13. Kapitel

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"Und? Was sagen Sie?" Ich trat hinter dem Regal hervor.

Mister Hemken nickte zufrieden. "Das sieht doch viel besser aus, als dieses vollgeschmierte Ding von vorhin", meinte er gutmütig.

Luca dagegen musterte mich nur ausdruckslos. Seit Mister Hemken hereingekommen ist, hat er so getan, als wäre zwischen uns nichts gewesen. Als wir aufgeräumt haben, hat er nichts gesagt. Als wir die Farbe weg gewischt und die Regale in Ordnung gebracht haben, hat er beharrlich geschwiegen. Als mein Kühlakku nur noch lauwarmes Wasser gewesen ist, hat er ihn mir aus der weggenommen und mir den frischen in die Hand gedrückt. Natürlich OHNE ein Wort von sich zu geben...

Aber das macht mir nichts aus. Überhaupt nicht. Soll mich nicht stören. Das war kein  ... Ich suchte nach den passenden Worten, doch es wollte mir nichts einfallen.

Pff, wem wollte ich hier was vormachen? Belog ich mich jetzt schon selbst? Mein Herz schmerzte, als ob er es eigens mit einer Farbdose platt gewalzt hätte und das konnte ich nicht mit einem kühelnden Umschlag behandeln.

Aber das ließ ich mir natürlich nicht anmerken. So viel Stolz hatte ich dann doch.

Ich trat vor den kleinen Spiegel und war ganz zufrieden. Meine Haare waren zu einem ordentlichen Dutt geformt, meine Haut sah fast wieder normal aus und mein Gesicht war nur noch ein bisschen angeschwollen. Meine Nase hatte ebenfalls ihre alte Form angenommen. Das Einzige, was wirklich brutal war, war das blaue Veilchen. Dadurch hatte mein Gesicht nicht viel Ähnlichkeit mit der "alten" Tayra. Ich sah eher aus, wie die Tayra, die gerade die erste Woche im Frauenknast überlebt hatte. ... Aber das ließ sich jetzt nicht ändern.

Den Blaumann hatte ich mit einem rosa Gürtel von Ralph tailliert und ein rosa Haarband (ebenfalls Ralph) um meinen Kopf geschlungen. (Den Rest des Kleides hatten wir in einen Müllsack gestopft. Das hatte sich besser angefühlt, als jede Therapiestunde!!)

"Es ist merkwürdig, aber in diesem Outfit, fühle ich  mich mehr, wie ich selbst, als je zuvor", murmelte ich leise, während ich die recycelte Tayra im Spiegel betrachtete.

Mister Hemken schien sich zu freuen.

"Sie werden dich da draußen trotzdem exekutieren", kam es knapp von Luca.

"Sieh an. Er spricht", gab ich spitz zurück und warf ihm im Spiegel einen kühlen Blick zu.

"Mach, was du willst", meinte er betont gleichmütig. "Mein Leben ist es nicht, was gerade den Bach runter geht."

Das ... war ein Schlag unter die Gürtellinie und ich sah ihm an, dass er das auch wusste.

Das schlimmste war, dass er mich damit wirklich verletzt hatte. Sehr!  Was war sein Problem? Wieso war er mal höflich und besorgt und .... so unfassbar sexy und dann wieder Satans Sohn persönlich?

Ich blitzte ihn wütend an und gerade, als ich ihm eine gepfefferte Antwort entgegen werfen wollte, ertönte im Ballsaal der Gong. Mein Magen zog sich schmerzahft zusammen und ich blickte in die Richtung, aus der er gekommen war.

Er war das Zeichen für die Gäste, sich dort zu versammeln und Timothy's und mein Signal, oben an der breiten Steintreppe Stellung zu beziehen, um dann zu einem live gespielten Klavierstück von Mozart nach unten zu schweben. Dies diente natürlich nur dem Zweck, dass alle unsere ineinander verschränkten Hände (#würg) sehen und uns begaffen konnten. Dass alle wussten, dass die Porter's und die Stone's in Zukunft zusammen gehören würden.

Gut. Ich würde ihnen was zum Begaffen geben.

Doch ehrlich gesagt, fühlte ich mich auf einmal gar nicht mehr so tough. Tatsächlich war mir ziemlich übel und mein Bauch grummelte laut. Hoffentlich musste ich mich jetzt nicht vor Aufregung übergeben. Ich schloss die Augen und versuchte, die furchtlose "Knast-Tayra" in mir zu aktivieren.

Ohne Erfolg. So jemand war ich einfach nicht.

"Du siehst blass aus, Lily." Luca war plötzlich vor mir und befühlte besorgt meine Stirn. Ich hatte ihn gar nicht näher kommen hören. "Charles, gib mir nochmal den Kühlakku. Sie fühlt sich fiebrig an."

Der hatte vielleicht Nerven... Hitzig schlug ich seine Hand weg (die sich so warm und stark angefühlt hatte).

"Weißt du, was mich schwach macht?", fauchte ich ihn an und trat einen Schritt zurück. "In der einen Sekunde bist du so zuvorkommend und ich denke, wir verstehen uns gut und dann kommt im nächsten Moment wieder ein verbaler Knock-out-Schlag von dir, der mehr schmerzt, als mein blaues Auge. Das hält doch kein Mensch aus."

Das war mir einfach so rausgerutscht. Ich wollte ihm nicht zeigen, wie tief mich sein Verhalten traf, doch es gab kein Halten mehr. Der dritte Gong ertönte. Er schluckte schwer und trat einen Schritt auf mich zu.

Doch ich ließ keine Nähe mehr zu und ging ebenfalls zurück.

"Ich gehe da jetzt raus. Und ach: Mach dir keine Sorgen! Ich bin bisher immer allein zurecht gekommen! Also brauche ich deine Hilfe jetzt auch nicht! Lehn dich zurück und genieß die Show. Schau genau hin, vielleicht kannst du dann eine Tussi auf deiner Studentenparty mit meiner Story belustigen. Wird bestimmt ein richtiger Lacher." Mein Stimme versackte mir, so aufgebracht war ich. Und verbittert. Und traurig. Alles auf einmal.

Bevor Luca noch etwas erwidern konnte, hatte ich mich zu Mister Hemken umgedreht, um ihn zu umarmen und für seine Hilfe zu danken.

Dann wandte ich mich Richtung Tür und riss sie auf.

Der siebte Gong... Ich war zu spät.

Im Gehen drehte ich mich nochmal halb zu Luca um: "Aber ich danke dir  natürlich trotzdem:" Das trotzdem betonte ich besonders heftig. "Für deine gleichbleibend höfliche Art und deine Unterstützung, oh und habe ich schon deine netten Worte erwähnt? Das war den ganzen Abend so aufbauend. Einfach fantastisch." Meine Stimme troff vor Zynismus und nur wer genau hinhörte, hörte auch den Schmerz heraus.

"Lily...", rief er mir hinterher, doch da hatte ich die Tür zur Besenkammer schon zugeworfen und stürmte Richtung Steintreppe.

Zu meiner ganz persönlichen Hinrichtung.

Aber ich würde keinen Rückzieher machen.

Heute nicht!


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