6 : Beste Freundinnen

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Als ich sie das erste Mal sehe, ist sie fünfzehn und ich sechzehn. Wir sind beide im Kader der U17 nominiert. Ich weiß, dass wir ab nächster Saison zusammen in Frankfurt spielen werden. In der U17 Mannschaft ist sie schon ein Star, irgendwie. Ich finde sie sofort unglaublich, sie ist gut und beliebt. Ich sehe nur sie. Wir werden am ersten Tag schon Freunde, es passt irgendwie, wir wissen, dass wir uns gut verstehen werden.
Wir fangen an zu reden einen Freitag Abend. Ich teile mir ein Zimmer mit irgendeinem Mädchen, Alicia heißt sie, glaube ich. Ist auch egal, sie wird danach nicht mehr in U-Mannschaften eingeladen. An diesem Tag ging es ihr nicht gut, unsere Trainerin wollte nicht, dass ich mich anstecke, also muss ich in ein anderes Zimmer. Wir sind eine ungerade Zahl, eine Person schläft alleine, ich soll zu ihr umziehen. Also komme ich da rein, Dzeni sitzt auf dem Bett und liest irgendein Buch über Fußball. Ich wusste nicht, dass ich zu ihr ziehe.
- Hi, ich bin...
- Svenja, ich weiß! Ich bin Dzsenifer.
- Das weiß ich auch.
Sie hat so einen niedlichen Accent.
- Du kannst mich aber Dzseni nennen. Oder Maro. Ich habe die linke Seite genommen, ich hoffe es ist ok für dich!
- Klar.
- Cool.
- Du spielst richtig gut, platzt es aus mir heraus.
- Hem... du auch!
- Ne, echt, du bist echt krass.
- Danke! Ich war anfangs echt gestresst. Es ist mein erster U17 Lehrgang, da hatte ich schon Angst, nicht gut genug zu sein...
- Na da musst du dir keine Sorgen machen!
- Da bin ich ja beruhigt. Du schießt übrigens krasse Flanken!

Als wir beide in Frankfurt spielen, werden wir schnell unzertrennlich, man sieht uns nur noch im Doppelpack, das sagen auf jeden Fall unsere Mitspielerinnen. Wir können uns alles erzählen, sie ist für mich da, als meine Oma stirbt, ich bin die, die sie tröstet, als sich ihr erster Freund von ihr trennt, sogar wenn ich insgeheim ziemlich froh bin.

Sie ist siebzehn, ich bin achtzehn und wir genießen unser Leben soviel wie möglich. Wir sprechen nicht von irgendwelchen Jungs oder Mädchen, wir reichen uns. Si weiß, dass ich lesbisch bin, ich habe es ihr eine Nacht gesagt, als wir mal wieder zu lange geredet haben.
- Du, Maro, ich muss dir da was sagen.
- Mm, ich höre dir zu.
Ich lache, sie ist auf einmal so seriös.
- Ich bin lesbisch.
Es ist eine Weile still.
- Ist gut so, sagt sie schließlich. Dann können wir uns nicht um irgendeinen Junge streiten!
So kann man es auch sehen.

Das erste Mal, dass wir uns küssen, sind wir beide betrunken. Wir sind bei 'ne Party von ein von Maros Freunden. Ich kenne nicht so viele Menschen, also bleibt sie bei mir. Wir haben Spaß, es ist alles normal, bis wir auf einmal rum knutschen. Und ich genieße es.
Am nächsten Tag ist alles wieder normal. Wir reden nicht drüber, was vielleicht auch besser ist. Aber dann passiert es wieder. Oft, wenn wir ein bisschen zu viel auf Partys trinken, küssen wir uns, es geht nie weiter, aber auch so merke ich, dass sich was verändert. Ich verliebe mich immer mehr in sie, was eigentlich eine Katastrophe ist, aber auf den Moment ist es mir egal.

Das erste Mal, dass ich eifersüchtig bin, sind wir mit Freunden unterwegs. Wir machen eine Wanderung und ich laufe hinter Maro und Till. Ich spreche mit Tabea, die auch mitgekommen ist, sie erzählt mir was von Bergen und einen Schaf, den sie kaufen will. Till muss irgendwas lustiges sagen, denn Dzseni lacht. Ich spüre einen Stich ins Herz, als ich sehe, wie sie ihm anzieht.

Das erste Mal, dass ich wegen ihr weine, sind wir bei Poppis Geburtstagsfeier. Dzseni war erst bei mir, sie hat schon ein paar Gläser getrunken, und jetzt tanzt sie mit irgendeinem Typen. Ich habe eine kleine Verletzung, weswegen ich Schmerztabletten nehmen muss und nicht trinken darf. Also sitze ich da und schaue zu meine beste Freundin die mit jemandem tanzt, der nicht ich bin. Normalerweise tanzt sie so nur mit mir.
- Hi Sveni! Alles in Ordnung?
Es ist Tabea.
- Ja, klar. Und bei dir? Bist du nicht mit Lia gekommen?
- Eigentlich schon, sie redet gerade mit Marina. Warst du nicht mit Maro?
- Sie ist da.
Ich zeige auf Dzseni und erst jetzt merke ich, dass der Typ eine Hand an ihre Taille hat und sie küsst. Ich schaue schnell weg.
- Sicher, dass alles in Ordnung ist?
Ich nicke unsicher.
- Komm mal mit.
Tabea zieht mich mit sich raus, an die frische Luft. Wir gehen ganz hinten im Garten, um sicher zu gehen, dass uns keine sieht. Erst da, merke ich, dass ich weine. Meine Freundin gibt mir einen Taschentuch.
- Danke.
- Du bist in Maro verliebt.
Es ist keine Frage, aber ich nicke trotzdem.
- Ach Sveni...
Tabea nimmt mich in den Arm und ich muss nur noch mehr weinen.
- Das... Das wollte ich doch nicht, schluchze ich. Es ist alles so scheiße Tabi... warum musste ich mich ausgerechnet in sie verlieben?
- Du kannst doch nichts für deine Gefühle.
- Was, wenn sie es rausfindet? Oder schlimmer, was, wenn sie es schon weiß?
- Das wird schon. Vielleicht magt sie dich ja auch.
- Das ist nicht komisch! Du hast sie doch gesehen, außerdem ist sie komplett hetero.
- Na, du kennst ja meine Theorie, dass niemanden hetero ist. Und das da eben kann man auch durch Alkohol erklären.
Ich werde Knallrot, was Tabi merkt. Sie hebt die Augenbrauen.
- Wir haben uns schon geküsst.
- Wer?
- Maro und ich.
- Was? Wann? Wie oft?
- Oft. Letztes Mal war es vor zwei Wochen oder so, nach dem Spiel gegen Bremen.
- Und du sagst, dass sie hetero ist?
- Ich weiß doch auch nicht.
- Ich war doch da, vor zwei Wochen. Ich bin spät angekommen.
- Ich weiß nicht mehr, ich hatte echt zu viel getrunken...
- Als ich angekommen bin, da war Dzenni noch nüchtern. Sie hat eigentlich an diesem Abend nicht getrunken.
- Du brauchst mir keine Hoffnung machen. Ich schaffe das irgendwie schon.
- Vielleicht versucht du erstmal, sie nicht mehr zu küssen?
Ich zucke mit den Schultern.

Das erste Mal, dass ich Maro nein sage, kommen wir gerade in unserem Zimmer zurück nach einen Auswärts Spiel. Sie beugt sich auf mich, sofort als die Tür geschlossen ist, und ich denke kurz daran, sie tun zu lassen, aber dann erinnere ich mich an Tabis Wort. Ich stoße Dzseni von mir weg. Sie sieht überrascht aus.
- Ist was? fragt sie.
Ich schüttele den Kopf.
- Hast du wem?
Ich schlucke schwer.
- Ich kann das einfach nicht mehr. Und du hast getrunken.
- Du auch.
Wir ziehen uns um, ohne ein Wort zu sagen. Ich lege mich auf der rechten Seite, wie immer, und erwarte, dass Maro sich so weit wie möglich von mir hinlegt, stattdessen rückt sie mir ganz nah und legt ein Arm um mein Bauch.

Ein paar Wochen später teilen wir uns wieder ein Zimmer bei der Natio. Ich kann nicht schlafen, Maro anscheinend auch nicht. Irgendwann liegen wir uns gegenüber, sie schaut mich an und ich werde rot. Zum Glück ist es dunkel.
- Wie heißt sie? fragt sie leise.
Ich verstehe nicht sofort, was sie damit sagen will.
- Ist es Tabea?
- Da ist niemandem. Und bei dir?
- Auch nicht. Nur dich.
Ich muss schlucken. Maro gähnt.
- Und du bist dir sicher? Warum wolltest du mich dann nicht küssen? Es war sonst doch nie ein Problem.
- Ich will dich küssen. Und genau das ist das Problem.
- Warum?
- Weil du meine beste Freundin bist? Weil du hetero bist? Ich kann dir tausend Gründe geben.
- Wie du willst.

Wir sprechen nicht mehr über dieser Unterhaltung, vielleicht hat sie es auch vergessen, es wäre wahrscheinlich besser. Wir sind immer noch beste Freundin, machen alles zusammen, sagen uns alles, naja, außer, dass ich Gefühle für sie habe. Wir teilen uns eine WG seit wir in Frankfurt sind und gehen ein Mal im Monat zusammen aus.
Es ist Abend, wir hatten gerade Training und wir sind mit den anderen Mädchen in der Umkleide.
- Ihr seid eigentlich wir ein altes Paar, lacht Sofia.
Ich werde blaß.
Maro ist rot geworden.
- Hey Sveni, atmen! Es war ein Witz!

An diesem Abend kann ich nicht schlafen, also gehe ich im Salon, auf der Couch.
- Du bist ja auch noch wach.
Maro setzt sich neben mir.
- Ich muss andauernd an Sofias Worte denken, gebe ich zu.
- Ist es so schlimm, dass sie das denkt?
Ich schaue Dzseni verwundert an.
- Ich meine, sie hat ja recht. Wir machen alles zusammen, teilen uns eine Wohnung...
- Wie meinst du das?
- Man, was ich versuche zu sagen, ist, glaubst du nicht, dass wir uns wie ein Paar verhalten?
Ich zucke mit den Schultern.
- Du hast doch vor ein paar Wochen gesagt, dass du mich gerne küssen würdest. Mach es doch, wenn du es noch willst.
Ich suche ein Schimmer Unsicherheit in Maros Blick, finde aber kein. Also lege ich meine Lippen auf ihre. Wir haben uns schon hundert Mal geküsst, aber dieses Mal ist es anders, es ist... Real.
- Ist ja noch besser, als wenn wir getrunken haben!
Ich muss lachen und Dzseni streichelt mir die Wange, ganz zart, bevor sie sich auf meine Lippen stürzt, überhaupt nicht mehr zart.
- Ich will dich zu einem Date einladen, murmelt sie gegen meine Lippen.
- Cool.
Dieses mal muss sie lachen.
- Warum haben wir so viel Zeit gebraucht?
- Keine Ahnung! Da müssen wir wohl diese Zeit überholen!
- Weißt du wie?
- Ich hätte da eine Idee, lacht sie und küsst mich wieder.

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