„Hey Philipp", sagte Louis und streichelte über den kalten Grabstein. Er legte die frischen Blumen ab und zog seine Jacke aus, um sich auf sie zu setzen. „Entschuldige, dass ich die letzten Wochen so selten da war, aber du wirst es nicht glauben, ich habe jemanden kennengelernt. Ich hoffe, das ist okay für dich, aber vermutlich ist es das, denn er hat immerhin deine Augen. Und ich glaube, ich mag ihn. Sofern man das nach einem Monat beurteilen kann. Andererseits wusste ich es bei dir nach einer Nacht", erzählte Louis, wischte sich mit seinen Fingern die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht.
„Er spielt bei Manchester. Wie verrückt ist das bitte? Ich frage mich ernsthaft, was er von mir will. Aber du würdest ihn mögen, denn er passt schon jetzt auf mich auf, so wie du es immer getan hast. Hast du ihn mir geschickt? Weil du immer noch auf mich aufpasst? Oh Gott, Philipp, ich vermisse dich so sehr. Kannst du bitte einfach zurückkommen? Bitte?", fragte Louis und atmete mehrfach tief durch. „Harry verdient eine Chance, er gibt sich wirklich Mühe und du kommst offensichtlich nicht zu mir zurück. Harry hat bei unserem dritten Date das halbe McDonald's leergekauft, nur damit ich etwas esse", sagte Louis schon nahezu stolz, denn so verrückt wäre nicht einmal Philipp gewesen.
Er erzählte Philipp in jeder Einzelheit von dem Freundschaftsspiel gegen die Junioren, bevor er sich mit Tränen in den Augen verabschiedete und den Friedhof verließ. Louis griff auf dem Weg zur Schule in seine Tasche, in welcher sich von Harry geschmierte, in Butterbrotpapier verpackte Brote befanden. Sie trafen sich in den letzten vier Wochen jeden Morgen auf einen gemeinsamen Kaffee. Er muss sie ihm in die Tasche gesteckt haben, als er auf Toilette war. Die kleine Notiz auf den Broten brachte Louis zum Lachen.
‚Nicht wegschmeißen und nicht verschenken.
Wirklich nicht. :-)
Ich freue mich auf heute Abend.'
Louis wurde augenblicklich nervös, als er an den heutigen Abend dachte. Sein Sohn würde mit Harry, einem Profifußballer an seiner Seite auf das Spielfeld laufen. Ein Traum, den Timothee schon sein halbes Leben hat und Louis platzte beinahe vor Stolz. Sein Sohn in der Champions League. Zumindest indirekt. Doch nicht nur das. Harry würde im Anschluss zum ersten Mal bei Louis übernachten. Sie verzichteten bislang darauf, da Louis sich noch immer etwas unwohl fühlte und Harry sehr darauf bedacht war, dass sie nichts überstürzten. Es wurde von Tag zu Tag schwerer, sich von Harry zu verabschieden. Doch mit jedem Tag, den sie warteten, stieg in Louis die Angst, er könnte etwas falsch machen.
Als Louis gestern auf die Waage stieg und ganze fünf Kilo zugenommen hatte, war er schon beinahe vollständig zufrieden. Er hatte viel Sport gemacht in den letzten Wochen und zudem auch immer mehr gegessen. Es war noch nicht perfekt, doch es ging bergauf. Harry war unglaublich stolz auf Louis.
Seit zwei Wochen arbeitete er wieder als Sportlehrer in der Sportschule und auch das Training übernahm er nun wieder regelmäßig. Louis würde fast behaupten, dass sein Leben gut lief, doch immer wenn er das dachte, plagte ihn das schlechte Gewissen. Er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt verdient hatte glücklich zu sein, denn Philipp konnte es schließlich nicht mehr sein und er hätte es definitiv verdient gehabt.
Louis letzte Stunde endete. Er packte aufgeregt seine Sachen und lief zum Fahrzeug. Als er in seiner Tasche nach dem Fahrzeugschlüssel griff, fühlte er die von Harry geschmierten Brote. Er zog sie aus der Tasche und sah sie für einen Moment an, bevor er sie auf dem Weg zum Fahrzeug im Mülleimer entsorgte.
Er fuhr zur Schule seiner Kinder, sammelte sie ein und legte zuhause einen kurzen Zwischenstopp ein. „Timmy, zieh dir gleich dein Trainingsanzug an und Tess, du packst bitte noch ein Wechselshirt für deine Übernachtung bei Lottie ein. Ich wusste nicht, welches du wolltest", sagte Louis und schaffte sich durch die Beschäftigung der Kinder etwas Freizeit. Er verschwand im Badezimmer und zog sich vor dem Spiegel vollständig aus.
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Through the Dark | L.S.
FanfictionDas plötzliche Ableben seines Ehemannes machte Louis zum alleinerziehenden Vater ihrer beiden Adoptivkinder. Für Außenstehende scheint er sich gut zu schlagen, doch die Dunkelheit und die Einsamkeit holen ihn jede Nacht aufs Neue ein. Auf der Suche...