Chapter 21

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Langsam glitt der schwarze Mercedes durch die nächtlichen Straßen von Harvard. Unsere Ellbogen berührten sich auf der Mittelkonsole und obwohl ich am liebsten meine Hand in Sarahs gelegt hätte, nahm ich mich zurück, weil ich Angst hatte, dass ich sie womöglich vom Autofahren ablenken könnte. Die modernen Armaturen leuchteten bläulich und ich beobachtete, wie die graphische Darstellung des Wagens sich plastisch aus dem Bildschirm erhob. Die grellen Scheinwerfen durchschnitten die Dunkelheit, während die großen Laternen wie dünne Wächter an uns vorbeizogen.

"Du hast mich eben ganz schön überrumpelt", sagte Sarah. Ihre linke Hand ruhte auf dem Lenkrad. Ihre vollen Wangen schimmerten noch immer leicht rötlich.

"Nicht gut?", fragte ich spielerisch und zog fragend eine Augenbraue hoch. Es gefiel mir, dass wir die Spannung zwischen uns mit einem Gespräch füllten. Obwohl ich am liebsten direkt nach dem Einsteigen dort weitergemacht hätte, wo wir aufgehört hatten, genoss ich es, Sarah zuhören zu dürfen. Ich wollte mehr von ihrer persönlichen Seite kennenlernen, ihr beeindruckendes Auftreten als kühle Professorin machte mich an, aber die Sarah, die ich in den letzten Wochen kennenlernen durfte, ließ mein Herz weich werden. Sie grinste verschmitzt und ihre weißen Zähne leichteten im blauen Licht der Innenbeleuchtung.

"Oh, das war mehr als gut. Ich meine nur, dass uns auch jemand hätte sehen können." Sie warf einen Blick über die Schulter und ordnete sich auf den linken Fahrstreifen ein. Die Straßen waren relativ voll, aber für einen Freitag Abend war das nichts ungewöhnliches.

"Du hast gern die Kontrolle, nicht wahr?", schmunzelnd beobachtete ich, wie ihre Hände das Lenkrad führten. Ihre Handknöchel traten hervor, während sie es mit ihren schlanken Fingern umschloss. Wir kamen vor einer roten Ampel zum Stehen.

"Habe ich das?", sie lächelte mich an, "da hatte ich eben wohl einen schwachen Moment", schmunzelte sie. Ich biss mir auf die Lippe und legte nun doch meine Hand in die ihre. Unsere Finger verschränkten sich ineinander und es fühlte sich an, als wären unsere Hände füreinander gemacht. Warm lagen unsere Handflächen aufeinander.

"Vermutlich", erwiderte ich. Die Ampel wechselte auf grün und Sarah überquerte die Kreuzung. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos erhellten die Gehwege. Ihre Hand löste sich aus meiner und hinterließ ein Gefühl der Leere, das ich kompensierte, indem ich ein wenig näher an die Mittelkonsole heranrückte.

"Ich habe dich heute gesehen", setzte ich an. Die Sitzheizung wärmte meinen Rücken und obwohl ich eigentlich müde sein müsste, fühlte sich mein Kopf frei und aufgeräumt an.

"Echt? Wieso bist du nicht vorbeigekommen? Heute war wirklich ein anstrengender Tag..." Der Blinker klickte, als Paulson überholte. Ihre Miene wirkte ernst und ich wusste direkt, dass sie das Gespräch mit diesem blonden Studenten meinte.

"Ich fand es ganz amüsant, wie du diesen Winter hast abblitzen lassen", schmunzelte ich "da wollte ich dich ungern dran hindern." Ich grinste und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Das monotone Brummen des Motors nahm ich kaum noch war. Ich hätte mich niemals getraut, mich mit ihr in der Gegenwart anderer Menschen zu unterhalten. Bis her waren unsere Gespräche privat, abgeschirmt von den Augen und Ohren Dritter, aber ich musste mich vermutlich daran gewöhnen, gemeinsam mit Sarah in ihrer Rolle als Professorin aufzutreten, schließlich würde ich ja für sie arbeiten.

"Sag bloß, du hast das mitbekommen?", erstaunt wandte Sarah sich zu mir.

"Ich bin vielmehr an ihrer persönlichen Einschätzung interessiert. Es gibt so viel, dass Sie mir beibringen können", ahmte ich seine Worte nach und fuhr mit meiner Hand über Sarahs Arm. Sie begann zu lachen und wand sich unter meiner Berührung.

"Miss Paulson, ich bin ja ein so begabter und interessierter Student. Vielleicht können wir uns mal auf einen Kaffee treffen?", ich kicherte und ließ mich zurück in meinen Sitz fallen. In ihrer Gegenwart war es einfach, glücklich zu sein.

"Was für ein schrecklicher Kerl, ehrlich", stieß ich aus und fuhr mir durch die Haare "aber ich hatte für eine Sekunde schon ein bisschen Angst, dass du zusagst. Ihr wirktet sehr vertraut irgendwie..." Ich versuchte, den Zweifel in meiner Stimme ein wenig zu unterdrücken, weil ich nicht wollte, dass Sarah dachte, ich würde ihr nicht vertrauen. Wir kamen erneut vor einer Autoschlange zum Stehen. Die leuchtenden Ziffern auf der Armatur zeigten 21:15.

"Was? Auf gar keinen Fall. Bis auf dass der in der Arbeitsgruppe zum Vorlesungsmodul ist, habe ich nichts mit dem zu tun." Sie schüttelte angewidert den Kopf und drehte sich zu mir. Ihre dunklen Augen pulsierten im roten Schein der Rückleuchten.

"Außerdem muss man doch Berufliches und Privates voneinander trennen", schmunzelte sie und beugte sich ein wenig näher zu mir. Ihre goldene Kette baumelte über der Mittelkonsole und ihre vollen Lippen hielten meinen Blick gefangen. Ich schmunzelte und mein Herz setzte für eine Sekunde aus, als ihre Lippen auf meine trafen. Warm verschränkten sich unsere Münder ineinander und obwohl ich spürte, wie ihr Körper vor Verlangen bebte, waren ihre Küsse sanft und vorsichtig.

"Das sehe ich aber anders", stieß ich aus und meine Hand wanderte zwischen ihre Beine. Ich wollte sie. Ein Keuchen entwich ihr, als meine Hand über ihren Oberschenkel glitt. Ihr Atem ging schwer und ihr Brustkorb hob und senkte sich. Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. Es gefiel mir, Sarah so erregt und leidenschaftlich zu sehen. Es war als würde sie durch meine Berührungen vollkommen die Kontrolle verlieren.

"Die Ampel ist grün", flüsterte ich sanft und ließ unsere Lippen ein letztes Mal aufeinandertreffen, bevor ich mich wieder auf meine Sitzhälfte zurückzog. Schwer atmend öffnete Sarah die Augen. Sie warf einen wagen Blick in den Rückspiegel, bevor sie anfuhr und zu den anderen Autos aufschloss.

"Das kannst du nicht mit mir machen, Claire", sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und versuchte, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Ihre Hände zitterten leicht, als sie den Blinker betätigte. Das verlegene Grinsen, das sich auf ihren Lippen ausbreitete, verriet mir jedoch das Gegenteil.

"Wusstest du eigentlich, dass bei den Typen ne Wette läuft, wer dich als erster flachlegt?" Ich beobachtete den grauen Audi vor uns, dessen Rücklicht in einiger Entfernung den dunklen Asphalt erhellte. Sarah lachte laut.

"Was?", prustete sie, "das ist doch nicht deren Ernst? Fällt denen nichts besseres ein?" Sie begann auf das Bedienfeld zu tippen. Ich war überrascht von der Gelassenheit, mit der sie diese Information auffasste. Bewundernd blickte ich sie an.

"Und was ist der Einsatz?", neugierig erwiderte sie meinen Blick. Ich grinste.

"Wie, der Einsatz?", es schien, als wäre sie tatsächlich an der Wette interessiert. Die Banalität unseres Gespräches fühlte sich richtig an und ich freute mich, weil ich spürte, wie wir dadurch enger zusammenwuchsen.

"Naja, wetten die um Geld, oder geht es bloß um die Sache an sich...", erklärte sie und bog in eine ruhigere Seitenstraße ein. Links und rechts der Straße standen moderne Wohnkomplexe, deren gläserne Fassaden sich mächtig in den Himmel schraubten. Die Straße war gesäumt von jungen Bäumen, am Rand parkten Autos. Vereinzelt fiel warmweißes Licht durch die Fenster der einzelnen Wohnungen.

"Also, wenn eine Nacht mit dir keine zufriedenstellende Belohnung ist, dann weiß ich auch nicht", schmunzelte ich und eine wohlige Wärme breitete sich auf meinen Wangen aus. Sarah lenkte den Wagen in eine freie Parklücke und stelle den Motor ab.

"Wir sind da", raunte sie und für einen Moment saßen wir uns gegenüber, wortlos glücklich, allein durch die Anwesenheit des Gegenübers. Ohne aufzuschauen, löste ich meinen Gurt. Ein Kribbeln in meinem Bauch ließ mich schlucken. Widerwillig wandten wir uns voneinander ab und stiegen aus dem Auto. Voller Bewunderung betrachtete ich die Wohngebäude, die sich mir nun in voller Größe offenbarten. Kleine, im Boden eingelassene Lampen säumten die Auffahrten und erhellten den ordentlich gemähten Rasen. Die Fassaden waren in Grau- und Weißtönen gehalten, bodentiefe Fenster offenbarten einen Einblick in die teuer eingerichteten Wohnungen.

"Kommst du?", Sarah umrundete den Wagen, dessen Lichter mit einem Klicken erloschen, als sie ihn verriegelte. Sie griff nach meiner Hand und ich konnte kaum glauben, dass das alles hier tatsächlich real war. 

Failing the examWo Geschichten leben. Entdecke jetzt