Kapitel 15 - Es geht bergauf

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„Bitte versuch dich zu konzentrieren. Wir müssen das klären, solange ich noch fit im Kopf bin", sagte Philipp erneut, doch Louis konnte sich nicht konzentrieren. Seitdem er erfahren hat, dass sein Mann sterben würde, brach die Welt jeden Tag ein Stück mehr über ihm zusammen. Jeder Handgriff, jede noch so kleine Erledigung ließ ihn innerlich zusammenbrechen, da Philipp währenddessen künftig nicht mehr an seiner Seite sein würde. „Lou, bitte. Was ist mit dem angesparten Geld? Soll ich es auf das Sparkonto für die Kinder übertragen oder an dich auszahlen lassen?", fragte er. „An die Kinder", schluchzte er, umgriff Philipp's Körper so fest, als würde er dadurch länger bei ihm bleiben. Louis hoffte es so sehr.

Philipp legte die Unterlagen beiseite und schloss die Arme um Louis, der die letzten drei Tage ohne Unterbrechung weinte. „Die Kinder kommen gleich nach Hause", sagte Philipp ruhig. Louis sprang auf. „Nein. Nein. Nein. Nein", wiederholte Louis unzählige Male. „Wir müssen es ihnen erzählen", sagte Philipp. „Ich werde unseren Kindern nicht erzählen, dass ihr Vater sterben wird. Unter absolut keinen Umständen. Nein", sagte Louis aufgebracht. „Dann tu ich es, aber ich möchte, dass du dabei bist", sagte er. Louis reagierte nicht, setzte sich auf den Schoß seines Mannes und umgriff ihn erneut so fest es nur ging.

Lottie stand mit geschwollenen Augen im Wohnzimmer, als sie die Kinder vorbeibrachte. „Lott's, bitte. Nicht", sagte Louis, als er auf sie zulief, um seine Kinder in Empfang zu nehmen. Louis hatte sie angerufen, als er es erfahren hat. Er wäre nicht in der Lage gewesen, auf die Kinder aufzupassen und Philipp war es ebenso wenig, denn der musste schon auf Louis aufpassen. „Kommt ihr kurz mit auf die Couch? Wir müssen mit euch über etwas reden", sagte Philipp ernst und erzählte ihnen kurz darauf von der Krankheit.

Es war für Louis nicht das erste Familienmitglied, das er verlor, weshalb ihre beiden Kinder in der Vergangenheit bereits in Berührung mit dem Tod gekommen sind. Doch ein derartiger Verlust riss ihnen ebenso den Boden unter den Füßen weg. Stundenlang lagen sie als Menschenknäuel weinend mit ineinander verschlungenen Armen, bis Philipp die Stimmung zu retten versuchte, indem er einen Ausflug nach Disneyland vorschlug. Er wollte seine noch verbleibende Zeit mit seiner Familie verbringen. Louis nickte, wusste aber, dass er alles an diesem Ausflug hassen würde, da es vermutlich der letzte sein würde.

Als sie am selben Abend erschöpft ins Bett fielen, kuschelte sich Philipp an Louis, schlängelte sich zwischen seine Beine und grinste ihn mit aufeinander gepressten Lippen an. „Was? Nein. Philipp. Auf keinen Fall", sagte Louis mit weit aufgerissenen Augen. „Louis, Krebs ist nicht ansteckend. Willst du mich jetzt nicht mehr anfassen? Ich würde gern die Zeit mit dir genießen, solange es noch geht", sagte Philipp. Louis, der noch immer völlig erschrocken zu ihm sah, nickte etwas zögerlich. Philipp bekam seinen Willen. Das bekam er immer, denn Louis konnte ihm nicht widerstehen. Das wusste er. Doch Louis konnte es nicht genießen, er war zu sehr mit Tränenausbrüchen beschäftigt, sodass sie es schlussendlich doch abbrachen.

***

„Ich habe Frühstück gemacht", sagte Harry und gab Louis einen Kuss auf die Stirn. „Ich muss ins Krankenhaus", sagte Louis. „Du musst etwas essen und dann fahren wir ins Krankenhaus", sagte Harry. „Darf ich widersprechen?", fragte Louis, doch Harry schüttelte den Kopf und lächelte ihn sanft an. „Keine Chance", sagte er und reichte Louis das Tablet mit den unterschiedlichsten Dingen von Frenchtoast, über Spiegelei, bis hin zum Obstsalat. „Warum bist du so?", fragte Louis irritiert. „Wie ‚so'?", fragte Harry. „So lieb, so aufmerksam, so unglaublich toll?", fragte Louis weiter.

Harry presste seine Lippen auf die von Louis. „Mir war gerade danach. Für deine Tochter steht eine Kinderportion in der Küche, aber sie scheint noch zu schlafen", sagte er. Louis stellte das Tablett auf den Boden und richtete sich auf, griff nach Harry's Handgelenk und zog ihn zurück ins Bett. „Danke, Hazza", sagte Louis. „Hazza?", fragte er. „Ich hab nach Spitznamen für deinen Namen gegoogelt. Klang schöner als Harold", sagte Louis sanft lächelnd. „Ich heiße nicht Harold", sagte Harry. „Ernsthaft? Du heißt Harry?", fragte Louis. „Nur Harry", sagte dieser. „Okay, Haz", sagte Louis und zog Harry's Körper nah an sich und verband ihre Lippen miteinander.

„Wo ist mein Papa?", fragte Theresa, nachdem sie  wenige Minuten später das Gästezimmer betrat und Harry allein im Bett vorfand. Harry ignorierte die Frage. „In der Küche steht Frühstück für dich, vielleicht fängst du schon an und dein Papa schließt sich gleich an", schlug Harry vor. Theresa nickte, verließ das Gästezimmer und schloss die Tür. Harry hob die Bettdecke an und sah panisch in Louis' vermeintlich unschuldiges Gesicht, wie dieser gerade in schildkrötenartiger Geschwindigkeit seine gesamte Länge in sich aufnahm. „Du bist unmöglich", sagte Harry lachend, gefolgt von einem unterdrückten Stöhnen und seinem Höhepunkt in Louis' Mund.

Louis wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Guten Morgen", sagte der Wuschelkopf. „Warum so gut drauf?", fragte Harry lächelnd und äußerst befriedigt. „Danke, dass du mich gestern aufgefangen hast", sagte Louis, krabbelte nach oben und kuschelte sich an Harry. „Du musst dich aber jetzt nicht jedes Mal mit einem Blow-Job bedanken. Du kannst natürlich, aber du musst nicht", sagte Harry mit einem Zwinkern und streichelte über Louis' Rücken. „Ich war gestern ziemlich scheiße drauf, weil's einfach zu viel war. Aber dank dir hab ich's irgendwie rausgeschafft", sagte Louis stolz. Harry nickte.

„Dann lass uns jetzt frühstücken. Ich muss gleich zum Training und ich wollte eigentlich vorher noch mit dir duschen", sagte Harry. „Mit mir duschen?", fragte Louis. Wieder nickte Harry, schloss seine Arme um Louis und spielte mit der Fingerkuppe seines Zeigefingers an Louis' Eingang. „Das hat mir die letzten zwei Jahre wirklich gefehlt", sagte Louis und krabbelte auf Harry's Körper, fuhr mit seinen Händen bis zum Bund seiner Boxershorts. „Erst gehen wir essen", sagte Harry. Louis verdrehte die Augen, folgte Harry jedoch notgedrungen mit dem Tablet in die Küche.

„Guten Morgen, Prinzessin", sagte Louis beim Betreten der Küche und gab seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn. „Papa, seit wann hast du keine Kleidung mehr?", fragte sie und musterte ihren lediglich in Boxershorts bekleideten Vater. „Das frag ich mich auch", sagte Harry grinsend. Louis fuhr sofort herum und sah ihn böse an, denn er hatte es zumindest geschafft, sich ein Shirt und eine Trainingshose anzuziehen. „Das zahl ich dir heim", flüsterte Louis. „Ich hoffe doch", flüsterte Harry und kniff unauffällig in Louis' Hintern. „Ich geh kurz duschen und dann fahren wir deinen Bruder besuchen", sagte Louis zu Theresa und war im Begriff, die Küche wieder zu verlassen. Harry zog ihn jedoch am Arm zurück. „Lou, dein Essen", sagte er etwas ernster. Louis atmete tief durch, nickte kurz und setzte sich vor das offensichtlich mit Liebe angerichtete Frühstück.

Sie duschten nicht zusammen. Louis war zu lange mit seinem Essen beschäftigt gewesen. Er stieg enttäuscht und unbefriedigt ins Fahrzeug. „Wenn du möchtest, kann ich heute Abend wieder vorbeikommen", bot Harry an, der die veränderte Stimmung bemerkte. „Bitte", sagte Louis und grinste die restliche Fahrt über. Er fühlte sich immer wohler in Harry's Gegenwart. Nachdem er einmal gemeinsam mit ihm eingeschlafen war, wollte er nicht mehr darauf verzichten. Harry's Berührungen auf Louis' Haut lösten eine Gänsehaut bei ihm aus. Louis genoss es.

Im Krankenhaus angekommen, baute Harry mit Louis' Sohn das Hogwarts Schloss aus Lego. Eigentlich sollte es ein Geschenk zu Ostern werden, aber da Timothee so tapfer war, hatte er es sich schon jetzt verdient gehabt. Louis beobachtete die beiden zufrieden. „So hast du lange nicht mehr geguckt", sagte Niall, der in diesem Moment das Zimmer kam. „Ich glaube, langsam geht es bergauf", sagte Louis, denn er hatte das Gefühl, dass es wirklich so wäre. „Ich freu mich für euch. Du hast es verdient, glücklich zu sein", sagte Niall. „Ich liebe dich, Ni. Bitte verzeih mir, dass ich viel zu oft viel zu beschissen zu dir war. Das hast du überhaupt nicht verdient", sagte Louis aufrichtig. „Schon okay, Lou. Dafür sind Freunde da. Manchmal dienen sie als Prellbock. Solange die Phase irgendwann ein Ende nimmt, bin ich nicht nachtragend", sagte Niall und legte den Arm um seinen besten Freund.

„So, ich würde deinen Papa ganz kurz entführen und mich dann verabschieden", sagte Harry, der nicht schon wieder zu spät zum Training kommen wollte. Sie verließen gemeinsam das Zimmer. Nachdem Harry sich versicherte, dass sie allein waren, presste er Louis mit seinem gesamten Körper gegen die Wand und küsste ihn fordernd. Er hielt Louis' Gesicht in seinen Händen, während Louis mit seinen eigenen Händen leicht unter Harry's Shirt fuhr.

Ein Räuspern, gefolgt von einem leisen Quietschen unterbrach die beiden. „Hi Lott's", sagte Louis, der sich augenblicklich von Harry löste. „Ihr steht genau vor der Tür. Hättet ihr euch nicht wenigstens einen Meter wegbewegen können?", fragte sie schmunzelnd. Die beiden lachten, was Harry's Grübchen hervorstechen ließ. Louis himmelte sie für einen Moment an. „Ich muss jetzt wirklich los, Lou", sagte Harry. „Bis heute Abend?", fragte Louis mit großen Augen. „Bis heute Abend", sagte Harry, gab ihm einen letzten Kuss und lief Richtung Ausgang.

Through the Dark | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt