Chapter 3

136 6 0
                                    

"Hahaha, das ist nicht dein Ernst?!", lachte Pete mit vollem Mund und nahm einen großen Schluck von seiner Cola. Wir saßen an einem der langen Tische in der Hall, Pete hatte sich einen Teller Crispy Chicken geholt und schmatze genüsslich vor sich hin. Ich starrte ausdruckslos auf die orangenen Fettflecken, die sein Hähnchen auf dem weißen Tellerrand hinterließ und fragte mich, ob das tatsächlich mein Ernst war. Zusatzseminar bei Paulson. Ich hatte noch genau den Klang ihrer Worte im Kopf, diese leicht lispelnde Stimme, mit der sie mich fragte, was ich denn mit meinem Leben anstellen wollte. In gewisser Weise hatte sie einen wunden Punkt getroffen. Ich hatte tatsächlich momentan keine wirkliche Idee von meinem zukünftigen Leben, aber diese Tatsache laut auszusprechen war eine ganz andere Dimension, als es sich im Inneren einzugestehen. Und dazu noch von einer Professorin, die mich ungefähr genauso gut kannte wie Pete seine "selbst verfasste" Hausarbeit. Gar nicht.

"Wieso bist du eben eigentlich nicht direkt gegangen?", fragte ich ihn, um mich von meinem inneren Gedankenkarussell abzulenken. Pete leckte sich lächelnd über die fettverschmierten Lippen. Die Stimmen der anderen Studenten hallten durch die hohe Decke des Gebäudes und erzeugten eine kirchliche Atmosphäre, die ganz und gar nicht zu den Gesprächsthemen passte, die an diesen Tischen heiß diskutiert wurden.

"Was meinst du?", stellte er sich dumm. Sein Blick wanderte über die Gesichter der vorbeilaufenden Studenten. Ich stützte meinen Kopf auf meine Handflächen und atmete tief ein, um mich nicht durch seine Unaufmerksamkeit zur Weißglut treiben zu lassen. Der Tag war schrecklich genug. Was wollte ich nur aus meinem Leben machen?

"Stell dich nicht dümmer als du bist, Pete." Erwiderte ich mit klarer Stimme. Die Art wie sich seine Kiefermuskulatur beim Kauen bewegte, ekelte mich an.

"Wusstest du das nicht, Claire", sagte er und beugte sich verschwörerisch vor, sodass seine Halskette beinahe in die Innereien seines Hähnchens fiel. Entnervt rückte ich ein wenig näher an ihn heran, um ihm nicht die Freude an seiner Geheimniskrämerei zu nehmen.

"Da läuft so ne Wette unter uns. Dass wir die flachlegen. Das hat bis jetzt noch niemand", Pete machte große Augen, "geschafft. Wirklich, nicht einmal John", John war Petes größtes Vorbild an dieser Uni. Sein Vater hatte mehr Geld, sein Bizeps war größer und sein Gehirn vermutlich kleiner als Petes, aber darauf kommt es ja bei Männern wie Pete auch nicht an. Da zählen ganz andere Dinge als die Länge des Lebenslaufs. 

"und du musst dir vorstellen, die ist doch schon seit Ewigkeiten an dieser Uni." Zufrieden lehnte er sich zurück und biss grinsend in sein Cripsy Chicken. Verstört guckte ich ihn an.

"Was?!" Mehr fiel mir in diesem Moment nicht ein.

"Ja, wirklich, die muss doch komplett untervögelt sein, die Gute." Er lachte und schlug feixend mit der Faust auf den Tisch. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen, um mich diesem Anblick purer Erbärmlichkeit zu entziehen.

"Das kann doch alles nicht wahr sein", murmelte ich in meine Handinnenflächen. Vielleicht war das alles hier gerade gar nicht real. Vielleicht kommt gleich einfach ein Filmdirektor und ruft "cut" und Pete hört auf, sein widerwärtiges Hähnchen zu essen. Vielleicht klopft er mir dann auf die Schulter und sagt "gut gespielt, Claire. Das ist wirklich eine harte Nummer". Vielleicht kommt dann eine nette Assistentin und gibt mir einen großen Kaffee Latte und sagt sowas Nettes wie "in zwanzig Minuten hast du deinen einstündigen Massagetermin". Vielleicht würde ich dann etwas aus meinem Leben machen wollen.

"Und ihr habt nicht überlegt, ob Paulson vielleicht einfach verheiratet ist?" Ich versuchte den Hähnchenrest in Petes Mundwinkel zu ignorieren. Er lächelte mich an und hob andächtig den Zeigefinger, um mir zu signalisieren, dass er erst aufkauen will, bevor er anfing zu reden. In dieser Art von Gesprächen blühte Pete auf.

"Natürlich, Claire", setze er belehrend an, ,,Natürlich haben wir das in Betracht gezogen. Aber, ich bitte dich", er wackelte mit den Augenbrauchen und deutete mit seiner freien Hand an seinem Oberkörper hinab.

"Wer kann einer solchen Figur widerstehen, hm?", er grinste frech und grapschte nach meinen Händen, die ich auf dem Tisch zusammengefaltete hatte, um unserem Gespräch wenigstes den äußeren Anschein von Ernsthaftigkeit zu verleihen.

"Iuh, Pete", stieg ich aus und zog meine Hände angewidert von der Tischplatte. Das war einfach zu viel für diesen Tag. Mit einem Quietschen schob ich meinen Stuhl nach hinten und schulterte meinen Rucksack.

"Wohin gehst du denn jetzt?", fragte Pete verwirrt und biss in sein letztes Crispy Chicken. Seine dunklen Haare glänzten.

"Ich gehe nach Hause." Erwiderte ich seufzend und zurrte den Gurt meiner Tasche etwas fester. Ich musste meine Gedanken sortieren, das Gespräch mit Paulson hatte etwas in mir ausgelöst, dessen Bedeutungsstärke ich mir noch nicht ganz sicher war. "Ms. Thorne, Sie sind durch die Vorprüfung gefallen", hallte es in meinem Kopf.

"Okay", sagte er nur und wischte sich mit der Handfläche über sein Kinn, "aber du musst zugeben: Auch du kannst dieser Figur nicht widerstehen." Ohne mich ein weiteres Mal umzudrehen, verließ ich die Hall.

Failing the examWo Geschichten leben. Entdecke jetzt