seit einer kleinen Weile nicht mehr, und ich bin fast überrascht, als ich sehe, dass es schon fünf zu null steht. Für wen muss ich wohl nicht klarstellen.
Ich gehe mit Merle bis zur Tür.
- Danke für alle, sagt sie und zögert leicht, als sie raus geht.
- Immer wieder gerne!
Sie kommt mir näher und nimmt mich in den Arm.
Ich teile mir mit Lina ein Zimmer, was mir passt, ich bin ja ihr größter Fan! Als wir endlich das Licht ausmachen, bin ich auf einmal hellwach. Ich muss mich andauernd umdrehen, weil ich keine passende Position finde. Alles dreht sich in meinen Kopf, das Wiedersehen mit dem ganzen Team, Obis Worte, und natürlich, Merles Gesicht.