Kapitel 6

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NORAH

Wir betreten die Wohnung, zu der wir gerufen wurden, mithilfe des Schlüssels unter der Fußmatte.
„Hallo?!", ruft mein Kollege, als wir durch den Flur laufen.
Ich schaue mich nicht um, denn dafür ist keine Zeit. Wir laufen wen Flur entlang.
Und dann steht er vor mir. Diego. Shit.

„Hallo, die beiden sind hier.", meint er und bittet uns, ihm zu folgen.
Im Wohnzimmer liegen sie. Eine Frau, die völlig erschöpft aussieht und ein kleines, frischgeborenes Baby.
„Hallo, ich bin Norah. Das ist mein Kollege. Wir würden uns Sie und Ihr Baby einmal anschauen. Danach müssen wir ins Krankenhaus fahren, damit ein Arzt alles bestätigen kann.", sage ich ruhig und freundlich. Die Mutter des Kindes nickt. „Willkommen auf der Welt, du kleine Maus.", sage ich leise, als ich mir das Baby ansehe.
Ich schaue mir das Kind genau an, danach die Mutter. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Aber ich möchte keine Versprechungen machen.

„Es scheint, als wäre alles in Ordnung. Aber wir fahren nochmal ins Krankenhaus, damit ein Arzt sich alles anschauen kann. Zunächst aber erstmal: Herzlichen Glückwunsch!", sage ich und schaue zuerst die Mutter des Kindes an, danach Diego.

Natürlich ist er nicht Single. War ja klar. Wer so verboten gut aussieht, kann unmöglich alleine sein. Aber dass er ein Kind hat, hätte ich wirklich nicht erwartet.

„Danke.", schluchzt die Mutter des Kindes. Dann holen wir eine Trage und schieben sie in den Krankenwagen.
„Darf ich mit?", fragt Diego hinter mir.
Ich schaue an ihm herunter. Er trägt Adiletten, eine Jogginghose und ein altes T-Shirt.
„Hab auf die Schnelle nichts anderes gefunden.", gibt er schulterzuckend zu und ich verkneife mir ein Lachen.
„Klar. Du darfst natürlich mit.", sage ich und trete zur Seite, damit er zu seiner Tochter kann. Ich fahre ebenfalls hinten mit, damit ich im Notfall einschreiten kann.

Diego setzt sich auf den Sitz neben mir und schaut das Baby an. „Sie ist süß.", sagt er leise.
Die Mutter nickt, dann schaut sie wieder zu dem Baby. „Dein Daddy wird noch was erleben. Er hat deine ersten Sekunden nicht mitbekommen."

Hä?

„Ich habe ihn erreicht. Er kommt gleich direkt ins Krankenhaus.", sagt Diego.
„Moment. Du bist garnicht der Vater?", hake ich verwirrt nach.
Diego schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann lächelt er. „Das dachtest du?"
„Natürlich. Es ist meistens so, dass die Väter bei der Geburt dabei sind."
„Bei uns war es etwas anders. Er ist mein kleiner Bruder. Mein Mann ist arbeiten und ich habe nur Diego erreichen können.", sagt die Mutter des Kindes, also Diego's Schwester, lachend.
„Oh", hauche ich.

„Danke Diego, dass du geholfen hast. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Sie kam ja doch schneller als ich gedacht habe.", sagt Diegos Schwester und es bilden sich Tränen in ihren Augen.
„Hey klar. Ich fühle mich sogar ein bisschen geehrt, weil ich der Erste war, der dieses kleine Wesen berühren durfte.", meint er und lächelt liebevoll.

„Man kann von Glück reden, dass du da warst.", mische ich mich ins Gespräch ein, „Du hast das wirklich gut gemacht. Ihr beide. Eine Sturzgeburt sollte man nicht unterschätzen, da kann so einiges schief gehen."

Diego schaut mich an. Seine brauen Augen glänzen. Dann schaut er seine Schwester und seine neugeborenen Nichte an. „Es ist ja zum Glück alles gut gegangen."

„Hallo, ich bin wieder da!", rufe ich, als ich die Wohnung von Jamie und mir betrete.
„Bin im Wohnzimmer!", ruft meine beste Freundin zurück.
Ich lege meine Sachen ab, hole eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und gehe zu ihr.
„Hey.", sage ich, als ich sie auf der Couch sehe. Sie lächelt mich fröhlich an.
Ich setze mich zu ihr und stelle die Flasche auf den Tisch. Jamie holt zwei Gläser aus dem Schrank neben ihr und füllt uns ein.

„Wie war dein Tag?", fragt sie mich, nachdem wir angestoßen haben.
„Interessant."
„Ahh. Erzähl mir mehr.", fordert sie mich interessiert auf.
„Ich habe Diego wieder gesehen.", sage ich.
„Und?"
„Und ich dachte, er wäre gerade Vater geworden."
„Was?!", kreischt Jamie.
„Aber ist er nicht. Er hat seiner Schwester bei der Geburt geholfen. Sie hatte Zuhause eine Sturzgeburt und er war - Gott sei Dank- dabei. Aber auf den ersten Blick dachte ich wirklich, sie wäre seine Freundin und sie hätten ihr gemeinsames Kind bekommen. Aber durch ein Gespräch der beiden habe ich gemerkt, dass er doch nur der Bruder ist.", erkläre ich.

Jamie schaut mich grinsend an. „Das ist ja toll."
„Warum schaust du so?", frage ich unsicher.
„Du findest ihn gut."
„Wie kommst du darauf?", frage ich interessiert.
„Du hast dir scheinbar ziemlich lange Gedanken über ihn gemacht. Und du scheinst erleichtert zu sein, dass er doch keine Freundin und kein Kind hat.", erklärt sie ihren Verdacht.

„Das stimmt nicht. Ich hätte nur nicht erwartet, dass er ein Kind hat. Aber es war ja auch nicht so.", rechtfertige ich mich. Jamie zieht daraufhin die Augenbrauen hoch.
„Okay... er sieht wirklich sehr gut aus. Aber ich kenne ihn kaum. Ich weiß gar nichts über ihn.", gebe ich zu.
„Er arbeitet als Polizist und dein Dad ist sein Chef. Das sind schon gute Informationen. Außerdem weißt du wer seine Schwester ist und wer seine Nichte ist. Und du weißt wo seine Schwester wohnt.", zählt sie auf.

„Ja okay. Du hast ja recht. Aber kennen tue ich ihn trotzdem nicht richtig. Ich weiß nicht wie er tickt. Außerdem finde ich ihn nur attraktiv. Die ersten Begegnungen mit ihm waren scheiße. Da war er ein absolutes Arschloch.", gebe ich zurück.
„Aber du stehst auf Arschlöcher.", murmelt sie.
„Halt die Klappe Jamie.", lache ich und haue sie mit dem Kissen neben mir.

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