Teil 23

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Im Sekundentakt tropfte die klare Flüssigkeit unaufhaltsam aus dem Zufluss in den Beutel der Infusion. Er hing an einem Ständer etwas über meinem Kopf, außerhalb meiner Reichweite. Aus dem Beutel floss es quälend langsam über den Schlauch durch den Katheter direkt in meinen Blutkreislauf.

Ich lag auf einer Liege. Meine Hände und Füße waren durch Gurte an den Gelenken fixiert um mich, noch mehr als durch einige gebrochene Knochen ohnehin schon, in meiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Auf meinen Armen waren Elektroden festgeklebt worden, wozu war mir absolut schleierhaft, ich wollte es aber gar nicht erst erfahren.

Meine Hand hatte ich unmerklich zur Faust geballt, während sich mein Körper langsam verkrampfte, da die Wirkung der Droge wieder einzutreten begann. Die Welt um mich herum begann sich erneut zu drehen und hätte ich nicht hier gelegen wäre ich umgekippt. Die Zeit zog an mir vorbei, ein Zustand, welcher sich durch die gesamte Prozedur ziehen würde.

Ich bekam mit, dass andere Personen den Raum betraten, jedoch nur wenig von dem, was sie taten. Abtasten, Blut abnehmen und Tests zu meinen Reflexen, welche langsam immer schlechter wurden. Seit Tagen dasselbe.

Wozu das ganze?
Ich konnte einige Satzfetzen von dem verstehen, was sie untereinander besprachen, da sie ihre Stimmen nicht gesenkt hielten. Eine der Ärztinnen schien wieder das Protokoll der „Untersuchung" in ihr Diktiergerät zu sprechen.

„Teil 7 des Versuchsprotokolls, Tag 16."

„Die Bewegungsmuster aus den vergangenen Tagen sind nur noch schwach erkennbar. Das ist ein doppelter Anstieg zum letzten Test"

„Die Wirkung tritt mäßig und kontrolliert ein, ... Herzfrequenz gleichbleibend..."

„Der Anstieg ist langsam und konstant..."

„Keine Anzeichen einer Überreaktion."
„das ist ein erster Durchbruch..."

Heute schienen sie zufriedener, als sie es die letzten Tage oder Wochen gewesen waren.

Vielleicht hatten sie endlich die gewünschte Wirkung erzielt? Dann würden sie hoffentlich damit aufhören, diese grässliche Chemie stundenlang in meinen Körper zu pumpen.

„Wir fahren mit den verschiedenen Injektionen fort, Beginn 17:30." Erklang nun wieder die weibliche Stimme. Ich war mir nicht sicher, was sie damit meinten, denn ich konnte mir nicht wirklich etwas darunter vorstellen, aber ich dachte, ich hätte es für heute geschafft.

„1 von 12"

Falsch gedacht.

Ein Brennen durchfährt die Stelle an meinem Arm, an welcher die Infusion angeschlossen ist. Die Geräte begannen lauter zu dröhnen, da sie nun wieder anfingen, auf Hochtouren zu arbeiten.

Es war ein Geräusch, welches ich in den vergangenen Tagen viel zu oft hören musste. Es war ein Geräusch, welches ich verabscheute, so unschuldig und alltäglich es auf Außenstehende auch wirken mochte.

„2 von 12, keine Reaktion"

„3 von 12"

„4 von 12"

Ich wusste nicht, wie viel Zeit zwischen ihrem Protokoll verging, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, da die Abstände dazwischen sehr groß waren, aber mir trotzdem regelmäßig erschienen, fast so, als stecke eine feste Methodik hinter all dem Wahnsinn.

„5 von 12"

„6 von 12"

„7 von 12"

In mir spürte ich Übelkeit aufsteigen, während sich mein Herzschlag beschleunigte. Mich überkam ein unangenehm beengendes Gefühl, wobei ich nicht sicher wusste, was es auslöste.

„8 von 12"

Ich verkrampfte mich, als plötzlich ein stechender Schmerz durch mich fuhr. Es führte dazu, dass ich verzweifelt versuchte, mich gegen die Fesseln zu stemmen und mich vor den eintretenden Schmerzen zu winden, jedoch ohne Erfolg.

Es schien ihr nicht entgangen zu sein. Ihre Stimme klang beim Ankündigen des nächsten Intervalls verunsichert.

„...9 von 12" Sie zögerte. Es hörte nicht auf, weh zu tun.

„10 von 12"

Ich hielt das hier nicht mehr länger aus. Das schien ihnen zu meinem Glück ebenfalls aufgefallen zu sein, denn plötzlich begann etwas neben mir laut zu piepen, was auch immer dieses Geräusch war, daraufhin ebbte das Dröhnen der Maschinen schlagartig ab. Mit einem Mal wurde alles still.

„Testreihe unterbrochen. Das Testobjekt zeigt eine starke Abwehrreaktion ab Stufe 10. Ende 19:21, Dosierung unbrauchbar".

Natürlich stellten sie die Tests nicht vollkommen ein. Sobald sie die chemische Zusammensetzung oder die Dosierung geändert hätten, würden sie wieder fortfahren. Diese Gewissheit trieb mir Tränen in die Augen, als ich immer noch einfach nur da lag, doch es blieb unbemerkt, denn es interessierte sie nicht. Natürlich nicht. Für diese Leute war ich nicht mehr als ein Objekt, vollkommen wertlos und jeglicher Rechte beraubt. Für sie war ich nicht mehr als nur eine Nummer auf dem Papier in ihren Akten. Seit ich hierher gekommen war, war ich ein Niemand. Ich hatte nichts mehr. Meine Existenz, mein bloßes Überleben, rechtfertigte sich zu diesem Zeitpunkt einzig durch meine Funktion als unfreiwilliger Proband für ihre gestörten, unmenschlichen Studien.

Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein, obwohl das alles hier aufgrund eines Einsatzes begonnen hatte.

Battleside - depths of despair Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt