pov Shawn
"Gut", meinte ich ausweichend, da meine Tante gerade mich anstarrte. Wir hatten vorhin nicht geschaut, wo wir uns hinsetzen, sodass wir nun gegenüber von Onkel John, Tante Jolina, ihrem Ehemann, ihren drei Kindern und unserer anderen Großtante Marylin, sitzen. Ausgerechnet.. Gerade die sind total engstirnig im Weltbild und sehr verbissen auf Erfolg. Das kann ja was werden..
"Was soll das heißen, gut?! Kannst du keine ganzen Sätze bilden?!, fragte Tante Jolina bissig nach. Ich hörte Katelyn neben mir leise seufzen. "Meine Noten sind ganz in Ordnung, so im durchschnitllichen Bereich.", erwiderte ich. "Durchschnittlich?! Wie soll mit durchschnittlichen Noten jemals was aus dir werden? Weißt du denn überhaupt, was du mal werden willst?" "Shawns Noten sind absolut okay, außerdem ist er gerade noch Freshman, er muss noch nicht wissen, was er später mal werden will." Bevor Tante Jolina etwas entgegnen konnte, mischte sich Großtante Marylin ein und wendete sich mit strenger Stimmme an Chloe. "Sind denn deine Noten mal besser geworden? Bei unserem letzten Treffen waren sie ja nicht besonders vorzeiglich."
Ich sah, wie Chloe mit den Augen rollte. "Mach mir nicht viel aus Schule, bin halt nicht so gut wie Hillary oder Cassy." Für diese Antwort erntete sie direkt mehrere geschockte Blicke unserer Verwandten. Marylin schnaubte entsetzt und richtete sich an Heather und Katelyn: "Wie könnt ihr das zulassen? Schule ist wichtig, ihr könnt sie doch nicht einfach machen lassen, was sie will. Da müsst ihr euch eben hart durchsetzen. Wenn sie nichts von sich aus machen will, zwingt sie halt dazu. Überhaupt würde ihr eine strengere Hand sicher mal guttun, so verzogen wie sie ist. Sonst wird nie was aus ihr" „Ihr müsstet einfach mal Hand anlegen, sonst tanzen die euch nur auf der Nase rum. Wenn ihr das nicht machen wollt, kann ich das gerne übernehmen", mischte sich Jolinas Ehemann falsch grinsend ein.
Ich war geschockt wie ernst er das ganze nahm.
Heather zog scharf die Luft ein, bevor sie antwortete: "Wir werden mit euch nicht über die Erziehung der vier diskutieren. Wir handhaben es so, wie wir es für richtig halten. Chloes Noten mögen nicht im adäquaten Bereich sein, aber das haben wir im Blick. Harte Strafen oder sogar Gewalt sind absolut sinnlos und entsprechen nicht unserer Einstellung zu einer gerechten Erziehung. Wie sollen aus ihnen selbstständige junge Menschen werden, wenn wir sie so behandeln?" Wieder gab es ein entsetztes Aufschnauben und einen fassungslosen Blick. „Ihr verweichlicht sie viel zu sehr" Bevor die Diskussion weitergehen konnte, wurde das Gespräch zum Glück auf ein anderes Thema gelenkt und wir konnten endlich in Ruhe essen.Leider blieb es nicht lange so, als der Nachtisch serviert wurde, kam dann das Lieblingsthema auf: Wer hat am meisten Erfolg? Leise stöhnte ich auf, als Marylin und Jolina sich stritten, welche Firma mehr Umsatz im letzten Jahr erzielt hatte. „Wie sieht es denn bei euch aus", fragte John dann Heather und Katelyn, sodass diese erzählten, wie sie beide erst kürzlich befördert wurden und welche Verantwortung sie nun trugen. Im Gegensatz zu den anderen waren die zwei dabei aber kein bisschen eingebildet oder erfolgsstreitig. Sie gaben einfach eine ganz sachliche Antwort auf die Frage. Interessiert hörten die anderen ihnen zu und schienen auch deutlich beeindruckt.
„In dem jungen Alter schon so viel erreicht, das ist wirklich faszinierend. Hast du denn nun endlich mal einen vernünftigen Job?", der letzte Teil ging an Stacy. Doch diese ging gar nicht darauf ein. "Ich habe bereits einen guten Job, ich brauche keinen anderen." „Einen guten Job?! In zehn Jahren wenn du älter wirst, verdienst du damit nichts mehr! Außerdem ist es schlicht nichts vernünftiges. Was ist mit dir, hast du endlich was wo du auch erfolgreich sein kannst?" „Ich denke es ist genug Erfolg viele junge Menschen auf ihr Leben vorzubereiten, egal ob ich irgendwann mal in eine höhere Position komme oder nicht.", antwortete Madison ganz ruhig. „Ich verstehe nicht was ihr immer an den Jobs der beiden auszusetzen habt. Sie haben hart dafür gearbeitet und solange sie damit glücklich sind ist doch alles super.", warf Heather ein und verteidigte die beiden. Madison warf ihr einen dankbaren Blick zu. „Warum ist denen Erfolg so wichtig? Wichtig ist doch nur, dass man glücklich ist und von seinem Job leben kann", flüsterte ich Hillary, die neben mir saß, fragend zu. „Ich glaub das schon deren Eltern und Großeltern und so weiter auf diese Art gedacht haben. Spielte in unserer Familie wohl schon immer eine Rolle und das hat sich dann eben an die nächsten Generationen weitergegeben.", erklärte sie leise.
„Aber bist du denn dann wenigstens in Hinsicht auf deine Beziehungen normal geworden und hast dir endlich einen Mann gesucht? So langsam solltest du dir mal jemanden suchen. Bei deinen beiden großen Schwestern kann ich ja gut nachvollziehen, dass sie noch keinen haben, immerhin haben die beiden die Verantwortung für eure kleinen Geschwister übernommen. Das finde ich im Übrigen sehr lobhaft. Meine Älteste ist mittlerweile schon mit ihrem zweiten Kind schwanger und die ist genauso alt." Ich sah, wie ein verletzter Ausdruck auf Madisons Gesicht erschien, während sie ihre Finger in die Tischkante krallte. Ich glaub an ihrer Stelle wäre ich aufgesprungen, hätte ihn für diesen Kommentar angeschrien und wäre einfach gegangen. Meine große Schwester hingegen schaffte es, sich zu beherrschen, schien aber auch nicht zu wissen, was sie erwidern sollte.
Dafür sprang Katelyn ein, welche wütend ihr Glas abstellte. „Normal?! Sie ist vollkommen normal. Und wenn auch nur einer nochmal etwas in der Richtung sagt, könnt ihr den Rest der Feier ohne uns verbringen. Ich habe echt genug von euren homophoben Aussagen, wo ist das Problem daran, dass sie an Frauen statt an Männern interessiert ist? Außerdem ist Madison uns eine riesige Unterstützung, ohne sie würden wir das mit den vieren nicht schaffen. Wenn Heather und ich lange arbeiten müssen, kümmert sie sich darum, dass zuhause alles läuft und es zum Beispiel Essen gibt. Nur weil sie nicht das offizielle Sorgerecht hat, heißt das nicht, dass sie deswegen weniger macht. Und ob sie in einer Beziehung ist oder nicht, ist ganz allein ihre Sache, genauso wie die Frage ob sie überhaupt Kinder haben möchte."
Danach erwiderte keiner mehr etwas, alle schwiegen, wenngleich man an ihren Gesichtsausdrücken gut sehen konnte, dass ihre Meinung gar nicht mit Katelyns Aussage übereinstimmen. Meine großen Schwestern flüsterten kurz miteinander und ich sah, wie Madison und Katelyn sich kurz umarmten.
„Wir treffen uns in 5 Minuten auf der großen Rasenfläche dahinten, um gemeinsam ein paar Spiele zu spielen.", verkündete dann unsere Grandma. „Och nee", Chloe stöhnte genervt auf. Bei jeder Familienfeier war es eine feste Tradition, dass verschiedene Spiele gespielt wurden. Leider ging es auch hier den meisten darum, zu gewinnen. Also fanden wir uns ein paar Minuten später auf dem Rasen wieder, wo wir mit Weitwurf begannen. Nicht jeder macht bei jedem Spiel mit, nur da, wo man Lust zu hat. Die anderen stehen drumherum und feuern die Person an, für die sie sind.
Die Stimmung war zum Glück entspannt und die Spiele machten tatsächlich Spaß. Nach dem ganzen Stress vorhin, tat es gut, auch mal ohne Druck was mit meinen Verwandten machen zu können. Gerade spielten wir Twister, auf einer riesigen Platte, auf die bis zu zehn Personen gleichzeitig passen. Hillary war richtig gut darin, sie ist durch ihr vieles Cheerleading Training echt beweglich. Alle feuerten sie an, während die anderen auf der Platte nach und nach ausschieden.
Als dann nur noch Hillary und einer unserer Cousins drauf waren, kam es plötzlich zu einem spitzen Aufschrei von Tante Marylin. Da ich mit meinen Schwestern auf der anderen Seite stand, konnte wir nicht sehen, was los war, aber es schien um Hillary zu gehen. Wir eilten zu ihr. Hillary saß mit Tränen in den Augen auf dem Boden und klammerte sich an ihre Pulliärmel. Um sie herum versammelten sich unsere Verwandten, einige schienen sehr geschockt, andere hingegegen total aufgebracht. Was ist bloß passiert?
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Little Brother
Teen FictionHier geht es um Shawn den jüngsten der acht Silver Geschwister. Begleitet ihn in seinem Leben mit großen sieben Schwestern..