Kapitel 29

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DIEGO

Der nächste Tag beginnt früh und ich wache im Krankenhausbett auf. Meine Brust schmerzt noch immer. Die Sonne scheint durch das Fenster und taucht den Raum in ein warmes Licht. Ich bin allein und es dauert eine Sekunde, bis ich mich an alles erinnere, was gestern passiert ist. Norah, die Entführung, der Kampf um unser Leben.

Ich strecke mich vorsichtig und sehe die Tür aufgehen. Norah tritt ein, eine Tasse Kaffee in der Hand und ein Lächeln auf den Lippen. Sie sieht müde aus, aber immer noch wunderschön.

„Guten Morgen," sagt sie und kommt zu meinem Bett.
„Morgen," antworte ich mit rauchiger Stimme und setze mich auf, obwohl es schmerzt. „Wie geht's dir?"
„Mir geht's gut," sagt sie, setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett und reicht mir den Kaffee. „Und dir?"
„Ich bin schon schlimmeres gewohnt," sage ich und versuche, meine Schmerzen zu verbergen. „Wie hast du geschlafen?"
„Nicht besonders gut," gibt sie zu. „Ich habe die ganze Nacht an gestern gedacht."

Ich nicke und trinke einen Schluck von dem Kaffee. „Ich auch. Aber wir haben es geschafft. Das solltest du im Kopf behalten."
„Ja," sagt sie und schaut mich an. „Ich bin froh, dass du okay bist."
Ich grinse leicht. „Ich bin ein harter Kerl. Das weißt du doch."
Sie lacht leise und schüttelt den Kopf. „Ja, natürlich."

Ein Arzt kommt herein und unterbricht unser Gespräch. „Guten Morgen, Mr. Díaz," sagt er. „Wie fühlen Sie sich heute?"

„Gut genug, um hier rauszukommen," sage ich bestimmt.
„Wir müssen noch ein paar Tests machen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist," antwortet der Arzt. „Aber wenn alles gut aussieht, können Sie in wenigen Stunden nach Hause."

„Das klingt gut," sage ich und werfe Norah einen vielsagenden Blick zu. „Ich kann es kaum erwarten, hier rauszukommen."
Der Arzt lächelt und macht sich an die Arbeit, meine Vitalzeichen zu überprüfen und mir Fragen zu stellen. Norah bleibt währenddessen an meiner Seite.

Nachdem der Arzt gegangen ist, drehe ich mich zu ihr um. „Hast du Pläne für heute?" frage ich.
„Eigentlich wollte ich dich nur besuchen," sagt sie. „Aber wenn du später rauskommst, könnte ich dich nach Hause bringen."
„Das wäre toll," sage ich und meine Stimme wird weicher. „Und danke, dass du hier bist."
Sie lächelt und ihre Augen leuchten. „Natürlich."

Die Stunden vergehen langsam, aber endlich gibt der Arzt grünes Licht. Norah hilft mir, meine Sachen zu packen, und wir machen uns auf den Weg nach draußen. Als wir das Krankenhaus verlassen, atme ich tief durch.

„Also möchtest du nach Hause?" fragt Norah, als wir zu ihrem Auto gehen.
„Ich hätte auch kein Problem mit deinem Zuhause," sage ich ohne zu zögern. „aber ich brauche eine Dusche und etwas zu essen."
Sie lacht. „Klingt gut."

Die Fahrt zu ihr nach Hause ist ruhig, und ich genieße einfach ihre Nähe. Als wir ankommen, fühle ich mich seltsam erleichtert. Ihr Zuhause fühlt sich fast wie mein eigenes an, und das überrascht mich, denn ich war wirklich selten hier. Vielleicht zwei oder drei Mal.

„Nimm dir Zeit," sagt sie. „Ich mache uns etwas zu essen. Jamie ist noch nicht da."
„Danke, Norah," sage ich und ziehe sie für einen Moment in meine Arme. „Für alles."

Sie sieht mich an, und für einen Moment denke ich, dass sie etwas sagen will, aber dann nickt sie nur und lässt mich los. „Geh duschen, Diego. Du stinkst."

Ich lache und schüttele den Kopf. „Ist ja gut, cariño." Dann gehe ich ins Badezimmer und genieße die heiße Dusche, die meine Schmerzen etwas lindert. Als ich fertig bin, finde ich frische Kleidung aus meiner Kliniktasche auf dem Bett, die Norah für mich hingelegt hat. Ich ziehe mich an und gehe in die Küche, wo sie bereits das Essen vorbereitet hat.

„Das riecht fantastisch," sage ich und setze mich an den Tisch.
„Setz dich und iss," sagt sie und stellt die Teller vor uns hin.

Während wir essen, sprechen wir über Belanglosigkeiten, aber die unausgesprochenen Gefühle liegen in der Luft.

Als das Frühstück beendet ist, lehne ich mich zurück und sehe sie an. „Norah," beginne ich, unsicher, wie ich meine Gefühle ausdrücken soll. Oder will.
Sie sieht mich erwartungsvoll an.
„Ich... ich bin froh, dass du in meinem Leben bist," sage ich schließlich, meine Stimme ist rau. Sie lächelt mich glücklich an. Sie muss nichts sagen. Ich weiß, dass sie das selbe über mich denkt.

Wir sitzen eine Weile in stillem Einvernehmen, und ich weiß, dass dies der Beginn von etwas Tieferem ist. Norah hat mein Herz berührt, und das ist etwas, das ich nicht länger ignorieren kann. Sie öffnet gerade ihren Mund, um etwas zu sagen.

In diesem Moment hören wir die Haustür und kurz darauf taucht Jamie in der Küche auf.
„Hey ihr beiden," sagt sie, ihre Stimme fröhlich wie immer. „Wie geht's dir, Diego?"
„Besser, jetzt wo ich etwas im Magen habe," sage ich und zwinkere ihr zu. Jamie lacht und kommt rüber, um Norah zu umarmen.

„Ich bin so froh, dass ihr beide okay seid," sagt sie und setzt sich zu uns. „Ihr habt mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt."
„Es war auch kein Zuckerschlecken," antwortet Norah und wirft mir einen Blick zu, der sagt, dass sie noch Fragen hat.
Jamie schaut zwischen uns hin und her, ihre Neugier geweckt. „Was ist passiert? Norah hat mir nur erzählt, dass ihr entführt wurdet."
„Es war Victor Lopez," sage ich und spüre, wie sich meine Miene verhärtet. „Er wollte Rache."

„Rache?" wiederholt Jamie, ihre Augen weit vor Schock. „Wofür?"
Norah sieht mich an, ihre Augen bohren sich in meine. „Ja, Diego. Wofür überhaupt?"
Ich seufze tief und reibe mir den Nacken. „Es war vor einigen Jahren, als ich noch in einer anderen Stadt gearbeitet habe. Seine Schwester, Sofia, war in illegale Geschäfte verwickelt. Und ich war damals mit ihr zusammen. Jedoch war ich ein Teil der Ermittlung und sie wurde verhaftet. Während eines Gefängnistransports gab es einen Zwischenfall, und sie wurde schwer verletzt. Sie ist später an ihren Verletzungen gestorben. Victor gibt mir die Schuld daran, schließlich habe ich sie verraten."

Norah und Jamie sehen mich schweigend an. Jamie legt eine Hand auf Norahs Schulter und sieht mich ernst an. „Das war also der Grund für all das?"

„Ja," sage ich und schüttele den Kopf. „Er wollte mich leiden sehen, so wie seine Familie meinetwegen gelitten hat."

Norah bleibt still und denkt nach. Ich kann sehen, wie die Informationen in ihrem Kopf arbeiten. Schließlich spricht sie. „Das tut mir leid. Aber es ist nicht deine Schuld, dass sie gestorben ist."

„Ich weiß," sage ich, obwohl ich immer noch ein kleines Gefühl der Schuld in mir trage. „Aber das hat Victor nicht davon abgehalten, mich verantwortlich zu machen."

Jamie steht auf und beginnt, den Tisch abzuräumen. „Ich bin froh, dass ihr beide sicher seid. Das ist das Wichtigste."

„Danke, Jamie," sage ich und stehe ebenfalls auf. „Ich schätze das."
Norah folgt meinem Beispiel und wir gehen gemeinsam ins Wohnzimmer. Ich spüre, dass sie noch etwas sagen will, und gebe ihr den Raum, den sie braucht.
„Diego," sagt sie schließlich, ihre Stimme sanft. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich für dich da bin."
Ich sehe sie an und lächle. „Danke."
Dann ziehe ich sie zu mir und lege meine Lippen auf ihre.

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