08.03.2020
Lieber Herr S.,
Ich muss Ihnen schnell schreiben bevor ich es nicht mehr für nötig halte, in ein paar Minuten werde ich schon nicht mehr komplett Herr meiner Selbst sein.
Keine Erklärungen oder Rechtfertigungen, ich will mich auch nicht ausheulen, ich will Ihnen nur mitteilen dass jeder Brief ab jetzt der Letzte an Sie sein könnte und womöglich ist schon dies der letzte Brief.
Ich will dem Arzt nicht Recht geben weil er alles dramatisiert hat, aber ich spüre dass sich meine Prioritäten verschieben.
Das Drogen den Charakter verändern konnte ich nie nachvollziehen, doch jetzt erfahre ich es selber und es ist mir egal. Alles ist mir mittlerweile egal aber Sie haben trotzdem das Recht auf einen letzten Brief.Danke dass Sie es versucht haben, aber mich gibt es eigentlich gar nicht mehr.
Es fängt an. Aber ich will diesen Brief nicht beenden, damit würde alles zu Ende gehen. Ich habe keine andere Wahl.
Ich habe irgendwie die Fähigkeit verloren das große Ganze zu sehen und zu reflektieren, ich kann das nicht mehr und weiß deshalb auch nicht so recht wo ich stehe, es ist kompliziert und vielleicht wird es noch komplizierter.
Vielleicht ist für mich einfach kein Happy End vorgesehen.
Leben Sie wohl Herr S.
Falls das alles nicht gut ausgeht würde ich mich freuen wenn Sie zu meiner Beerdigung kommen.
Marta
DU LIEST GERADE
Lieber Herr S.
Non-FictionIch schreibe Briefe an meinen Lehrer die ich nie abschicke. Herr S. begleitete mich durch alle Höhen und Tiefen: Begegnungen mit Polizisten, die Einweisung in die Psychiatrie und der Beginn einer Drogensucht. Die Briefe an ihn haben mich das alles ü...