12

120 7 0
                                    

pov Shawn

"Denkt ihr daran, dass wir später zu Grandma fahren?", erinnerte uns Heather beim Frühstück. Chloe stöhnte genervt an und Hillary schaute ein wenig grimmig rein. "Müssen wir mit?", fragte Cassy. " "Ja, müsst ihr. Wir waren schon länger bei keinem Familientreffen dabei." Unsere Grandma feierte heute ihren 75. Geburtstag und hatte dazu die ganze Familie zu sich eingeladen. Sie hat neben unserer Mum noch zwei andere Kinder, unseren Onkel John und unsere Tante Jolina. Beide haben je drei Kinder, von denen auch schon zwei eigene Kinder haben und sind schon jahrelang verheiratet. Wobei Onkel John, soweit ich weiß, zurzeit eine Scheidung mit seiner Ehefrau durchmacht, sie wird also eher nicht kommen. Dazu kommen noch zwei Schwestern unserer Grandma mit ihren Ehemännern. Unsere anderen Verwandten wohnen alle weiter weg, in anderen Bundesstaaten, mal schauen, ob von denen jemand kommt.

Leider ist unsere Familie sehr erfolgsorientiert, weshalb es bei fast jedem Familientreffen nur darum geht, wie erfolgreich oder wie gut in der Schule man ist. Für Heather und Katelyn ist das ja kein Problem, aber für uns andere immer etwas nervig. Lehrerin und Model sind keine angesehenen Berufe, das dürfen sich Madison und Stacy jedes Mal anhören. Aber auch in anderen Punkten sind unsere Verwandten sehr engstirnig und konventionell. Für sie sind psychische Erkrankungen zum Beispiel bloß eine Erfindung der "heutigen Jugend", um faul sein zu können. Natürlich sind Familientreffen für Hillary deshalb immer schwierig. Außerdem sind sie sehr homophob, was für Madison, die auf Frauen steht, manchmal blöde Situationen ergibt.

Keiner von uns hatte wirklich Lust darauf, aber wir können uns ja schlecht von der Familie abwenden. Für unsere Mum waren die Familientreffen immer sehr wichtig, für sie stand die Familie an erster Stelle. Daher saßen wir zwei Stunden später schick angezogen in den Autos und fuhren zur Villa unserer Grandma. Sie hatte vor ihrer Rente eine große Firma und sich, nachdem sie diese verkauft hat, eine große moderne Strandvilla gekauft. Ich saß mit Heather, Katelyn und Hillary in einem Auto. „Wenn es gar nicht geht, sag Bescheid, dann geht eine von uns mit dir nach Hause, okay?", meinte Heather aufmunternd, mit Blick auf Hillary. Diese nickte nur stumm.

Angekommen stiegen wir aus. Ich war erst einmal hier, die Villa war echt imposant. Vorne gab es einen großen Garten, sogar mit Springbrunnen und mehreren Parkplätzen. Wir stiegen aus und auch die anderen kamen kurz darauf. Es waren schon mehrere Autos da, anscheinend ist der Rest unserer Familie bereits hier.

Unsere Grandma kam uns entgegen und begrüßte uns alle überschwänglich. Wir überreichten ihr unsere Geschenke und gratulierten, dann folgten wir ihr in den großen Garten hinter dem Haus. Dort war der Rest unserer Familie und auch ein paar Freunde unserer Grandma, mit uns waren wir ungefähr 30 Personen. „Als erstes gibt es Mittagessen, setzt euch an doch schonmal an den großen Tisch", sagte Grandma lächelnd und verschwand wieder ins Haus. Schnell begrüßten wir noch unsere anderen Verwandten. Ich hatte die meisten das letzte mal auf der Beerdigung unserere Eltern, vor ungefähr anderthalb Jahren, gesehen. Viel verändert hatte sich keiner, trotzdem war es ein wenig komisch. „Shawn, Hallo", Tante Jolina kam auf mich zu und zog mich in eine überschwängliche Umarmung. Sie drückte mir zwei dicke Schmatzer auf die Wangen, weshalb ich ein wenig angeekelt meine Wangen mit meinem Handrücken abwischte. Dafür erntete ich einen leichten Tritt gegen meinen Fuß von Katelyn. „Ich weiß, dass du das nicht magst, aber so ein Verhalten ist respektlos. Entschuldige dich", flüsterte sie mir streng zu. „Tut mir leid", nuschelte ich.
Dann kam eine Schwester meiner Grandma, meine Großtante Käthe. „Shawn, wie geht es dir? Jetzt wo du der einzige Mann im Haus bist", meinte sie mit fragender Stimme. Ich sah wie meine Schwestern zu grinsen begannen. „Ist ganz okay", antwortete ich. Auch wenn ich die Frage öfter höre, wusste ich einfach nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich kenne es ja fast nicht anders, früher war zwar noch mein Dad da, aber der war viel arbeiten. Für mich ist es eigentlich ganz normal. Natürlich nervt es manchmal wenn meine Schwestern ewig nur über langweilige Frauenthemen reden oder stundenlang shoppen, aber ansonsten würde ich es mir nicht anders wünschen.

Dann setzten wir uns an den Tisch. Es war ein ziemlich langer gedeckter Tisch, der nun nach und nach mit dem Essen gefüllt wurde, was meine Grandma dafür extra bestellt hatte. An einem etwas kleineren Tisch saßen die jüngeren Kinder. "Eigentlich müsste man euch ja auch dorthin setzten", meine Madison schmunzelnd in meine, Cloes und Cassys Richtung. "Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr. Wenn einer da hingehört, dann Shawn.", erwiderte Chloe bissig. Gerade als ich etwas antworten wollte, schlug Grandma mit ihrem Löffel leicht gegen ihr Glas. Alle Gespräche verstummten und jeder sah sie aufmerksam an. "Vielen Dank, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid, um mit mir zu feiern. Ich hoffe wir werden einen schönen Nachmittag miteinander verbringen. Und nun lasst es euch schmecken", sagte sie feierlich. Wir klatschten, dann machte sich jeder etwas zu essen auf den Teller.

"Wie sieht es denn mit euren Noten aus?"

-------------------------------
Drama loading...

Little BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt