Kapitel 14: Delly

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Schon wieder ist ein Tag um und meine Liste wird immer länger. Wem kann ich überhaupt noch vertrauen?
Da kommt jemand rein. Nichts ungewöhnliches hier, es kommt ständig jemand rein. Der Unterschied ist, dass ich diese Person kenne. Delly. Delly Cartwright. Von Zuhause. Sie wohnte ebenfalls in der Stadt und war etwas übergewichtig. War. Jetzt ist sie knochendünn und trägt einen Zopf, statt offener Haare. Und, wie komischerweise alle hier, trägt sie hässliche, graue Sachen. Sie sehen aus, wie die Kleidung der Gefangenen aus dem Kapitol, nur heile und sauber. Trotzdem wird mir sofort schlecht. Sind hier etwa alle Gefangene? Ich trage diese Kleidung ja nicht, sondern weiße Patienten-Kleidung. Doch warum tragen sonst alle diese Kleidung? Katniss, als ich sie angegriffen habe, Haymitch damals ebenfalls, Haymitch vor kurzem, als er auf mich eingeredet hat, auch und hin und wieder taucht, statt einer Person in Ärzte-Kleidung, auch ein Unbekannter in diesen Sachen auf. Das alles fällt mir erst jetzt wirklich auf.
Schüchttern und, wie immer, lächelnd kommt Delly auf mich zu. Schnell entschließe ich mich, so zu tun, als würde ich sie erst nicht erkennen, denn sonst müsste ich ja sowas sagen wie: ,,Hallo, Delly. Du hast abgenommen? Wie das?" Und darauf habe ich keine Lust.
,,Peeta? Ich bin's, Delly, von zu Hause."
,,Delly?", frage ich unschuldig. Ich tue so, als würde ich sie jetzt erst erkennen, als würde sie so aussehen wie immer. Durch meinen Kopf schießt die Wichtigste Frage: Kann ich Delly vertrauen, oder ist sie auch bloß eine Komplizin? Ich weiß es nicht. In meiner Gegenwart, wenn ich sie sehen konnte, haben sie nie miteinander gesprochen. Haben sich ja kaum angesehen. Und es waren normale Blicke, Delly freundlich, Katniss schüchtern. Vielleicht sollte ich zuhören, vielleicht mit ihr reden. Vielleicht weiß ich dann, ob ich ihr vertrauen kann. Einfach zuhören. Reden. Antworten. Das bekomme ich hin.
,,Delly. Du bist es."
Nun wirkt sie erleichtert. Wieso das? Ich sage nicht, dass ich ihr vertraue, nicht, dass ich sie mag. Nur, dass ich sie erkenne.
,,Ja", sagt sie ,,Wie geht es dir?"
Hmm...
,,Miserabel." Ich konnte Katniss ja nicht töten, sie aber kann jederzeit kommen und mich umbringen. Jetzt sollte ich testen, ob ich ihr vertrauen kann. Wird sie mir die Wahrheit sagen?
,,Wo sind wir? Was ist passiert?", frage ich.
,,Tja, wir sind in Distrikt 13. Hier leben wir jetzt.", sagt Delly. Das ist wahrscheinlich die Wahrheit. Also, kann ich ihr vertrauen? Mal sehen.
,,Das haben die Leute auch gesagt. Aber ich verstehe das nicht. Wieso sind wir nicht zu Hause?", frage ich.
Da kann ich es an ihrer Antwort gut erkennen. Wenn sie von dem Feuer erzählt, kann ich ihr vertrauen, wenn nicht, kann ich es dann gar nicht. Ganz einfach. Komplizin der Mutation oder meine Freundin?
Delly beißt sich auf die Lippe. Denkt sie vielleicht, ich vertrage das nicht, nach all dem im Kapitol? War vielleicht doch die falsche Frage. Trotzdem, mal sehen.
,,Es gabǥeinen Unfall. Ich habe auch großes Heimweh. Gerade musste ich daran denken, wie wir immer mit Kreide auf die Steine gemalt haben. Du konntest so toll zeichnen. Weißt du noch, als du in jeden Pflasterstein ein anderesTier gemalt hast?"
Unfall? So nennt sie die Branntbomben, die Katniss abgeschossen hat? Interessant.
Aber sie will eindeutig ablenken. Kann ich ihr nicht vertrauen?
,,Ja. Schweine und Katzen und so",sage ich. ,,Du hast was von einem Unfall gesagt?"
Delly fängt an zu schwitzen. Ich sehe den Schweiß auf ihrer Stirn. Wenn ich ihr vertrauen kann, kann sie das überhaupt zeigen? Kann sie frei sprechen? Werden wir beobachtet?
Wieder versucht sie die Frage nicht direkt zu beantworten. Das macht mich sicher: wir werden beobachtet!
,,Das war schlimm. Keinerǥkonnte da bleiben.", sagt sie stockend.
,,Aber hier wird es dir bestimmt gefallen, Peeta. Alle sind so freundlich zu uns. Es gibt immer was zu essen und saubere Kleider und in der Schule ist es viel interessanter als zu Hause.", sagt Delly.
Und alle hier halten uns gefangen und Katniss läuft frei herum. Und so viele sind seine Komplizen. Wie schön es hier doch ist!
Vielleicht sollte ich herausfinden, was mit meiner Familie ist. Lebt sie noch?
,,Warum hat meine Familie mich noch nicht besucht?", frage ich und versuche, so zu klingen, als wüste ich nichts.
,,Das geht nicht."
Ich sehe die Tränen in ihren Augen und weiß, dass meine Eltern und Brüder tot sind. Was soll's. Es waren sowieso Komplizen von Katniss. Aber wenn Delly so weint, sind ihre Eltern vielleicht auch tot? Und ihr Bruder?
,,Viele haben es nicht geschafft, aus 12 rauszukommen. Wir müssen uns hier jetzt ein neues Leben aufbauen. Einen guten Bäcker können sie hier garantiert brauchen. Weißt du noch, als wir bei deinem Vater Mädchen und Jungen aus Teig machen durften?", erzählt sie weiter. Immer versucht sie abzulenken. Sie will nicht darüber reden. Sie hat Angst, was falsches zu sagen. Dann muss ich eben deutlicher werden. Ich muss zeigen, dass ich es weiß.
,,Es hat gebrannt.",sage ich einfach. ,,Ja", flüstert sie traurig.
Sie sagt mir die Wahrheit. Das ist doch gut. Sehr gut. Kann ich ihr vertrauen?
,,12 ist abgebrannt, oder? Und sie ist schuld!", sage ich wütend.
,,Katniss ist schuld!"
Jetzt bin ich so wütend, dass ich mich losreißen und nach es suchen will. Ich reiße an meinen Fesseln und versuche weg zu kommen.
,,Oh nein, Peeta. Sie konnte nichts dafür!", sagt Delly. Wird sie gezwungen, dass zu sagen, oder ist sie auf Katniss' Seite?
,,Hat sie dir das gesagt?", zische ich sie wütend an. Sie lügt!
Die Tür wird geöffnet und Delly geht langsam rückwärts.
,,Das brauchte sie gar nicht. Ich hab ...", setzt Delly an.
Ich unterbreche ihre Lügen: ,,Weil sie lügt! Sie ist eine Lügnerin! Glaub ihr kein Wort! Sie ist eine Mutation, die das Kapitol erschaffen hat und jetzt gegen uns einsetzt!"
,,Nein, Peeta. Das ist sie nicht ...", versucht Delly es erneut. Ich kann ihr also nicht vertrauen. Aber ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann. Vielleicht kann ich sie noch überzeugen?
,,Trau ihr nicht über den Weg, Delly",schreie ich. ,,Ich hab ihr vertraut, und sie hat versucht, mich umzubringen. Sie hat meine Freunde umgebracht. Meine Familie. Geh nicht in ihre Nähe! Sie ist eine Mutation!"
Ein Mann greift hinein und zieht Delly raus. Wir wurden also die ganze Zeit beobachtet. Habe ich mir doch gedacht. Vielleicht hat sie sich einfach nicht getraut, frei zu sprechen. Vielleicht ist sie doch auf meiner Seite.
Jetzt schreie ich die Leute an: ,,Eine Mutation! Sie ist eine widerliche Mutation! Ihr könnt ihr nicht vertrauen! Sobald ich tot bin, tötet sie jeden einzelnen von euch! Sie ist der Tod! Eine Mutation! Ein Monster! Sie muss sterben! Sie ..."
Eine Spritze wird durch meinen Arm gejagt und zum hundertsten Mal wird alles schwarz.

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