7 - Auf ins Abenteuer

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Die Nacht verbringen Mister Krakenstein und ich am Strand. Natürlich mit einem gewissen Sicherheitsabstand zu den anderen Gegenständen, die zwar nicht mehr mit Sandbällen nach mir werfen, mich aber trotzdem noch mit vernichtenden Blicken strafen.

Es ist faszinierend, wie gut sich die Krake als Kissen eignet und wie schnell ich in den flauschigen Tentakeln einschlafen kann. Träume habe ich keine, aber wenigstens fühle ich mich sicher und geborgen.

Am nächsten Morgen werde ich von kalten Wasserperlen geweckt, die mich unter der Fußsohle kitzeln. Ich strecke mich einmal der leuchtenden Sonne entgegen, die sich langsam aus dem Meer erhebt, und gähne herzhaft.

Scheinbar kommt gerade die Flut, denn immer mehr Wellen werden vom Ozean bis zu meinen Füßen getragen und umspielen mit ihren weißen Schaumkronen meine Zehenspitzen.

„Br!" entfährt mir ein fröstelnder Laut. Ich setze mich aufrecht hin und ziehe die Beine in Richtung Bauch. Dann wandert mein Blick zur Seite und lässt mich erstarren.

Mister Krakenstein ist weg. Wie vom Erdboden – oder Meerwasser – verschluckt.

Ich reibe mir einmal über die Augen, doch die Sandfläche neben mir bleibt leer.

„Komisch", murmele ich. Ob ich mir die Insel der verlorenen Schätze und das XXL-Plüschtier bloß eingebildet habe? Die vielen, bunten Gegenstände, die ich wie winzige Farbkleckse in der Ferne ausmachen kann, sprechen dagegen.

Ob mich das erleichtern sollte? Keine Ahnung.

Mit müden Knochen erhebe ich mich aus dem Sand und atme für ein paar Sekunden die salzige Luft ein, die vom Meer zu mir rübergeweht wird. Da die Sonne gerade erst aufgeht und es dementsprechend noch sehr früh sein muss, ist es mucksmäuschenstill um mich herum. Lediglich das Pfeifen des Windes und das Rauschen der Wellen führen eine Komposition der Zufriedenheit auf.

„Oh, du bist ja schon wach", ertönt plötzlich eine vertraute Stimme neben mir. Sofort wirbele ich herum und schaue in das lächelnde Gesicht von Mister Krakenstein. „Hast du gut geschlafen, Frankie?"

Ich nicke, ehe ich schmunzele: „Du warst ein perfektes Kopfkissen!"

„Manche Dinge ändern sich wohl nie", erwidert der Oktopus mit einem sehnsuchtsvollen Zwinkern. Danach streckt er mir einen seiner Tentakel entgegen, in dem er eine Kokosnuss samt Strohhalm festhält. „Hier. Für dich."

Dankend nehme ich ihm die Steinfrucht ab und probiere auch sogleich einen Schluck. Das Kokoswasser schmeckt mild und leicht süßlich und ist mit einem nussigen Aroma versehen. Außerdem ist es sehr erfrischend und hilft mir dabei, vollständig wachzuwerden.

Nachdem ich das Kokoswasser leergeschlürft habe, frage ich Mister Krakenstein vorsichtig: „Hast du etwas von Marlo gehört? Kommt er mit uns mit?"

Bei meiner Frage senkt der Oktopus seinen Kopf und weicht meinem Blick aus. Ich kann ihm ansehen, wie unwohl er sich fühlt, als er leise murmelt: „Ich fürchte, er wird nicht kommen. Tut mir leid, Frankie."

Ein riesiger Kloß bildet sich in meinem Hals und erschwert mir das Atmen.

Hätte ich gestern Abend hartnäckiger sein müssen? Oder ihm mehr Honig um den Mund schmieren sollen?

Da sich die Vergangenheit sowieso nicht mehr ändern lässt, schlucke ich meine Enttäuschung herunter und säusele möglichst unbekümmert: „Dann sind es wohl nur wir zwei. Auch nicht schlecht."

Mister Krakenstein erwidert mein aufgesetztes Lächeln mit einer Fratze, die vermutlich ein Grinsen darstellen soll. „Wenn du möchtest, rede ich nochmal mit ihm und-"

Die Insel der verlorenen SchätzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt