Chapter 32

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Der Regen prasselte frontal gegen die Fensterscheibe, während wir auf dem Highway Richtung New York fuhren. Es waren erst zwei Stunden vergangen und ich genoss es, während der Fahrt ein wenig zu entspannen. Die letzten Tage hatte ich damit verbracht, mich auf die Prüfung vorzubereiten. Stundenlang hatte ich in der Bibliothek gesessen, gelesen, geschrieben, gelernt. Der Fahrer drehte das Radio auf, um die Stille zwischen uns zu überbrücken, die seit ein paar Kilometern herrschte und einzig durch das monotone Surren des Motors erfüllt worden war. Ich saß auf der Rückbank neben Emma, die verträumt aus dem Fenster blickte und die vorbeiziehenden Fahrzeuge beobachtete. Ihre langen, schwarzen Haare trug sie zu einem strengen Zopf nach hinten gebunden, ihre Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoss. Als das Taxi mich diesen Morgen von meinem Wohnheim abgeholt hatte, wirkte Emma nicht gerade erfreut darüber, als ihr klar wurde, dass ich mitfahren würde. Mit einem eisernen Blick hatte sie mich begrüßt und war widerwillig auf die andere Seite der Sitzbank gerutscht. Nun wirkte sie einigermaßen friedlich. Ihre Knie berührten den Vordersitz, auf dem Sarah gerade in ihrer Handtasche kramte. Ihr perfektes Seitenprofil leuchtete im stählernen Licht des wolkenverhangenen Himmels und ich musste mich zwingen, sie nicht zu offensichtlich anzustarren. Ihre blonden Haare warfen leichte Wellen und der sanfte Duft ihres Parfüms erfüllte den Wagen.

"Sind Sie eigentlich aufgeregt, Ms. Paulson?", fragte ich und übertönte die Werbung, die aus dem Radio ertönte. Ein Lächeln strich über ihre Lippen, bevor sie sich zu mir umdrehte. Sie trug einen cremefarbenen Hosenanzug, der ihr ausgezeichnet stand und mit der weichen Farbe ihrer Haare harmonierte. Auch Emma wandte sich nun uns beiden zu und schien halb genervt, halb interessiert zuzuhören.

"Nicht wirklich. Ich war schon oft auf derartigen Veranstaltungen. Es macht mir nichts aus, vor einem großen Publikum zu sprechen, irgendwann gewöhnt man sich daran. Aber trotzdem hat man kurz davor immer noch ein bisschen Lampenfieber." Sie errötete leicht und die Leidenschaft, mit der sie sprach, sprang augenblicklich auf mich über.

"Außerdem ist Ms. Paulson ja perfekt vorbereitet", ergänzte Emma, mit einer Mischung aus Vorwurf und Stolz. Sie drehte sich weiter zu mir und schien sich zu ärgern, dass Sarah sich wieder dem Inhalt ihrer Handtasche widmete und nicht weiter auf ihre Äußerung einging.

"Sollen wir noch einmal über den Ablauf sprechen, Ms. Paulson?", fragte sie und rückte ein wenig näher an den Vordersitz heran. Der Fahrer schien das Gespräch zwischen uns interessiert zu verfolgen. Sein wacher Blick klebte auf der Straße, aber ich spürte, wie er uns zuhörte.

"Ich denke, dass wird nicht nötig sein." Sie drehte sich erneut zu mir, ihr Ellbogen lehnte auf der Mittelkonsole.

"Sagen Sie, Ms. Thorne, wenn ich mich recht erinnere, steht ihre finale Prüfung in der kommenden Woche an. Fühlen Sie sich gut vorbereitet?" Sarah wusste mit Sicherheit, dass meine Prüfung in der nächsten Woche stattfinden würde. Wir hatten gestern Abend während sie mich zu meiner Wohnung gefahren hatte noch darüber gesprochen, welche Themen vermutlich abgefragt werden könnten. Erfreut über ihre Frage beugte ich mich ein wenig vor, um dem Geräuschpegel des Wagens entgegenzuwirken.

"Ja, ich denke, ich bin ganz gut in meinem Zeitplan. Trotzdem habe ich schon ein wenig Prüfungsangst", ich lächelte verlegen, auch wenn sich mir bei dem bloßen Gedanke an die Prüfung der Magen umdrehte. Emma lehnte sich nun auch nach vorn und hielt mit ihrer Hand die Kopfstütze von Sarah umschlossen.

"Die meisten, die durch die Vorprüfung gefallen sind, bestehen die tatsächliche Prüfung auch nicht", bedachte Emma schnippisch. Sobald sie meinen und Sarahs fragenden Blick bemerkte, fügte sie ein entschuldigendes "Was natürlich nichts heißen muss..." hinzu. Ein kurzer Moment der Stille entstand und ich hing für ein paar Sekunden meinen eigenen Gedanken nach. Was, wenn ich diese Prüfung nicht bestand? Würde ich dann noch weiter an dieser Uni studieren können? Würde ich dann noch weiter für Sarah arbeiten können?

Failing the examWo Geschichten leben. Entdecke jetzt