18 - Keine andere Wahl

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Meine Lunge brennt wie Feuer, als ich die Weggabelung erreiche und dem linken Pfad folge. Wie Bade-Berta gesagt hat, kann ich den See, der von mehreren Rosensträuchern umschlossen wird, bereits aus der Ferne sehen.

Obwohl sich die Sonne gerade erst an den Himmel kämpft und die Palmen viel Schatten spenden, erkenne ich Marlo sofort. Er steht am Seeufer und unterhält sich mit einem roten Schlauchboot. Dass es sich um Platsch handelt, steht außer Frage.

„Marlo!", brülle ich so laut ich kann seinen Namen. Gleichzeitig befehle ich meinen Füßen noch schneller zu laufen. Zwar sind sie müde und würden vor lauter Schmerzen am liebsten stehenbleiben, aber irgendwie schaffen sie es, meinem Befehl Folge zu leisten.

Ich habe keine Ahnung, ob Marlo mich nicht hört oder mit Absicht ignoriert, doch er schwingt vorsichtig sein erstes Bein in das Boot.

Oh nein!

Tränen der Panik bilden sich in meinen Augen und mein Herz schlägt schneller. Er darf mir auf keinen Fall entwischen!

„Marlo!", schreie ich deshalb erneut. Dieses Mal hysterischer und panischer.

Wie vom Blitz getroffen wirbelt der Angesprochene herum und schaut geradewegs in meine Richtung. Trotz der Entfernung, die zwischen uns liegt, kann ich beobachten, wie sich ein überraschtes Funkeln in seinen Augen entzündet.

Kurz scheint er zu überlegen, ob er einfach wortlos mit Platsch verschwinden soll, aber Gott sei Dank entscheidet er sich dagegen und steigt wieder aus dem Boot aus. Er wechselt ein paar Worte mit Platsch und joggt dann auf mich zu.

Es dauert nur wenige Sekunden und schon stehen wir uns gegenüber. Wie zwei Ertrinkende, die nach Halt suchen, aber keinen finden.

Während Marlo es nicht schafft, meinen Blick zu erwidern, kämpfen sich aus meinen Augenwinkeln immer mehr Tränen. Voller Verzweiflung lasse ich mich in Marlos Arme fallen und bette mein Gesicht an seiner Brust. Genau dort, wo ich seinen viel zu schnellen und viel zu ungleichmäßigen Herzschlag spüren kann.

„Frankie ...", wispert Marlo leise. Er klingt hilflos und überfordert. „Was ... Was machst du hier?"

Ich löse mich aus seinen Armen und wische mir mit der Handfläche die Tränen von den Wangen. „Die Frage ist wohl eher, was du hier machst!", erwidere ich schniefend.

Obwohl ich Marlo rechtzeitig gefunden habe und nun in seiner Nähe bin, verschwindet das mulmige Gefühl nicht aus meiner Magengrube. Viel eher verstärkt es sich noch.

„Komm!" Marlo streckt mir seine Hand entgegen, verwebt unsere Finger miteinander und führt mich vorsichtig zu zwei großen Steinen. „Setz dich erstmal hin."

Widerstandlos komme ich seiner Aufforderung nach und hocke mich auf die raue Steinoberfläche. Mein Körper beginnt zu zittern und meine Gedanken fahren Achterbahn. Ich verstehe einfach nicht, warum Marlo so früh am Morgen aufgebrochen ist, ohne ein Wort zu sagen. Und warum zum Teufel wollte er ohne mich zu Nerina fahren?

Irgendetwas übersehe ich!

„Bitte sag mir, was los ist, Marlo", flehe ich ihn verzweifelt an.

Wie ein Raubtier tigert er nervös von rechts nach links. Noch immer schafft er es nicht, meinen Blick zu suchen, als er leise flüstert: „Ich werde dir helfen, die Insel zu retten. Wie ich es versprochen habe."

Hä?

„Aber das hast du doch schon längst getan!", widerspreche ich ihm. „Die ganzen Hütten und ..." Ich halte inne, denn plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Klägliche Schluchzer kämpfen sich an die Freiheit und immer mehr Tränen strömen in Sturzbächen über meine Wangen.

Die Insel der verlorenen SchätzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt