*Schriftliche Anhörung*

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Liebe Polizei,

Danke für Ihren netten Brief und die Fürsorge.

Es tut mir Leid dass ich Ihnen solche Umstände bereite und Sie in den letzten Wochen so viel mit mir zu tun haben mussten.

Ich gebe zu dass ich mit einem Stein die Scheibe der Apotheke eingeschlagen habe und ich habe das weder aus Frust noch aus irgendwelchen Aggressionen gegenüber Apothekern getan.

Ich habe Medikamente benötigt und wusste keinen anderen Ausweg.

Ich nahm seit einem halben Jahr das Antidepressiva „Sertralin", 100 mg, zuletzt selbstständig auf 150 mg erhöht. Auf Grund meines Umzugs von Österreich nach Deutschland und einem Krankenkassenproblem ist es nicht einfach an neue Tabletten zu kommen. Durch die erhöhte Dosis waren die Tabletten zudem schneller weg und ich habe sie somit von einem Tag auf den anderen ungewollt abgesetzt. Das sollte man nicht tun, aber ich habe nicht mit so gravierenden Auswirkungen gerechnet.

Mir ging es sehr schlecht und ich habe jeden Tag nur schwer ertragen können, weshalb ich einmal auch von Ihren Kollegen, die erst dachten ich hätte Drogen genommen, tatsächlich waren es aber Entzugserscheinungen, in die psychiatrische Notaufnahme der **** Klinik gebracht wurde.

In der Klinik habe ich mit einem Arzt gesprochen der mich zu meiner bisherigen Krankengeschichte befragt hat. Ich erzählte von einer diagnostizierten mittelschweren Depression und einer Angststörung. Ich habe ihm auch Narben gezeigt auf meinem Arm, wo ich mich selbst verletzt habe. Er hat gefragt ob ich manchmal Lebensüberdruss Gedanken habe und ich bejahte.

Dieser Arzt wusste das ich Sertralin brauche und er wusste dass ich zu diesem Zeitpunkt enorme Probleme hatte. Hat er mir geholfen? Nein. Am Ende sollte ich ihm die Hand geben und versprechen dass ich mir nichts antun würde wenn ich jetzt nach Hause ginge, weil er sonst in Schwierigkeiten gerät. Und das war es, mehr habe ich von ihm nie zu hören bekommen.

Ich war schon bei vielen Ärzten, habe bei Psychologen immer erst Termine in drei Monaten bekommen und selbst wenn ich von der Polizei persönlich in die psychiatrische Notaufnahme gebracht werde, habe ich keine Hilfe bekommen. Allen war ich egal und ich war es Leid ständig neue Hoffnungen für neue Ärzte aufzubringen, das ist nämlich anstrengend wissen Sie?

Dementsprechend hatte ich keine andere Wahl als mir selbst zu helfen und so viele Möglichkeiten gibt es da nunmal nicht. Anscheinend, habe ich wirklich geglaubt dass ich in eine Apotheke einbrechen und mir selbst Medikament besorgen kann.

Es war naiv, es war dumm und mir war eigentlich zu neunzig Prozent klar dass das nicht klappen kann. Aber ich war verzweifelt weshalb mir die zehn Prozent gelangt haben.

Außerdem wollte ich etwas haben das sofort hilft, gegen Ängste und die Geister in meinem Kopf, etwas wie Diazepam was mir bisher auch kein Arzt verschreiben wollte.

Ich stand lange vor der Apotheke und habe überlegt. Mir war vollkommen bewusst was es bedeuten würde die Scheibe einzuschlagen, es war mir bewusst dass es bescheuert ist und das macht die Tatsache dass ich es doch gemacht habe noch schlimmer. Zumindest für mich.

Der Gedanke der mich am Ende dazu bewegt hat zuzuschlagen, war, dass ich keinen Tag länger in jenem Zustand leben wollte, ich wollte keine weitere Nacht alleine mit meinen Gedanken verbringen. Musste ich ja dann doch wie Sie wissen.

Wer keine psychischen Probleme hat, kann sich nicht vorstellen wie schwierig es ist jemanden zu finden der einen in solchen Lagen ernst nimmt und zuhört. Am Ende steht man doch alleine da und muss selbst schauen wie man in dieser lauten Welt zurecht kommt.

Ich musste zu drastischen Mitteln greifen um mich selbst zu retten.
Das ist die Geschichte zu meiner Sachbeschädigung. Die traurige Wahrheit.

Bei den ganzen dummen Ärzten waren übrigens alle Polizisten denen ich begegnet bin, immer sehr hilfsbereit und freundlich. Die *Stadtname* Polizei macht alles richtig, großes Lob.

Mit freundlichen Grüßen,

Marta *Nachname*


P.S.:Grüßen Sie doch bitte die Polizisten die mich in der **** Klinik abgegeben haben, die waren mir bisher am liebsten. Auch wenn die ihr Versprechen gebrochen haben, mich von dort wieder abzuholen und nicht alleine zulassen mit den Irren (ich meine nicht die Patienten).

Ich verzeihe ihnen und bedanke mich für ihre Bemühungen. Sie waren die einzigen die jemals versucht haben mir wirklich zu helfen.

Lieber Herr S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt