15 : Wir

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Aitana und Ona kannten sich schon ihr ganzes Leben lang. Sie waren zusammen turbulente Kinder geworden, ihre Eltern hatten sie also zum Fußball geschickt, und da hatten sie nie aufgehört. Dann waren sie Teenager geworden, hatten ihre erste Liebesgeschichte, erste große Fußballspiele, erste Liebeskummer, und so weiter und so fort. Um sie verhänderte sich alles, außer sie, sie waren immer noch Ona und Aitana, die zwei wilden Spanierinnen. Zwei beste Freundinnen, und noch mehr.

Es war ein Sonntagnachmittag. Sie waren am Strand, nur sie beide, mit eine Picknick Decke, Kuchen und Apfelsaft. Ona trug ihr lieblings Kleid und Aitana ein blaues Bikini. Ona wusste, dass viele Jungs, und auch ein paar Mädchen, zu ihr schauten. Sie waren jung, muskulös und hübsch. Wenn es nur von ihr abhing, würde sie jetzt alleine an diesen Strand mit Aitana sein, die einzige sein, die ihre beste Freundin anschauen konnte. 
- Was stört dich, Ona?
- Wie kannst du wissen, dass mich was stört? Du hast die Augen geschlossen. 
- Ich weiß es.
- Zu viele Leute schauen zu dir.
- Und? Bist du eifersüchtig?
Ona schwieg. 
- Du bist die einzige, für die ich Augen habe. 
Aitana richtet sich auf, als sie diese Worte ausspricht, und Ona fühlt sich geehrt. 
- Cool. Mir geht es nämlich genauso, sagt sie.
Aitana beugt sich vor und küsst sie federleicht. Sie sind achtzehn, und es ist wie in einem Film. Sie sind zwei bildhübsche Mädchen, Braungebrannt von der spanischen Sonne, am Strand und verliebt. 

Danach geht alles sehr schnell. Ona geht aus Barcelona weg, bleibt aber in Spanien. Sie sehen sich so oft wie möglich. Sie führen offiziell keine Beziehung oder so, es ist aber fast das gleiche. Sie haben nie Worte drauf getan. Einmal fragt Onas Bruder ihr, ob es eine offene Beziehung sei. Ona schüttelt den Kopf. Sie schläft nicht mit anderen Frauen oder Männer, nicht mal küssen, sie braucht es nicht, sie braucht nur zu wissen, dass sie immer zu Aitana gehen kann, wann auch immer, ihre Tür wird ihr offen sein. Sie weiß nicht, ob Tana mit anderen Leuten schläft, vielleicht will sie es gar nicht wissen. 
Ona weint, als sie verletzt ist und sie nicht zur Natio kann. Die Spiele und das Camp sind ihr egal, aber Tana nicht. Sie weint, als sie sieht, dass Tana mit einem Mädchen an ihrem Strand war. 
Ona ist glücklich, als sie sich wiedersehen. Tana wartet am Bahnhof auf sie. Sie gehen Hand in Hand zurück zu Aitana, und sie lächeln beide wie verliebte Teenager. Ona ist glücklich, als Aitana sie zum Essen einlädt. Sie gehen zusammen Sushi essen, aber Ona schaut nur wenig auf ihr Teller. 

Und dann geht alles kaputt. 
Ona kriegt ein Angebot von Manchester United, und sie nimmt es an. Sie will weg. Weg von Spanien, ihrem Klub, wo sie nicht genug spielt, weg von Tana, die sie immer weniger anruft. 
Sie klingelt an Aitanas Tür. 
- Ona! Was machst du denn hier? Hast du kein Training? Was quatsche ich hier rum, komm rein!
Aitana will sie schon küssen, aber Ona drückt sie von sich. 
- Sorry, ich... ich muss dir erst was sagen.
- Du machst mir Angst! Was ist los? Es kann doch nicht so schlimm sein, solange wir uns noch haben! Du gehst ja nicht weg!
Ona antwortet nicht, Aitana wird blass. Ihre Augen sind voller Tränen. Sie weiß, was es heißt, will es aber nicht glauben. Das kann nicht sein. Nicht sie. Nicht Ona. 
- Ich gehe nach England. 
- Warum?
Aitana weiß nicht, warum sie das als Erstes fragt. Sie hätte fragen können "wann" oder "wo". 
- Ich brauche mehr Spielzeit, wenn ich mich weiterentwickeln will. Ich will finden, wer ich bin. Und dafür muss ich weg. Es tut mir leid. 
- Und... und wir?
- Gibt es überhaupt ein "wir" ?
Aitana muss erstmal nachdenken, was sie darauf antwortet, sie will sagen: "Natürlich gibt es ein Wir, das gab es schon immer, ich weiß nicht, wer ich bin, wenn du nicht mehr da bist! Ich brauche dich, ich liebe dich!" Sie sagt es aber nicht, sie schweigt und alles geht kaputt. Ona sieht verletzt aus. 
- Es tut mir leid. Ich liebe dich. Wir sehen uns.
Ona drückt einen Kuss auf Aitanas Stirn und geht.

Als sie noch mit Ona "zusammen" war, hatte Aitana tatsächlich mit zwei drei Leuten geschlafen. Warum? Sie wusste es auch nicht. Sie dachte immer, Ona hätte es auch getan, Alexia hätte ihr aber versichert, dass das nicht der Fall war. Als Ona weg war, wollte sie niemanden mehr sehen, geschweige denn küssen. Sie wollte, dass die kleine Spanierin zurückkam. Sie wollte ihr schreiben, sie anrufen, tat es aber nicht. Dafür schaute sie alle Manchester United Spiele, die sie schauen konnte.

Das erste Jahr in Manchester war toll. Das zweite, kompliziert. Das dritte und letzte tat weh. Ona sah Aitana an die Natio-Zeiten, und jedes Mal merkte sie, wie verliebt sie noch in sie war.
Ona will nach Hause. Sie will zurück nach Spanien, nach Barcelona, wo die Sonne scheint. Si will zurück zu Tana. Weil jetzt weiß sie, wer sie ist, irgendwie. 

Ende der Saison in Barcelona. Aitana Bonmati müsste glücklich sein, sie haben vor zwei Tagen die UWCL gewonnen. Aber sie hat gerade ein Foto auf Onas Instagram-Account gesehen und musste gleich anfangen zu weinen. Weil sie sie so vermisst. Weil sie so feige war, vor fast drei Jahren. 
Sie ist gerade dabei, die letzten Tränen abzuwischen, als es an die Tür klingelt. Es ist bestimmt Mapi, die nochmal vergessen hat, wann sie morgen zu Marta eingeladen sind. Also geht Aitana zur Tür, macht auf und bleibt brutal stehen. Vor ihr, in der heißen Sonne von Barcelona, steht Ona Battle, immer noch so hübsch wie vor drei Jahren, ihre Wangen voller Sommersprossen. Aitana muss kurz schlucken. Sie atmet tief durch, um nicht in Onas Arme zu fallen und sie zu küssen. Das wäre nicht fair. 
- Hola, sagt Ona unsicher. Darf ich rein?
- Klar.
Aitanas Wohnung ist immer noch genauso wie in Onas Erinnerungen. Es ist schwer, nicht daran zu denken, was sie hier alles schon gemacht haben. 
- Wie geht es dir? Ich dachte nicht, dass ich dich noch vor der WM sehe...
- Mir geht es... gut. Passabel, sagen wir mal. Und dir?
- Auch so.
Es ist eine Weile still. Aitana will sie spüren, sie will, dass alles wie vor drei Jahren ist. Nein, dass es mehr als vor drei Jahren ist. 
- Was machst du hier? 
- Ich wollte es dir selber sagen, weil es irgendwie nicht fair wäre, wenn du es durch Social Media siehst... 
Ona spricht schnell und sie sucht ihre Worte, also kommt Aitana näher und legt ihr eine Hand auf den Arm. 
- Danke.
- Was musst du mir sagen?
- Barcelona hat mir einen Vertrag angeboten. Ich habe vor zwei Stunden unterschrieben. Ich komme zurück. Nach Hause. Und ich will dich wieder in meinem Leben. Ich will, dass wir wieder Freunde sind. 
- Ich aber nicht. 
Ona wird blass. Sie atmet schwer und Aitana weiß sofort, dass sie es schlecht verstanden hat. 
- Ich kann nicht mit dir befreundet sein. Ich liebe dich viel zu sehr dafür. 
- Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. 
- Ich liebe dich.
Es platzt fast aus Aitana heraus. Es fühlt sich so befreiend an. 
- Und ich habe seit drei Jahren niemanden gedatet, weil ich wusste, dass es nicht klappen würde. Ich wollte nur dich.
Ona sieht in Aitanas Augen, dann auf ihre Lippen, und wieder in ihre Augen. Bis sie sich endlich nach vorne beugt, und sie in einen leidenschaftlichen Kuss zieht. Und es fühlt sich so normal an. 

Mitten in der Nacht sind die beiden Frauen noch wach. Sie liegen aneinander geschmiegt in Aitanas Bett. Oft beugt sich Ona über sie, um ihr einen Kuss zu geben, auf die Stirn, die Wange oder den Mund. 
Und auf einmal dreht sich die Welt wieder normal. 

Am nächsten Tag beschließen die beiden am Strand zu fahren. Unser erstes Date. Hatte Aitana gemeint. Ona hatte gelacht und gesagt, dass sie schon mehrere Dates hatten. Aitana hatte nicht geantwortet und sie einfach aus dem Haus gezogen.
Und nun laufen sie den Strad entlang, ein Eis in eine Hand, die andere miteinander verschränkt.
- Glaubst du, wir könnten es versuchen? Wir beide?
- Bist du jetzt unsicher? Willst du das nicht?
- Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher. Ich will dich. Ich will uns, sagt Aitana mit eine gebrochene Stimme.
- Ich will uns auch.
Ona beugt sich auf Aitana und drückt ihre Lippen gegen die der kleineren Frau.

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