Prolog

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Es ist merkwürdig.

Ich bin  immer davon ausgegangen, dass die Liebe pragmatisch ist. Ein Geschäft. Ein Vertrag, den man nur mit einem emotional aufgeladenen Wort umschreibt.

Ich dachte, diesen Vertrag schließt man mit einem Menschen ab, der so ähnlich ist, wie man selbst. Weil es bei meinen Eltern, meinen Großeltern und all unseren Bekannten so ist.

Gefühle, die damit einhergehen, sind höchstens ein großes Maß an Zufriedenheit, weil der Status quo und der opulente Lebensstil weiterhin abgesichert sind. Feine Teeparty's und edle Soirée's finden weiterhin statt und  füllen die innerliche Leere mit einem exquisiten Cocktail oder petit four.

Mir wurde beigebracht, dass die Liebe nicht "ihren Weg findet", sondern gelenkt wird.

Ich hatte mich damit abgefunden, ein Leben, wie meine Eltern zu führen, weil ich nie mutig genug gewesen bin, etwas anderes für mich zu fordern, als das, was sie mir zugestehen.

Ich hatte mich damit abgefunden, meinen Platz einzunehmen und das Vermögen und den Name der Familie Stone zu achten und zu vermehren.

Ich hatte mich mit der Wahl des perfekten Partners abgefunden, den meine Eltern für mich ausgesucht hatten.

Niemals hatte ich den Mut zu rebellieren. Stets war ich angepasst und störungsfrei gewesen.

Ich erwartete kein Glück von meinem Leben. Ich hatte keine Perspektive. Zumindest keine, die ich mir selbst gewählt hatte.

Nur in meinen Träumen, wenn ich die versteckten Ausgaben von Austen, Bronté und Byron hervorholte, darauf bedacht, dass mich niemand dabei sah, erblickte ich eine andere Welt.

Eine andere Liebe. Eine, die so vieles mehr war, als das, was ich mir selbst erlaubte und das, was in meiner Welt adäquat war. 

Eine Liebe, ruhig, wie ein See bei Nacht, in dem sich das Mondlicht und die tanzenden Körper der Glüchwürmchen spiegeln.

Aber gleichzeitig auch eine Liebe, wild, verzehrend und gefährlich.

... Und doch fand ich mich damit ab, dass mir solch eine Leidenschaft, solch ein Strudel der Emotionen nur in den Büchern begegnen würde.

Niemals hatte ich damit gerechnet, alles zu verlieren.

Und alles zu gewinnen.

Mein Leben war vorbei und wurde wiedergeboren...

An dem Tag, als ich ihn das erste Mal sah.


secret flowerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt