Teil 12

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Ich wachte früh am nächsten Morgen auf und obwohl er mir das Schlafmittel schon gestern Nachmittag verabreicht hatte, fühlte ich mich kein bisschen erholt. Müde fuhr ich mir mit den Händen durchs Gesicht und versuchte, die Reste des Alptraums der vergangenen Nacht wegzuwischen. Um keine Zeit zu verlieren stand ich sofort auf, was tatsächlich klappte. Während ich die Beschwerden meines ausgezehrten Körpers ignorierte lief ich leise zum Stuhl hinüber, um meinen Pullover und meine Schuhe anzuziehen, da ich mich ohne nicht in die Kälte der früh morgendlichen Herbststunden hinaus traute. Auch wusste ich nicht, wie lange ich unterwegs sein würde. Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr – 4:07. Ich kann nicht dahin zurück. Noch war es weitgehend dunkel, aber das würde sich in nächster Zeit schon ändern können, weshalb ich mich beeilte. In die Schnürsenkel machte ich vorsichtshalber Doppelknoten. Eine Jacke hatte ich leider nicht mit, ich wollte aber auch keine Zeit damit verschwenden, mir hier eine zu suchen, obwohl ich mir sicher war, dass er eine dabeihatte. Während ich mich fertig machte, schweifte mein Blick auf das Bett. Wie erwartet schlief er noch, zumindest ging ich nicht davon aus, dass er es nur vortäuschte. Sein Atem war ruhig und gleichmäßig und seine Augen waren geschlossen. Wenn ich ihn so sah, würde ich niemals denken,dass sich hinter einem so hübschen und unschuldigen Gesicht ein so schlechter Mensch verbarg. Sobald ich fertig mit dem Anziehen war schlich ich hastig zur Tür. Zu meinem Glück hatte er sie nicht verschlossen. Anscheinend war er davon ausgegangen, das Schlafmittel würde unter seiner Dosierung lange genug reichen. Vielleicht hat er aber auch einfach nicht damit gerechnet, dass ich so eine hirnrissige Aktion starten würde. So still und heimlich wie nur möglich drückte ich die Klinke runter und öffnete die Tür. Langsam und vorsichtig. Kurz war ein leises Knarren zu hören. Ich hielt angespannt die Luft an, als ich mich hastig umdrehte und zurück auf das Bett sah, doch es war keinerlei Regung zu erkennen. Er schlief weiter, schien nichts gehört zu haben. Erleichtert verließ ich endlich dieses Zimmer, dessen Wände mich zu erdrücken schienen und ließ die Tür sachte hinter mir ins Schloss fallen, dann machte ich mich auf den Weg den Flur hinab. Es war stockdunkel hier, vorsichtshalber verzichtete ich aber auf Licht. Als sich herausstellte, dass sich der Aufzug nicht ohne die Schlüsselkarte bedienen ließ, hielt ich in dem dunklen Flur angestrengt nach einer Treppe Ausschau. Ich tastete mich zunächst vorsichtig auf den ersten Stufen vor, um ein Gefühl für deren Abstand zu gewinnen, dann eilte ich sie hinunter und fand mich schließlich am Rande des Empfangsbereich wieder. Hinter der Rezeption saß trotz der frühen Stunde wieder die gleiche Frau wie vor 2 Tagen. Sie sah mich kurz an, als ich mich mit schnellen Schritten der Tür näherte. Vorsichtshalber sprach ich nicht mit ihr, da ich nicht noch verdächtiger wirken wollte. Wer schlich sich denn schon um kurz nach Vier aus einem Hostel hinaus, das mitten in der Pampa lag? Bei dem Wetter? Ohne Jacke? Ich glaubte kurz aus dem Augenwinkel zu sehen, wie sie den Kopf darüber schüttelte, als hätte sie gerade an dasselbe gedacht, doch ich verwarf den Gedanken wieder, da ich mich jetzt auf anderes konzentrieren musste. Sobald ich draußen war, lief ich los. Ich rannte schon beinahe über den Parkplatz, die Einfahrt hinunter, hin zur Straße. Alles war in dieser frühen Ruhe verlassen. Das Hostel an sich schien auch so gut wie leer, da nun noch weniger Autos auf dem Parkplatz abgestellt waren, als ich bei unserer Ankunft ausmachen konnte. Endlich bei der Straße angekommen lief ich noch einige Zeit neben dem Asphalt entlang, bis ich kurz anhalten musste, weil mein Kreislauf nicht mehr mitspielte. Schließlich hatte ich seit Tagen nichts mehr gegessen und mich auch kaum bewegt. Vorsichtig ließ ich mich auf den kalten Boden sinken, jetzt schon völlig erschöpft. Kurz nutze ich den Moment, um tief durchzuatmen. Die kühle Luft fühlte sich nach der Zeit in dem stickigen Zimmer unglaublich gut in meinen Lungen an. Alleine, dass ich nicht mehr bei ihm sein musste, mir endlich Abstand zu ihm verschaffen konnte, ließ ein Gefühl von Erleichterung in mir aufkommen. Mir schien, als könnte ich zum ersten Mal wieder richtig durchatmen, auch wenn es noch keinen Grund zur Entspannung gab. Jetzt war ich aus dem Zimmer draußen, von nun an gab es kein Zurück mehr. Wenn er mich hier draußen fand, waren die Chancen nicht gering, dass er mich auf der Stelle tötete oder sofort auslieferte. Wenn ich zu viel Ärger verursache, wird er seine Skrupel bei Seite legen. Ich musste früher oder später weiter. Letztendlich zwang ich mich, wieder aufzustehen und den kleinen Grünstreifen am Straßenrand, auf welchem ich mich für den kurzen Augenblick niedergelassen hatte, zu verlassen. Langsam ging ich mit einem leisen Seufzen weiter, das Tempo war mir egal, solange ich in Bewegung blieb. Ich fröstelte leicht im kühlen Wind und hoffte, mich durch die Bewegung wenigstens etwas warmhalten zu können.

Battleside - depths of despair Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt