Through the Dark | L.S.

Kapitel 21 - Der Brief

Der sechswöchige Klinikaufenthalt lag nun bereits zwei Wochen zurück. Louis ging es besser denn je, denn er hatte in den vergangenen zwei Monaten ganze sechs Kilogramm zugenommen und auch seine mentale Gesundheit hatte sich deutlich verbessert. Eines Tages war er allein zuhause, da Harry und sein Sohn jeweils im Trainingslager waren und seine Tochter bei seiner Schwester übernachtete. Anders als noch vor seinem Klinikaufenthalt, machte ihm die Zeit allein nichts aus. Er erledigte einige Kleinigkeiten im Haushalt und besuchte Philipp, bevor er sich auf das Sofa legte und einen Livestream zu einem von Harry's Testspielen sah.

Als auch das Spiel vorbei war und noch immer keine Schlafenszeit angebrochen war, lief Louis durch sein Haus und bleib vor Philipp's Büro stehen. Er hatte die Tür seit dem Tag seines Todes nicht mehr geöffnet. Zu groß war seine Angst, was das Betreten des Raumes bei ihm hätte auslösen können. Doch Louis ging es gut. Er dachte noch immer sehr oft an Philipp, doch es war keine tiefe Trauer mehr, sondern vielmehr eine Sehnsucht und eine Erinnerung an unglaublich tolle Jahre.

Er ging zurück ins Wohnzimmer, zog einen Schlüssel aus einem kleinen Geheimfach und ging zurück zur Bürotür. Seine Atmung wurde schwerer und sein Körper begann zu zittern, als er die Tür aufschloss und öffnete. Er blickte auf die an der Wand befindlichen Bilder. Auf jedem der Bilder war Louis zu sehen. Einige Selfies der beiden, unzählige Hochzeitsfotos und einige der professionell gefertigten Familienbilder. Louis musste etwas schmunzeln, denn Philipp übertrieb grundlegend bei der Zurschaustellung von gemeinsamen Fotos.

Er nahm das auf dem Schreibtisch aufgestellte Hochzeitsfotos und streichelte über das Bild. Louis liebte dieses Bild, denn es zeigte all das Glück, welches er in diesem Moment empfand. Louis dreht sich noch einmal im Kreis und begutachtete mit leicht wässrigen Augen jeden Zentimeter des Raumes, bis er auf der Rückseite der Bürotür einen Umschlag entdeckte, auf welchem ‚An die Liebe meines Lebens' stand.

„Nialler, ich... Ich... Da ist ein Brief", stammelte Louis am Telefon, nachdem er seinen besten Freund anrief. „Du bist im Büro? Lottie schuldet sie fünfzig Pfund", sagte er. „Was? Wovon redest du?", fragte Louis verwirrt. „Wirst du wissen, wenn du ihn gelesen hast. Melde dich bitte bei mir, wenn du fertig bist", sagte er und beendete das Gespräch. Mit zitternden Händen öffnete Louis den Umschlag und zog den Brief hervor.

‚Hey Sonnenschein,

ich nehme an, du hast gerade Niall angerufen. Sag ihm liebe Grüße, wenn du ihn nach diesem Brief nochmal anrufst.

Bevor es inhaltsreich wird, wollte ich dir nur kurz sagen, dass Lottie und ich eine Wette abgeschlossen haben. Sie hat mir ernsthaft weismachen wollen, du würdest die Zeit nach meinem Tod in meinem Büro verbringen. Ich habe ihr gesagt, du wirst es frühestens nach einem Jahr betreten. Lag ich richtig? Vermutlich. Dann schuldet Lottie dir fünfzig Pfund. Genau genommen schuldest sie mir fünfzig Pfund, aber wir wissen beide, dass ich tot bin, also nimm das Geld bitte stellvertretend für mich entgegen.

Mein Liebling, es war mir ein Bedürfnis, mich noch ein letztes Mal bei dir zu melden. Im Umschlag findest du ein paar Taschentücher, denn wir wissen beide, dass du nah am Wasser gebaut bist.

Ich danke dir von Herzen, dass dein Pegel damals so hoch war, dass du trotz der schlechten Sprüche mit mir ins Bett gegangen bist. Ich danke dir auch dafür, dass du eine Beziehung mit mir eingegangen bist, obwohl jedes Warnsignal dich davor hätte bewahren sollen. Du warst im Bezug auf mich scheinbar nicht clever genug. Oder du wusstest von Anfang an, dass das zwischen uns etwas Besonderes ist.

Louis, ich liebe dich mit jeder Faser meines Körpers. Du bist das Beste, was mir im Leben hätte passieren können. Dich zu heiraten war die schlauste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe, denn du warst mir immer der beste Freund und Ehemann. Es tut mir leid, dass ich gegangen bin und dich alleine gelassen habe. Ich bereue es von Herzen, nicht noch mehr Zeit mit dir gehabt zu haben, denn ich wollte noch so viel mehr mit dir erleben.'

Louis, dessen Tränen sein Gesicht allmählich überfluteten, wendete das Blatt.

‚Ich wende mich nicht grundlos an dich. Im
Gegenteil.

Bitte lass dich nicht fallen. Wir haben zwei fantastische Kinder und ich möchte nicht, dass sie dich leiden sehen. Ich möchte auch nicht, dass du deinen Kummer in Alkohol ertränkst oder wieder aufhörst zu essen, so wie du es damals getan hast, als deine Mutter starb.

Versprich mir bitte, dass du all diese Phasen überspringst oder sie überwindest, solltest du dich gerade in ihnen befinden. Baby, bitte. Unsere Kinder brauchen dich. Sie haben mich verloren, lass bitte nicht zu, dass sie auch dich verlieren.

Lou Bou, bitte lebe dein Leben weiter. Du bist zu jung, um mir dein Leben lang hinterher zu trauern. Ich weiß, dass du mich liebst. Das bestätigst du mir nicht darin, dass du nie wieder jemanden kennenlernst. Triff dich mit jemandem, der dich so behandelt, wie du es verdienst. Aber such dir bitte keine Kopie von mir. Lass ihn von mir aus grüne Augen haben, aber übertreib es nicht mit den Gemeinsamkeiten, sonst nennst du ihn beim Sex noch Philipp. Das könnte ein kleiner Downer sein.'

Louis begann zu lachen, während seine Tränen noch immer unaufhörlich durch sein Gesicht liefen. Er streichelte über den Brief und japste nach Luft. Eine dritte und letzte Seite befand sich im Umschlag und Louis griff danach.

‚Für deinen neuen Partner wird es vermutlich nicht optimal sein, wenn er sich ständig im Haus von dir und deinem toten Ehemann aufhält. Im Umschlag befindet sich eine Visitenkarte meiner Marklerin. Ruf sie bitte an, sie wird sich unkompliziert um die Vermietung des aktuellen Hauses und den Umzug in dein neues Haus kümmern. Ich habe es ein Jahr vor meinem Tod entworfen und mittlerweile dürfte der Bau abgeschlossen sein. Die Lebensversicherung war weise gewählt und beide Häuser sind abbezahlt.

Apropos Lebensversicherung. Du kaufst dir bitte kein eigenes McDonald's. Das ist eine schwachsinnige Idee und eine absolute Geldverschwendung. Nutz das Geld lieber für andere sinnlose Dinge, da stehen noch genug auf deiner Liste.

Mein Abschiedsgeschenk für dich liegt bei deiner Schwester. Vermutlich ist es eher ein Abschiedsgeschenk für unsere kleinen Bettwanzen, denn ihr fliegt endlich nach Orlando ins Disneyland. Ich habe vier Tickets in einer kleinen Schachtel bei ihr hinterlegt, falls du einen neuen Freund hast und ihn mitnehmen möchtest. Solltest du keinen haben, habe ich Niall allerdings schon versprochen, dass du ihn mitnimmst. Ein Dickpic ist auch dabei, weshalb ich ernsthaft hoffe, dass Lottie nicht nachgeschaut hat.

Louis, ich liebe dich. Von ganzen Herzen. Danke für die gemeinsamen Jahre und die wundervolle Zeit, die wir miteinander genießen konnten. Womit auch immer ich einen Engel wie dich verdient habe, ich danke dem Universum dafür.  Pass bitte auf dich auf.

Du bist für immer in meinem Herzen.

Ich liebe dich.

Dein Ehemann'

Er brauchte mehrere Minuten, bis er wieder durch seine tränengefüllten Augen sehen konnte. Mit zitternden Händen nahm er sein Handy und wählte erneut die Nummer seines besten Freundes. „Ich nehme an, du willst lieber Harry mitnehmen?", fragte er zur Begrüßung. „Du... Ihr...", stammelte Louis, ohne einen vollständigen Satz herauszubringen. „Ja, wir wussten davon. Lottie war damals etwas schockiert, als sie die Schachtel geöffnet hat", scherzte Niall. „Sie hat Philipp's Schwanz gesehen?", fragte Louis sowohl lachend, als auch weinend. Seine Emotionen waren so durcheinander, dass er nicht wusste, was er gerade fühlen sollte.

„Soll ich vorbeikommen? Wir gucken uns ein paar Bilder von Philipp an und fahren dann in dein neues Haus?", schlug Niall vor. Louis nickte. „Nickst du gerade?", fragte Niall. „Ja. Bitte, ja. Komm vorbei", bat Louis ihn und beendete das Gespräch.

„Ich liebe dich", sagte Louis und gab dem Umschlag einen Kuss und streichelte noch einmal das Hochzeitsfoto, bevor er das Büro wieder verschloss.