Silent cry // Minsung

But Sometimes - BOYNEXTDOOR

-Jisung pov-

Wie verabredet treffe ich Minho in der Mittagspause hinter der Turnhalle. Zu meinem Glück hat er mir, netter Weise, ein Stück Käsekuchen von dem kleinen Bäcker, neben der Schule, mitgebracht.
Ohne Kommentar hält er es mir vor die Nase, während er selbst einen großen genüsslichen Bissen von seinem belegten Brötchen nimmt. Sofort seigt mir der genüssliche Geruch des Kuchens in die Nase, wodurch die Anspannung, vor dem kommenden Gespräch, wenigstens etwas von meinen Schultern fällt.

Dieser Kuchen hat eine wirklich erstaunliche Wirkung auf mein Gemüt, weshalb ich nun auch einen beherzten Bissen nehme.

"Hast du es gelesen?", fragt Minho als wäre es etwas komplett nebensächliches, als wäre dieses Brötchen in seiner Hand gerade um einiges wichtiger. Doch ein kleiner Seitenblick genügt mir, um zu wissen, dass es ihm nicht so egal ist, wie er es vorzugeben versucht.
Es ist erstaunlich, wie er vor kurzem noch ein komplettes Rätsel für mich war und ich nun mit einem kurzem Blick Minho durchschauen kann. Liegt es daran, dass ich gelernt habe die kleinsten Veränderungen in seinem Blick deuten zu können oder ist Minhos Mauer in meiner Gegenwart etwas brüchig?

Höchstwahrscheinlich ersteres, denn es gibt keinen Grund weshalb er ausgerechnet bei mir seinen Vorhang fallen lassen würde.

"Du warst wirklich ehrlich zu dir selbst. Mir hat besonders gefallen, wie du deine Ängste so offen dargelegt hast. Nur eine Frage habe ich. Bedeutet das ganze, dass du nicht länger Leichtathletik machen möchtest?"

Kurz tritt Schweigen ein und Minho hält mit dem essen inne. Gerade als er seinen nächsten Bissen nehmen möchte, entscheidet er sich um und packt sein Brötchen zurück in die Papiertüte.

"Ich möchte noch weiter Leichtathletik machen..."

"Aber?"

"Ich habe die Lust an Wettkämpfen verloren. Ich fühle mich dahin gehend einfach ausgelaugt, als würde jeder weitere Wettkampf einen weiteren Teil meiner selbst entreißen. Auch wenn ich ehrlichgesagt keine Ahnung habe wer ich eigentlich bin.
Du hast mein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt. Weißt du das?" Den letzten Satz lacht er als wäre es ihm peinlich und knetet unruhig an seiner Papiertüte herum.

"Ich habe dein Leben auf den Kopf gestellt?!", frage ich ehrlich überrascht und augenblicklich habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich wollte nie, das Minho wegen mir in Schwierigkeiten gerät.

"Durchaus. Wegen dir habe ich begonnen alles zu hinterfragen. Was würde ich jetzt eigentlich gerne tun?
Sind diese ganzen Physio Termine wirklich so notwendig?
Möchte ich mich wirklich erneut an die Startlinie stellen und mich mit anderen messen?
Oder würde ich nicht viel lieber MIT ihnen diesen Sport ausüben? Ist Leichtathletik wirklich das einzige, was ich tun möchte?
Wer bin ich eigentlich wirklich?... sowas eben."

Ich bleibe einen Moment ruhig, unsicher, was ich darauf antworten sollte. Und ich glaube ich werde auch nie eine passende Antwort finden, weshalb ich das erst beste, was mir den den Kopf kommt ausspreche: "Und was würdest du gerne, abgesehen von Leichtathletik, tun?"

"Ich weiß es nicht... Bis jetzt gab es immer nur das Eine in meinem Leben. Und selbst wenn ich es wüsste, könnte ich es nicht tun..."

Ich weiß weshalb er das sagt.
Er hat Angst.
Er hat Angst seinen Eltern und seinem Coach die Wahrheit zu sagen.
Die Wahrheit, die er eigentlich aus all seinen Poren schreien möchte, es aber nicht wagt.
Er hat Angst vor den Reaktionen. Angst davor nicht verstanden zu werden.

Seine Eltern, welche seit Beginn Minho zu seinem Erfolg verholfen haben und unglaublich stolz auf ihn sind werden mit Sicherheit schockiert reagieren. Schließlich hat Minho nie Anstalt gemacht alles hinschmeißen zu wollen. Ich kann seine Angst sehr gut verstehen.

Doch es ist nicht nur die Angst vor den Reaktionen, welche ihn plagen. Er hat zusätzlich Angst es sich selbst einzugestehen.

‚I am afraid of losing this passion
I don't want to lose it', erscheinen die Worte vor meinem inneren Auge

Es ist schwierig etwas gehen zu lassen, was einem sein ganzes Leben lang begleitet hat. Der Gedanke, den Spaß an Parkour zu verlieren ist für mich das schrecklichste.
Doch im Gegensatz zu mir steckt Minho genau in dieser Situation.
Seit er Klein ist nimmt er an Wettkämpfen teil. Damals noch mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht, bei jedem Sieg, den er sich erkämpft hat.
(Ich habe alte Fotos von ihm im Internet gefunden, welche mir dies beweisen)

Ich kann mir sehr gut vorstellen, weshalb er den notwendigen Schritt, ehrlich zu seinen Eltern, seinem Coach und sich selbst zu sein, noch nicht getan hat.
Aber er muss es. Und zwar so bald wie möglich, ansonsten wird es ihn zerreißen.

„Minho, du musst es deinen Eltern sagen. Ich weiß du hast große Angst davor, aber wenn es so weitergeht kannst du deine Frage bald mit Ja beantworten!"

Minho schaut mich etwas verständnislos an, unsicher über den Kontext. „Welche Frage?"

„‚Will I be a person without any spark in my eyes in the future?'", zitiere ich seine letzte Zeile und halte ihm den Zettel als Beweisstück unter die Nase.

„Angenommen ich bin ehrlich zu meinen Eltern, was mach ich dann? Ich meine ich kann ja schlecht nichts tun in meinem gesamten restlichen Leben."

Einen Moment überlege ich, gehe alle Informationen, die ich über Minho habe, durch.
„Ich glaube unbewusst weißt du es schon, und um es dir zu zeigen, lade ich dich auf ein weiteres Date ein!", grinse ich, wissend, dass mein Plan sicher und perfekt ist.

„Date?"

„Nenn es wie du willst. Ich schicke dir alles was du wissen musst heute Abend. Ich muss erst noch etwas klären. Bis dahin versuche nicht alles zu sehr zu überdenken mein lieber Minho. Du weißt ja fühlen ist manchmal die bessere Lösung."

Ich weiß nicht weshalb ich auf einmal so eine gute Laune habe. Betrachtet man das Gespräch, welches wir gerade geführt haben, müsste man denken ich müsste betrübt sein. Ich persönlich verstehe mich selbst gerade nicht. Aber das ist auch nicht nötig, denn wie bereits gesagt ist fühlen besser als denken.

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Ich habe mich gerade selbst mit dem Kapitel verwirrt.
Vielleicht liegt es aber auch daran:

Ich kann immer noch nicht glauben, dass das wirklich passiert ist.
Am I a famous ONEDOOR now?