Kapitel Acht

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Seiya

Leichenblass liegt sie da. Mein wunderschönes Schätzchen. Mein schönster aller Engel.

Meine erste, große Liebe. Meine liebreizende Prinzessin, die erneut ihr Leben geopfert hat, um unseres zu retten. Dieses Opfer haben wir nicht verdient. Sie hat den Tod nicht verdient. Ausgerechnet das hellste Licht im Universum ist erloschen.

Tränen perlen auf meinen Wangen, während ich an ihrem Bett sitze und ihre Hand halte. Es grenzt an ein Wunder, dass sie noch am Leben ist. Normalerweise verlangt der Einsatz des Heiligen Silberkristalls ein viel zu großes Opfers. Seine Macht erfordert ein Leben.

Ihre Freundinnen sitzen im Halbkreis um das Bett herum. Keiner sagt ein Wort. Schweigen erfüllt den Raum, der viel zu klein und eng wirkt.

Ein Räuspern erklingt. Ich hebe den Kopf und blicke zur Tür. Dort steht Elyra, In den Händen ein Tablett mit einer neuen Infusion. Eigentlich ist sie für den Dienst auf der Intensivstation nicht eingeteilt, dennoch kommt sie jeden Tag hierher, um nach Usagi zu sehen.

Ohne ein Wort zu sagen, tritt sie an das Bett heran und wechselt die Infusion. Dann überprüft sie die Herz- und Kreislaufwerte und notiert die Zahlen in die elektronische Patientenakte. Anschließend untersucht sie sie nach Druckstellen und anderen Verletzungen.

Ich verfolge jede ihrer Bewegungen mit Argusaugen. Ihre Nähe lindert die Trauer. Es ist seltsam, wie sehr mir dieses Mädchen, dass ich nicht einmal kenne, unter die Haut geht. Sie ist das Gegenteil meines Schätzchens. Oft unnahbar, distanziert und kühl. Doch ihr loses Mundwerk, ihre Art, nie um eine Beleidigung verlegen zu sein und ihr Gesang haben mich verzaubert. Dabei gehört mein Herz meinem Schätzchen. Dennoch geht mir Elyra nicht mehr aus dem Kopf. Seit jenem Abend, als sie in Yaten hineingelaufen ist.

„Ich komme in zwei Stunden wieder.", flüstert sie.

Als sie zur Tür will, packe ich sie am Handgelenk. Unsere Blicke treffen sich und mein Herz beginnt zu galoppieren. Diese dunkelblauen Augen ziehen mich an wie ein Magnet. Es ist mir unmöglich, den Blick abzuwenden. Zu stark ist ihre Anziehung.

„Danke.", bringe ich schließlich hervor. Meine Stimme klingt schwach und brüchig, dabei will ich selbstsicher klingen. Ich bin ein Mann. Ein Superstar. Ein Idol. Doch hier und jetzt bin ich nur Seiya. Seiya, der der um eine Freundin trauert, die dem Tode geweiht ist.

„Gern geschehen." Elyra eilt hinaus.

Kurz darauf erklingen leise Gitarrentöne und ich schließe die Augen, um zu lauschen.

Die Tage reihen sich aneinander. Auf Morgengrauen folgt Abenddämmerung und Nacht. Mit dem ersten Licht eines neuen Tages kommt die Hoffnung, die mit jeder Stunde, die wir an ihrem Bett sitzend verbringen, verblasst.

Auch nach vielen Wochen liegt Usagi noch immer im Koma. Die Ärzte können keine Ursache finden, und daher keine Prognose erstellen. Der Heilige Silberkristall hat sie nicht getötet, doch dieser Zustand ist viel schlimmer als der Tod. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Als ich durch die Flügeltüren der Intensivstation trete, vernehme ich die Klänge einer Gitarre. Meine Schritte verlangsamen sich, als ich der leisen Stimme lausche. Unter hunderten würde ich Elyras Gesang wiedererkennen.

Ein vertrautes Parfüm kitzelt mir in der Nase. Als ich den Kopf drehe, schaute ich in das Gesicht meines Bruders Yaten. Vorne am Kaffeeautomaten geht Taiki in die Hocke, um den Plastikbecher aus der Halterung zu ziehen.

„Sie spielt jeden Tag für sie.", flüstert Yaten.

Elyra bleibt ein Mysterium. Obwohl sie Usagi nicht kennt, nimmt sie sich jeden Tag Zeit für sie. So wie sie es für die Kinder in der Onkologie und am Bett ihres Bruders tut. Dabei hinterlassen die vielen Nebenjobs deutlich ihre Spuren. Sie sieht müde und abgekämpft aus. Dunkle Ringe liegen unter ihren Augen, und sie ist blasser als sonst, dass meine Sorge um ihre Gesundheit mit jedem Tag wächst. Aus diesem Grund habe ich heute einen Korb mit Obst mitgebracht.

Fallen Angel - Die Federn des EngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt