Kapitel 13

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𝕴m goldenen Schein der Morgensonne öffnete man mir die Tür zu einer Kammer, die durch das Lichtspiel filigraner Bleiglasfenster in warmen Farben leuchtete. Sanft fielen die Sonnenstrahlen über die kunstvoll gefertigten Möbel und Gemäuer, die mit kostbaren Wandteppichen bedeckt waren. Der Mittelpunkt dieser prächtigen Kammer war ein opulentes Himmelbett, eingehüllt wie in einem Kokon aus dem feinsten Samt und der teuersten Seide. Mit gesenktem Blick näherte ich mich der noch im Nachthemd gekleideten Tochter der Burgherrin.

»Stell es hier ab«, befahl sie mir und deutete mit ihrer Hand auf den kleinen Nachtisch neben ihrem Bett, den ein weißer Lilienstrauß schmückte. Sowie ich ihr das Frühstück neben das Bett stellte und mich verbeugen wollte, wanderte mein Blick hinaus zum Fenster, aus dem ich Alajos' Silhouette erkennen konnte. Auch er hatte gedankenverloren den Blick hoch zu den Mauern gerichtet. Und während mein Geist langsam in die verborgenen Tiefen meiner Gedanken eintauchte, rief ich unser Beisammensein am vergangenen Abend hervor.

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»Evièka, ebenso wie es István Magyari vor einigen Jahren versucht hatte, plane auch ich, die grófnő beim király und der Justiz anzuklagen. Doch das schaffe ich nicht allein. Wirst du mir dabei helfen?«

In meiner Brust breitete sich ein Gefühl aus, das ich weder dem Schmerz, der meinen Körper durchzog, noch der Trauer, die ihn in sich zu ertränken erhoffte, zuschreiben konnte. Es war, als würde ich mich in einem dichten Nebel aufhalten und weit in der Ferne ein gedämpftes Licht erblicken, auf das ich zulief, so, als sei es mir als letzter Hoffnungsschimmer in dieser dunklen Welt verblieben. Doch je weiter ich auf dieses Licht zulief, desto lauter wurde das bittere Klagen des Nebels, das mich immer weiter in sich hineinzog.

Alajos' Griff wurde fester. »Evièka, sieh mich an!«, forderte er. »Wie kannst du nach alledem zögern? Um Himmels Willen, sieh doch, was sie dir angetan hat! Sieh dir diese Laken an!«

Für einen kurzen Moment war es, als hätte ich János' Augen in denen von Alajos widergespiegelt gesehen. Wie ähnlich wir Menschen uns doch in unseren Gefühlen waren, ganz unabhängig der Umstände, die sie in uns hervorriefen. Plötzlich sah ich keine weißen Laken, sondern die roten Rosetten, die sie zierten, vor mir. Wie sehr hatte ich versucht, diesem Schmerz keinen Ausdruck zu geben und stattdessen die noch tief in mir glühende Flamme der Hoffnung am Leben zu erhalten; doch dieser Anblick löste in mir etwas aus, dem ich entfliehen wollte. Wirbelnde Nebelschwaden, die sich zu grotesken Formen verdichteten, scharten sich um mich und es war, als würden sie mich in ihrem Nebel der Angst und des Wahnsinns ziehen wollen.

»Bitte, verschont mich!«, hörte ich meine eigene Stimme schreien und ich sah, wie mit jedem Atemzug die Wände um uns herum immer näher rückten. Und er, der mich mit solch weit aufgerissenen Augen anstarrte, wurde zu einer dämonischen Gestalt, die diese unerklärliche Furcht nährte und mir das Atmen zur Qual machte.

»So komm doch zu Sinnen! Hilf uns doch jemand!«, hörte ich die Gestalt rufen, die mich mit beiden Händen festhielt. Nein, nicht noch einmal würde dieser Dämon meinen Leib für sich einnehmen! Jeder Zusammenstoß mit ihm, jedes klanglose Ächzen dieses sündhaften Bettes und die beißende Kälte dieser Dunkelheit erdrückten mich. 

»Bitte, nicht mehr!«, konnten meine Lippen noch hervorbringen, ehe die langen Schatten, die sich mir näherten, mich aus der Dunkelheit zerrten. In dieser atemlosen Angst erblickte ich Alajos, der in der Dunkelheit zurückblieb. 

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»Dienstmagd? Dienstmagd, ich spreche mit dir!«

Die Tochter der grófnő stand neben mir und griff nach meinem Arm. Mein eigenes Antlitz blickte mir entgegen, als ich in ihre Augen, so dunkel wie ein Mitternachtssee unter einem mondlosen Himmel, schaute. Ebenso wie die ihrer Mutter strahlten sie eine unerbittliche Stärke aus, die sie in einer Welt voller Intrigen und Machtspielen am Leben hielt.

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