Ist es sehr armselig von mir, seit einer Stunde im Sand zu hocken und meinen Schwarm, Sawyer Bridge, aus der Ferne anzuhimmeln? Mein Kopf kennt die Antwort, doch mein Herz weigert sich, diese zwei Buchstaben laut auszusprechen.
Statt einfach zu Sawyer rüberzugehen und ihn in ein Gespräch zu verwickeln, lehne ich mich lieber weiterhin an den alten Strandkorb mit der Nummer drei und nippe an meiner Piña Colada. Zwischendurch rollen ein paar Wellen an den Strand, die meine Zehen umspielen und eine salzige Note in der Luft verteilen.
Im Hintergrund dröhnt laute Partymusik aus den Boxen, die sich mit dem Gelächter und Stimmengewirr mehrerer feierwütiger Studenten vermischt. Gläser klirren aneinander, Jubelschreie steigen zum Horizont empor und Feuerwerkskörper sausen zischend über den glänzenden Meeresteppich aus verschiedenen Blautönen hinweg.
Normalerweise liebe ich diese ausgelassenen Partynächte am Strand, doch heute ist mir nicht nach Feiern zumute. Zumindest, seit ich gesehen habe, wie Sawyer mit einer knapp bekleideten Blondine gesprochen hat. Ständig haben sie sich schmachtende Blicke zugeworfen oder sich ganz zufällig mit den Armen und Schultern berührt.
Dass ich sowieso keine Chancen bei Sawyer habe, ist mir natürlich bewusst, aber trotzdem ist es schmerzhaft, ihn mit einer anderen Frau zu sehen. Einer Frau, die hübscher, lustiger und vor allem offener ist als ich.
„Frankie!", ertönt plötzlich mein Name, weshalb ich zusammenzucke. „Da bist du ja!" Obwohl die Musik ohrenbetäubend laut ist und der Alkohol langsam mein Hirn vernebelt, würde ich diese Stimme unter tausenden wiedererkennen.
„Jodie!"
Ich drehe mich um und schaue in das vertraute Gesicht meiner besten Freundin. Ihre Wangen sind gerötet und auch in ihren Augen erkenne ich rote Flecken.
„Ich hab dich schon überall gesucht!" Jodie taumelt zwei Schritte zur Seite, ehe sie sich ächzend in den Sand plumpsen lässt. Dass sie dabei die Hälfte ihres Getränks verschüttet, scheint sie entweder nicht zu bemerken oder es ist ihr egal. „Was machst du überhaupt hier so allein? Du kannst doch nicht so blöd auf einer Party rumsitzen, wenn alle anderen tanzen." Trotz des Alkohols beherrscht sie ihren vorwurfsvollen Lehrerinnenblick perfekt.
„Ich habe keine Lust, zu feiern", antworte ich ehrlich.
„Und warum nicht?" Jodie neigt ihren Kopf nach rechts und starrt mich ungläubig aus ihren moosgrünen Augen an, die hinter einer runden Brille versteckt sind. „Das Semester ist zu Ende und die letzten Klausuren sind geschrieben. Wenn das kein Grund zum Feiern ist, dann weiß ich auch nicht ..."
Bei ihren Worten entflieht mir ein frustriertes Seufzen. Für den Bruchteil einer Sekunde wandern meine Pupillen über den glitzernden Ozean, bis sie wie von selbst an Sawyer haften bleiben.
Er steht mit vier anderen Jungs in einem Kreis und spielt Volleyball. Obwohl uns mindestens fünfzehn Meter voneinander trennen, kann ich die Schweißperlen auf seiner gebräunten Haut und das konzentrierte Funkeln in seinen karamellfarbenen Iriden problemlos erkennen. Die Tatsachen, dass er oberkörperfrei ist und seine Bauchmuskeln ein faszinierendes Schauspiel aufführen, machen es nicht unbedingt leichter, den Blick abzuwenden. Im Gegenteil.
„Oh man", seufzt Jodie nun genervt, weshalb ich meine Aufmerksamkeit zurück auf sie richte. „Du sitzt hier so allein, um deinen Lover anzuschmachten und im Liebeskummer zu ertrinken?" Jodie stößt ein spöttisches Schnauben aus. „So kann es echt nicht mehr weitergehen, Frankie. Zeig, dass du Eierstöcke hast und geh zu ihm rüber!"
„Was?!" Ich schaue Jodie panisch an. „Ich kann doch nicht einfach zu ihm hingehen!"
„Ach nein?" Meine Freundin zieht ihre Augenbrauen so hoch, dass sie beinahe unter ihrem Haaransatz verschwinden. „Und warum nicht?"
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Die Insel der verlorenen Schätze
FantasySeit Frankie ein kleines Mädchen ist, liebt sie die Legende von der Insel der verlorenen Schätze. Laut Erzählungen landen dort all die Dinge, die im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Eines Tages wacht Frankie auf genau dieser Insel auf. Unterkü...