05.02.2020
Lieber Herr S,
Ich habe Angst. Große Angst, gerade eben. Was soll ich tun? Immer wenn ich so lange wach bleibe bekomme ich Angst, vielleicht weil ich weiß das die Zeit rennt und ich schnell schlafen muss bevor die Nacht rum ist. Ich brauche den Schlaf. Es gibt bestimmt Menschen die auf Schlaf verzichten könnten wenn sie genügend Energie haben, aber ich brauche einen Neuanfang jeden Tag.
Im Laufe des Tages nehmen die Gedanken immer mehr Masse an und ich werde verwirrter und verwirrter, deshalb brauche ich Schlaf. Eine Pause von mir und meinem Leben und dann ein Neuanfang. Zwei Tage hintereinander mit mir aushalten ist nicht leicht. Und jetzt bleibt kaum mehr Zeit dafür. Ich weiß ja dass es dumm ist Speed am Abend zu nehmen, aber dann brauche ich es am meisten. Ist wiedersinnig ich weiß.
Ich habe gerade vier Stunden meine Wohnung geputzt weil ich voller Energie war. So sauber war die Wohnung bestimmt noch nie. So sauber war noch von niemandem Wohnung. Ich habe alles geputzte, die Küche, das Bad, alle Lichtschalter und Steckdosen, die Türen, die Fenster innen und außen, Tische, Möbel, Bücher, Lampen, Stühle und mein E-Piano. Ich habe jede Taste einzeln geputzt und jede Taste runtergedrückt um auch die Seiten sauber zu bekommen. Und den Stromkasten hab ich auch geputzt. Hat ewig gedauert und ich fühle mich immer noch so fit. Nur mein Gehirn will schlafen. Das ist ja das dumme.
Speed macht fröhlich, erst macht es fröhlich und fit. Doch die Euphorie schwindet als erstes wieder. Oder sie schlägt um, keine Ahnung. Auf jeden Fall kommt dann der Punkt wo man doch nicht mehr so gut drauf ist, so wie jetzt, an dem man nur Angst hat und schlafen will aber nicht kann weil der Körper auf Hochtouren läuft.
Die Nacht ist fast um. Aber meine Wohnung ist blitzblank, das muss man mir lassen. Da soll einer nochmal die Auswirkungen von Speed schlecht machen.
Obwohl jetzt fühl ich doch langsam Müdigkeit, wenn ich hier so liege und schreibe.
Aber Angst. Ich habe so Angst Herr S.
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Lieber Herr S.
Non-FictionIch schreibe Briefe an meinen Lehrer die ich nie abschicke. Herr S. begleitete mich durch alle Höhen und Tiefen: Begegnungen mit Polizisten, die Einweisung in die Psychiatrie und der Beginn einer Drogensucht. Die Briefe an ihn haben mich das alles ü...