Der Tag an dem ich Drogen abhängig wurde

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23.01.2020

Lieber Herr S.,

Ich muss sagen mir geht es gerade sehr gut. Aber bevor Sie sich zu früh für mich freuen sag ich Ihnen lieber gleich dass ich eventuell auf Drogen bin. Also ich bin auf Drogen. Nicht eventuell. Aber Sie dürfen sich trotzdem für mich freuen weil es mir ja wie gesagt gut geht und es ist nicht so dass mich das irgendwie zerstört. Körperlich oder psychisch, mir geht es wirklich sehr gut. 

Es ist Speed falls Sie sich fragen was es ist. Speed. Und dass erfrischt, ich fühle mich erleichtert und so frei wie schon lange nicht mehr.

Ich glaube so fühlt sich Glück an, so muss es sich anfühlen wenn man glücklich ist, ich habe das lange nicht mehr gespürt es ist als wäre ich zurück im Leben. Großartig.

Am liebsten würde ich die ganze Tüte leer machen weil es so toll wirkt, aber ich muss mir natürlich was aufsparen. Warum kann ich mich nicht immer so fühlen dass wäre so toll, manche können sich ja immer so fühlen ist doch unfair oder? Ich finde das unfair, sehr unfair. Aber so ist es nun mal. Der Rest der sich nicht so fühlt, der von Grund auf nicht glücklich sein kann und zu dem ich gehöre muss sich eben selbst helfen und dass habe ich gemacht. Das ist nicht verwerflich Herr S, dass ist in Ordnung. 

Seien Sie nicht böse bitte, vertrauen Sie mir, Sie müssen mir vertrauen alles ist gut wirklich. Das einzige was drunter leidet ist mein Konto. Geht aufs Geld aber was tut man nicht alles um zu überleben. 

Seien Sie nicht enttäuscht. Gönnen Sie mir diese Pause, lange genug habe ich das Leben ertragen, ich will nur eine Pause von allem und weil man nicht vorübergehend sterben kann, was ja auch deprimierend und traurig wäre, mache ich dass so. Ist die schönere Variante. Alkohol lässt dich immer auch gleich kaputt wirken und du bist nicht du selbst. Aber Speed mit Speed ist man man selbst nur dass alles Negative ausgeschaltet wird, seien Sie nicht enttäuscht, ich weiß was ich tue wirklich.

Das einzige was mir gerade Sorge macht ist dass die Wirkung irgendwann nachlassen wird und wenn ich dann gleich die nächste Line ziehe ist das Zeug ziemlich schnell weg und ich kann ja nicht mein ganzes Geld für Speed ausgeben. Naja. Wäre ja eigentlich ne Investition. Ich kann ja weniger essen, ich brauch eh kein Essen jetzt voll gut.

Bitte lass nicht nach. 

Ach Herr S. Es fühlt sich so frisch und klar an im Gehirn, wie schön. Freuen Sie sich für mich, Sie wollten doch bestimmt auch dass es mir besser geht. Ich hab auch Gras aber ehrlich gesagt bin ich zu doof dafür, für Zigaretten drehen, ich rauche ja nicht ich hab also keine Übung darin ich übe es gerade aber dass ist so kompliziert, Speed geht schneller aber irgendwann werde ich es noch lernen, Gras ist billiger als Speed. Aber wirkt bestimmt nicht so gut, das macht ja eher träge und ich brauche etwas dass mich lebendig macht.

Es ist nicht so schwierig an das Zeug zu kommen. Ich bin sehr froh dass ich es habe.

Das müsste der glücklichste Brief werden den ich je an Sie geschrieben habe, zumindest habe ich mich noch nie so gut gefühlt wenn ich Ihnen schreibe, dass mache ich ja sonst immer nur wenn alles scheiße ist. Auch irgendwie blöd oder? Für Sie meine ich, ist ja voll der Stimmungskiller jedes Mal. Als wären Sie ein Kummerkasten. Tut mir Leid, tut mir wirklich Leid dass Sie mich ertragen müssen und zwar immer nur an meinen schlechten Tagen ertragen müssen ich brauche eben ein Ventil aber jetzt mal aus objektiver Sicht, ich habe grad ein objektive Sicht weil ich gerade nicht im schwarzen Strudel aus dunklen Gedanken herumgeschleudert werde, ich kann Ihnen jetzt ganz unbeteiligt (heißt das so? Oder unbetroffen? Oder wie heißt das?) Ich kann Ihnen jedenfalls unbeteiligt versichern dass Sie mein Leben mehrmals gerettet haben. Zumindest glaube ich das. Nein, ich weiß es eigentlich, Sie haben der Marta mehrmals geholfen in dem Sie einfach als Adressat fungiert haben. Der Marta die ich sonst immer bin, der Schatten-Marta die mit der Dunkelheit verschmilzt und eine kaputte Seele und ein Herz voller Narben hat. Ich wünschte diese Marta gäbe es nicht aber das würde dann bedeuten dass es mich nicht gäbe und das wäre auch irgendwie blöd. Nicht zu existieren ist ja auch keine Lösung. Jedenfalls bin ich jetzt die normale Marta, die richtige Marta, so wie ich sein sollte, ich bin die Person die ich bestimmt war zu sein. Deswegen muss ich mich schließlich auch mal zu Wort melden und Ihnen Rechenschaft ablegen für die Schatten-Marta. Ich bin sowas wie ihre Erziehungsberechtigte.

Lieber Herr S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt