44. Kapitel

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"Gibt's hier ... ein Problem?" Seine Stimme war dunkel und ruhig.

"Sieh mal", sagte Pickel zu den anderen. "Kevin Costner für Arme spielt den Bodyguard für die kleine Diva hier." Doch sein Gesicht sah weit weniger mutig aus, als vorher.

Sein Kumpel fühlte sich anscheinend angestachelt und in seiner Ehre gekränkt, denn er trat einen Schritt auf Sam zu und zischte wütend: "Wo ist dein Problem, du Spast, wir können das gern draußen klären, wenn du willst. Drei gegen einen, wenn du dich traust. Wir können allerdings auch einfach so deine Kündigung fertig machen. Du weißt wohl nicht, wer wir sind."

In Sam's Augen glitzerte es gefährlich. Oh nein! Ich hoffte, dass ich ihn nicht in Schwierigkeiten gebracht habe. Er sah nämlich keineswegs so aus, als ob er eingeschüchtert wäre, sondern eher, als ob man ihn gerade zu einer kleinen Dart Runde aufgefordert hätte. Und er mit Freuden akzeptierte!

Mit einem Schluck leerte er sein Pinch Guiness und krempelte sich langsam die Ärmel seines Karo-Hemdes hoch. Darunter kam vollkommen zu tättowierte Haut zum Vorschein. Seine muskulösen Unterarme waren mit Totenköpfen, Rosen, Ranken und quotes bestochen. Es war wunderschön ... aber auch beeidruckend und ein bisschen furchteinflößend. Er sah aus, wie der Oberboss der Mafia.

Dann erhob er sich zu seiner vollen Größe und überragte die drei um mindestens einen Kopf. Jovial zeigte er auf den Ausgang.

"Ich wähle Option A. Falls ihr den Arsch dazu in der Hose habt und ihn nicht auf eurem ergonomischen Bürostuhl vergessen habt."

Der eine bekam es offensichtlich mit der Angst zu tun und auch die anderen regten keinen Muskel. Sam trat darauf einen Schritt auf den Anführer zu und packte ihn mit einer Faust am Kragen.

"Gute Entscheidung! Dann verpiss dich jetzt, Arschloch. Und grüß auch deine Freunde da drüben von mir."

Schwer atmend standen sie vor Sam und schienen hin und hergerissen zu sein, was sie tun sollten. Als sie immer noch keine Anstalten machten, zu verschwinden, trat ich vor den Anführer der kleinen Gruppe und flüsterte ihm zornig ins Ohr:

"Ich habe auch sehr gute Anwälte in meiner Familie. Falls das hier noch einmal vorkommt, oder das Konsequenzen für einen von uns hat, dann werde ich dafür sorgen, dass ihr alle gefeuert werdet."

Drei Sekunden sah er mich noch grimmig an, dann, ohne noch ein Wort zu verlieren, machten sie kehrt und verließen den Pub.

Erst jetzt registrierte ich, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten hatte und nun zischend ausatmete. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Auch Flipsi und Mika sahen etwas mitgenommen aus. Der Einzige, der immer noch tiefenentspannt wirkte, war Sam. In aller Seelenruhe griff er nach einer Zigarette und steckte sie sich hinter's Ohr.

Flipsi belebte ihre Lebensgeister zuerst. Aufgekratzt kam sie um den Tisch gerannt und umarmte Sam heftig.

"Das war soooooo toll, Sammi!! Danke, du hast sie ja voll fertig gemacht. Kannst du immer mit uns weggehen? Flipsi-Umarmung für dich!"

Sam, dem das sichtlich unangenehm war, schob sie ein Stück zurück.

"Schon gut, du Verrückte. Keine Ursache. Und noch etwas", drohend sah er sie an. "...Nenn mich nie wieder Sammi, kapiert? Sonst mische ich dir eigenhändig eine Valium in den nächsten Burger!"

Flipsi kicherte leise, schien aber nicht im Traum daran zu denken, seiner Drohung nachzukommen. 

"Danke." Ich sah Sam an und war ihm wirklich zutiefst verbunden, dass er sich so für uns eingesetzt hatte.

"Keine Ursache, Süße." Er zwinkerte mir zu, als wäre nichts gewesen.

Mika war die ganze Zeit unheimlich still gewesen und hatte mit gerunzelter Stirn auf den Tisch gestarrt. Sanft strich ich über seinen Rücken. So ein Gesicht sah ihm überhaupt nicht ähnlich.

"Hey, was ist los?", fragte ich leise.

Er schnaubte wütend und sah mich mit verletztem Ausdruck an.

"Ihr alle habt mich verteidigt und sogar Michael Myers da drüben hat mich beschützen müssen. Ich habe gar nichts gemacht. Ich war die ganze Zeit freezed und ihr habt alles abgefangen. Das ist doch ... armseelig. Ich bin armesilg!"

Mutlos sank er zurück und sah mit feuchten Augen auf die gefalteten Hände in seinem Schoß.

"Hey, wie kannst du so was sagen? Du bist mein liebster Lieblingsmensch auf der Erde! Komm her! Flipsi-Umarmung!"

"Nein, keine..." Bevor Mika noch irgendetwas sagen konnte, hatte Flipsi ihn schon in ihre Schraubstockarme gequetscht und knuddelte ihn. Für so einen kleinen Menschen hatte sie erstaunlich viel Kraft.

"Mhhhhh, das fühlt sich gut an, oder? Jetzt kannst du deine Tanks wieder auffüllen und redest nicht mehr so wirres Zeug." Rief sie fröhlich, während sie Mika in ihren Armen hin und her wog.

Sein Gesicht hatte eine gefährlich rote Farbe angenommen und er presste mühseelig ein "Nipft so ripfisch. Helpft mi dopf!", heraus.

Sam grinste nur schadenfroh. "Auf keinen Fall, Kumpel. Ich hatte auch grad schon das Vergügnen."

Sanft schälte sich MIka aus der Umarmung und ich rutschte wieder an seine andere Seite. Entschlossen griff ich nach seiner Hand und lächelte ihn warm an.

"Du hättest das jeder Zeit für jeden von uns auch getan. Du hättest niemals zugelassen, dass uns jemand weh tut. Nur bei einem selbst achtet man manchmal nicht so gut darauf. Aber dafür hast du uns. Denn wir würden auch nie zulassen, dass dich jemand verletzt."

Er erwiderte mein Lächeln dankbar und hauchte mir ein Luftküsschen auf die Wange.

"Weißt, dass ich dich unfassbar lieb habe, Tayra?", flüsterte er leise und ich drückte zwinkernd seine Hand.

Auch Sam hatte sich auf den Tisch gestützt und sah uns drei an.

"Entspann dich, Kumpel. Denkst du, ich habe immer ganz oben in der Nahrungskette gestanden? Bevor du dort ankommst, bekommst du erstmal ordentlich die Fresse voll und dann setzt du erst zur Verteidigung an. Mach dich locker. Beim nächsten Mal fallen dir schon ein paar gute Sätze ein. So, ich hol mir jetzt noch ein Bier. Versuscht, keinen Scheiß zu bauen. Bin nur drei Minuten weg."

Während Sam gemütlichen Schrittes zur Bar schritt, breitete sich in meinem Nacken ein Kribbeln aus.

Verwirrt drehte ich mich zur Tür um und sah, dass Luca im dort stand und mich beobachtete. Er hatte die Augen zusammen gekniffen und sah Sam mit unbewegter Miene nach. Als seine Augen wieder zu mir wanderten, leuchteten sie auf und er schenkte mir dieses unwiderstehliche Lächeln, dass ... naja, dass nur mir gehörte. Ich erwiderte es freudig und mein Atem setzte aus, als er sich schnellen Schrittes unserem Tisch näherte.

Und mit jedem Schritt, den er näher kam, schlug mein Herz schneller.

secret flowerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt